Serie: Musikmesse und prolight+sound vom 10.-13. April auf dem Frankfurter Messegelände, Teil 5
Anna von Stillmark
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich ist das Treiben in Halle 5, wo seit Montag bis Samstag zuerst Schulklassen und dann auch einzelne Kinder mit allen möglichen Gegenständen Musik machen, mit „Glück“ angesichts der strahlenden Augen und versunkenen Mienen nur unzureichend beschrieben, denn die Momente von Lernen und Selbsterfahrung sind es ja auch, die dieses Glück konstituieren.
Warum wir bisher nur dem Namen nach davon wußten, daß seit 2001 die Kinder einen eigenen Bereich des Musikhörens und -produzierens haben, können wir uns nach dem Besuch am Vormessetag gar nicht mehr vorstellen. Sie lesen richtig. Die Kinder fangen schon am Montag an, die Messe eröffnet erst am Mittwoch. So riesenhaft sind die Anmeldungen von Kindertagesstätten und Schulklassen, daß man das volle Wochenprogramm durchziehen muß. „Man“ das ist nicht nur die Messe, sondern der, der diese Form der Musikerziehung propagiert und auch hier in Frankfurt verantwortlich gestaltet: Michael Bradke.
Dieser Wundermann liegt gerade völlig entspannt auf der Bühne in Halle 5. Im Moment sind die ersten Klassen der Regenbogenschule aus Bad Vilbel und vieler weiteren Schulen abgerückt und es herrscht Ruhe in diesen 3 000 Quadratmetern,. Aber Michael Bradke sei auch sonst sehr entspannt, erzählen die, die mit ihm zu tun haben, sei es unter seiner Aufsicht hier mit den täglich viermal rund 500 Schülern, also rund 2000 Kindern Musik zu machen und dem Tönemachen hinterherzuspionieren, sei es als Lehrerin oder KITA-Begleiterin für das Benehmen der Gruppe verantwortlich zu sein. Manche geraten außer Rand und Band. Und das hat nichts mit Lautstärke zu tun, sondern mit dem Außerordentlichen, was Kinder hier erleben.
Und hat man es einmal erlebt, dann will man jährlich wiederkommen, erzählt uns Kevin. Er habe dies überhaupt erst in seiner Schule angestoßen, hierher zu kommen, denn er kannte das aus dem Kindergarten und jedes Jahr ist der April auf der Musikmesse ein fester Termin in seinem Leben. Ob er ein Instrument spielt? Da schaut er uns mitleidig an. Zwei sind es. Klavier muß sein, sagte die Mutter, aber das Schlagzeug liebt er noch viel mehr. Die gibt es auch schon für Kinder, erzählt er uns, der sich jetzt lieber schon als Jugendlicher ausgibt.
Wir hören Michael Bradke zu. Er gibt eine Art Einführung, wobei im Lied gefragt wird, ob die Kinder alle ihre Hände dabei haben, denn um die wird es hier gehen. Die Hände sind das Instrument, mit dem die Dinge zum Klingen gebracht werden. Er stellt Musikinstrumente vor und sagt den Kindern, daß sie hier alles lernen können, wie der Ton entsteht, wie der Klang verklingt, wohin er geht und wie man ihn mißt. Denn in der Tat sind es die Akustikphänomene, die hier die Jungens besonders interessieren. Wir haben den Eindruck, daß Mädchen viel mehr am Klang selbst interessiert sind. Daß Töne mit Gefühlen zu tun haben, muß Bradke den Zuhörern nicht lange ausführen. Das wissen die längst, denn sie kennen ihre Musik, die sie hören wollen, wenn sie eine Klassenarbeit verhauen haben und auch die, die sie bei Kindergeburtstagen schmettern. „Das ist eine ganz andere Musik“, erzählt mir Melanie, „es gibt nämlich ganz vielen Musiken.“ Recht hat sie.
Was dieser Teufelskerl Bradke sich alles zusammenerfunden und zusammengesammelt hat, ist kaum glaublich und, so sagt er, das kann man in Wanderausstellungen ansehen. Einen Teil davon, den, mit dem Kinder umgehen können, hat er hierher mitgebracht. Das fängt schon vorne an, wo riesige Plastikgefäße in Wasser stehen und durch das Auf- und Niederdrücken die unglaublichsten Geräusche machen. Genau hier werden am Ausstellerabend der Pro Light+Sound die Männer Schlange stehen, um diese Geräusche zu erzeugen und sich kringelig zu lachen, wie man überhaupt die ganze Zeit denkt, daß alle diese Vorrichtungen, die Michael Bradke meist an runden Tischen – wie im Casino sieht es aus – konzipiert, auch ein Heidenspaß für Erwachsene wären – und ein Lernzuwachs dazu.
Raphael ist etwas indigniert, als ich ihn nach dem Namen des Tisches frage, an dem er gerade selbstvergessen mit den dicken Kopfhörern nachspürt, was seine Finger auf so einem mit dünnen Metallfäden bespannten Teil hervorbringen. „Musiktisch!“, sagt er und als diese Erwachsene ihn weiter stört und dümmlich fragt „und der Tisch dort drüben?“, antwortet er selbstsicher und gelangweilt: „Musiktisch natürlich!“ Wir lesen dann, daß die Tische wirklich Namen haben: Senso Tisch oder Solo Tisch, wir lernen aber ununterbrochen, daß wir selbst keine Namen haben, um diese Gegenstände, die Bradke kreiert hat, um an ihnen mit den Fingern oder Gegenständen Geräusche, Klang und Rhythmus zu erzeugen, daß wir keine Benennungen kennen und Schwierigkeiten haben, Worte dafür zu finden. Wir sehen nur das Ergebnis dieser – sagen wir mal – Geräuschwerkzeuge, die dazu führen, daß Kinder fasziniert auf dem Hocker sitzen bleiben und – wie Raphael – über den Kopfhörer ganz laut das Zirpen hört, was seine Hände auf den Saiten erzeugen, während wir danebenstehend dies nur leise vernehmen.
Wichtig, daß man der Allgemeinheit so viel Lärmschutz bietet, wie möglich, denn natürlich sind die vielen Spieltische dauernd voll besetzt und das ist ja längst nicht alles, denn neben der Bühne sehen wir dahinten die Orgelpfeifen und die Schlagzeuggruppen sind unübersehbar. Während die einen also individuell spielerisch Grundlagen der Musik erwerben, wird hier in der Runde auf Hockern an Trommeln Rhythmus geübt, was gemeinsam sogar besser gelingt, erzählt Cordula. Auch sie hat hier vor Jahren ihre Begeisterung für das Musikmachen erlebt und hat nun im zweiten Jahr Geigenunterricht. Aber, so sagt sie, hören will sie immer nur Popmusik! Fortsetzung folgt.
www.musikaktionen.de