nb Dr Hendrik Leber 350x350 325x325Acatis-Konferenz in Frankfurt am Main 

Notker Blechner/ Ulla Micheline

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Roboter beeinflussen zunehmend die Geldanlage. Der Vermögensverwalter Acatis hat einen Fonds aufgelegt, der komplett vom Computer gesteuert wird. Was der Mensch noch tun kann, wenn die Maschinen das Sagen haben, wurde auf der diesjährigen Acatis-Konferenz besprochen.

Von technikfeindlichen Untergangsszenarien hält Hendrik Leber nicht viel. Der Geschäftsführer des Vermögensverwalters Acatis, der mehrere Fonds im Millionen-Volumen verwaltet, mag neue Experimente - derzeit am liebsten mit Robotern. Der Acatis BI Aktienfonds zum Beispiel wird komplett von Roboterhand gesteuert. Können Maschinen besser Geld anlegen als Menschen?


Computer sucht in Sekundenschnelle die besten Aktien heraus

Beim Acatis BI Aktienfonds spürt der Computer an der Börse Muster und Zusammenhänge auf, die ein Mensch nicht sehen würde. Er vergleicht das Kurs-Buchwert-Verhältnis und identifiziert die lukrativsten Aktien. Ähnliche Titel werden in einer Gruppe sortiert. So wird zum Beispiel Apple nicht der Mobilfunk-, sondern überraschend der Luxusbranche zugeordnet.

Der Computer wertet alle Geschäftsberichte aus. Unter zwei bis drei Millionen Datensätzen gleichzeitig sucht er nach Schlüsselwörtern, die Kauf- oder Verkaufssignale geben. Kluge Investoren werden künftig die Maschinen zur Vorauswahl interessanter Firmen nutzen, glaubt Leber.


"Maschinen können vieles besser als die Menschen"

"Maschinen können heute schon besser als die meisten Menschen Schach, Go und Poker spielen, Sprache übersetzen, Bilder klassifizieren, medizinische Diagnosen erstellen, Musik komponieren, Kochrezepte erfinden und Bilder malen", sagt Acatis-Chef Leber. "Sie beginnen, sich als Autofahrer oder Pilot in der realen Welt zu bewegen, und sie können an der Börse handeln."

Das nutzt Leber und sein-Acatis-Team. Die Frankfurter Finanzprofis wenden die vielfältigen Möglichkeiten von Big Data an. "Big Data erfasst alle Handelsschiffe auf den Weltmeeren, Big Data erkennt beliebige Objekte aus dem All, Big Data zählt die Autos auf den Walmart-Parkplätzen, Big Data weiß, wo der Verkehr sich staut. Big Data kann alle diese Informationen verknüpfen", sagt Leber.


Big Data: Dem Hirn beim Denken zusehen

Wie weit die Möglichkeiten von Big Data sind, zeigte auf der Acatis-Konferenz Lars Hufnagel vom EMBL (European Molecular Biology Laboratory) Heidelberg. Beim Bio-Imaging könne man dem Hirn beim Denken zusehen, erzählte er mit anschaulichen Darstellungen. Hier würden schon die Voraussetzungen für reifere neuronale Netze geschaffen.

Nur eines vermisst Acatis-Chef Leber bei aller Big-Data-Euphorie: die weichen Informationen wie regionale und ethnische Besonderheiten, Kunden- und Know-how bezogene Informationen, der physische Augenschein von Fertigungsanlagen. "Wo bleibt der kreative, dissonante Ansatz?" Solche Daten seien bisher noch nicht in Big Data abgebildet. Wer sie erfasst und interpretiert, könne noch punkten.


Was Big Data (noch) nicht kann

Solche weichen Informationen demonstrierten Leber und sein Team beim diesjährigen Acatis-Kongress. Emerging-Markets-Experte Axel Krohne (EM Value), zeigte beispielsweise, wie er sich von Gesprächen bei Taxifahrern bei seiner Geldanlagestrategie inspirieren lasse. "Die wissen, wer die besten Unternehmen im Land sind." Krohne identifiziert vor Ort exzellente Unternehmen - am liebsten die Marktführer - mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fünf oder niedriger. Auf teure Währungsabsicherungen verzichtet er.

Lokale Expertise ist oft unerlässlich für den Erfolg von Fonds. So zum Beispiel in Indien. Die genaue Kenntnis und der physische Besuch der Unternehmen sind für Krishnaraj Venkataraman von Beaconsfield Investment Management Voraussetzungen für das Erkennen und Bewerten von Investment-Chancen. Ohne physische Präsenz auf den lokalen Märkten sei eine Analyse auch heute nicht möglich, meint der Berater des Acatis-Indienfonds. "Indien ist so groß und tiefgründig, dass nicht einmal ein Inder es in seiner Gänze wirklich versteht", sagt er. "Seine Sprachen, seine Geschmäcker, seine Kultur, seine Geschichte, seine Religion und seine Wirtschaft sind verschieden und doch miteinander verflochten. Das trügerisch attraktive Indien hat so manchen Anleger reich gemacht und viele Unternehmen enttäuscht", erklärte Venkataraman. Als erfolgreiche Börsen-Storys stellte er den Autohersteller Maruti, den Goldpfandleiher Manappuram General Finance and Leasing und die Augenklinikkette Aravind vor.


Die kreative dissonante Kraft der Musik

Auch die Musik lässt sich (noch) nicht mit Big Data in Einklang bringen. Stolz präsentierten bei der Acatis-Konferenz Albert Schmitt und Stephan Schrader von der Deutschen Kammerphilharmonie ihr Fünf-Sekunden-Modell. Dabei geht es um Gegensatzpaare, die je nach ihrer Nähe und Intensität wie musikalische Sekunden dissonant wirken können. Gerade sie machen aber erst Höchstleistungen möglich. Das Fünf-Sekunden-Modell inspiriert auch Wirtschaftsunternehmen.

Stephan Schrader orchestrierte das 5-Sekunden-Modell eindrücklich mit seinem "Cello-Loop". Ein einziges Cello, live vervielfältigt mit einem Loop-Synthesizer, klang dabei wie ein ganzes Orchester. Dissonanz und Neuschöpfung lagen hier direkt nebeneinander

Selbst wenn die Maschine eines Tages die Macht übernähmen, werde also der Mensch mit Kreativität und der Verarbeitung weicher Faktoren noch genügend zu tun haben, glaubt Acatis-Chef Leber. Ganz auf die menschlichen Fähigkeiten werde man nicht verzichten können. "Menschen lassen sich eben nicht so leicht täuschen wie Maschinen und haben eine sehr vielseitige Erfahrung", meint Leber - mit einem entspannten Lächeln.

Foto: Hendrik Leber © VuV

Info:
Acatis
www.acatis.de