DAm online.de einfachNach dem Siegerentwurf SAN RIEMO, dem genossenschaftlichen Wohnhaus, hier die lange und die kurze Liste sowie die Finalisten zum DAM Preis 2022, Teil 2

Redaktion
 
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der DAM Preis 2022 geht an die ARGE SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB für das GENOSSENSCHAFTLICHE WOHNHAUS »SAN RIEMO« in München. Das wurde im vorigen Artikel ausgeführt. Aber man kann es noch einmal sagen: Das in der relativ jungen Münchner Messestadt Riem gelegene »San Riemo« ist höchst innovativ. Die Baugenossenschaft KOOPERATIVE GROSSSTADT hatte für ihr erstes Wohnungsbauprojekt einen eigenen Wettbewerb veranstaltet, zu dem es 62 (!) Einreichungen gab. Aus Kostengründen fiel die Realisierungsentscheidung zugunsten des ursprünglich zweitplatzierten Entwurfs der ARGESUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB (Anne Femmer, Florian Summa, Juliane Greb, Petter
Krag).

Ästhetisch überrascht das Gebäude durch eine Straßenfront mit schlanken Wintergärten hinter gewellten Polycarbonattafeln. Vor allem aber sind in dem Haus durch eine matrixartige Raumstruktur unterschiedliche Wohnungsgrundrisse für verschiedene Lebensweisen einschließlich gemeinschaftlicher
Flächen möglich.

Die Jury ist überzeugt: Dieses klug durchdachte und schon jetzt von den Bewohnern vollen Herzens angenommene Haus setzt Maßstäbe in der drängenden Frage nach der Zukunft des Wohnens – und entschied, dem »San Riemo« den DAM Preis 2022 zuzuerkennen.

Seit 2007 werden mit dem DAM Preis jährlich herausragende Bauten in Deutschland ausgezeichnet. 2022 wird der Preis vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) bereits zum sechsten Mal in enger Zusammenarbeit mit JUNG als Kooperationspartner vergeben.

DIE LANGE LISTE

Für die lange Lister des DAM Preis nominiert wurden rund 100 Bauwerke aus Deutschland, die aus einer umfangreichen Recherche stammen, an der ein Beirat aus Experten beteiligt war. Dieser bestand aus Christina Beaumont, Christof Bodenbach, Lydia Haack, Angelika Hinterbrandner, Christian Holl, Philipp Jamme, David Kasparek, Ursula Kleefisch-Jobst, Steffen Lauterbach, Maximilian Liesner, Gert Lorber, Andreas Thomas Mayer, Andreas Reich, Ilka Ruby, Alexander Russ, Heiner Stengel und Finn Warncke.

Außerdem wurden Projekte von den Architektenkammern der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen vorgeschlagen. Grundsätzlich bestand für die Nominierung der Bauten keine Einschränkung auf eine bestimmte Bautypologie, Mindestgröße oder Bausumme. Die nominierten Bauwerke für den DAM Preis 2022 sollten zwischen Ende 2019 und Frühjahr 2021 fertiggestellt sein.

Neu seit 2017 ist, dass alle Bauten dieser Nominierungsliste, geographisch sortiert, jährlich im Architekturführer Deutschland vorgestellt werden. Die Ausgabe 2022, von DOM publishers verlegt, ist bereits im Handel. Gleichzeitig ist die Longlist auch im Internet unter dam-preis.de einsehbar. Über die Jahre entsteht so zusätzlich ein digitales Archiv bemerkenswerter Gebäude in Deutschland.


DIE KURZE LISTE 

Eine Expertenjury unter Vorsitz von Christiane Thalgott bestimmte aus dem Feld der Longlist 22 Projekte für die engere Wahl der Shortlist zum DAM Preis 2022. Eine Auswahl von drei Bauten deutscher Architekten im Ausland kommt außer Konkurrenz hinzu sowie ein Nachzügler-Projekt aus dem Jahrgang 2021, das coronabedingt nicht besucht werden konnte.

Im Feld des Wohnungsbaus stellt die Shortlist herausragende neue Ansätze vor. Das reicht von unterschiedlichen Umbauten über prototypische Grundrisse mit nutzungsneutralen Räumen für eine möglichst flexible Anpassung der Wohnungen an sich wandelnde Lebensformen in München bis zu  Forschungshäusern in verschiedenen Materialien auf der Suche nach möglichst einfachem Bauen in Bad Aibling.

Arbeitswelten werden durch kommunikationsfördernde Räume und unterschiedliche Bürotypen bestimmt. Das zeigen eindrucksvoll etwa der Axel Springer Neubau in Berlin und ein Logistikzentrum mit Verwaltung in Walldorf, aber auch eine moderne „Remise“ in einem Berliner Hinterhof. Bei den Kulturbauten stachen das neue Eingangsgebäude des Freilichtmuseums in Molfsee aus zwei archetypischen scheunenartigen Baukörpern und die treppenartig angelegte John Cranko Schule – die Staatliche Ballettakademie – in Stuttgart hervor. Unter den Verkehrsbauten überzeugte eine beschwingte Rad- und Fußgängerbrücke mit himbeerrotem Innenleben in Darmstadt.


DIE FINALISTEN

Auf einer gesonderten Juryfahrt Anfang September 2021 wurden die vier gewählten finalen Bauensembles von der Jury vor Ort besichtigt.


DIE BAUTEN IM AUSLAND

Nicht in der Auswahl für den DAM Preis, aber seit vielen Jahren ein fester Bestandteil dieser Übersicht zur deutschen Gegenwartsarchitektur, sind die Bauten von Architekturbüros aus Deutschland in anderen Ländern: Felgendreher Olfs Köchling Architekten realisierten im Kanton St. Gallen (Schweiz) die Primarschule Azmoos. In Tokio (Japan) entstand das Hochhausduo Toranomon von ingenhoven architects. Zeller & Moye setzten in Coquimatlán (Mexiko) die Casa Hilo um.

 
DAM PREIS 2022 – DIE drei übrigen FINALISTEN BURGER RUDACS ARCHITEKTEN John Cranko Ballettschule, Stuttgart

Stefan Burger und Birgit Rudacs gewannen einen nicht offenen Wettbewerb für den Neubau der renommierten John Cranko Schule mit Internat mit einem Vorschlag, der sich, so die Architekten, heute beinahe genauso von der Werastraße bis zum Urbansplatz hinter der Alten und Neuen Staatsgalerie hinabtreppt, wie er im Wettbewerb angelegt war. Von Beginn an war es den Entwerfern ein Anliegen, die notwendigen Übungsräume – acht Ballettsäle, zudem Gymnastik-, Trainings- und Physiotherapieräume – der Nutzung entsprechend zu gestalten: »In Analogie zum Tanz ordnen und fügen sich die Räume im Grund- wie im Aufriss in Sequenzen, in rhythmischen Wiederholungen aneinander und in das Ganze ein.«

Und das auf anspruchsvollem Grund, dem Gelände des ehemaligen Wasserwerks: 21 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen der oberen und der unteren Erschließung. Für den 90 mal 36 Meter langen skulpturalen Betonbaukörper mit gut 13.000 Quadratmetern Grundfläche, der sich mit insgesamt
zehn Ebenen den Hang entlang terrassiert, ergeben sich somit sinnfällig zwei Adressen, eine obere, wo das Internat liegt, und eine untere mit Probebühne, die auch für öffentliche Aufführungen genutzt wird.
(Auszug aus der Kritik von Katharina Matzig)


FLORIAN NAGLER ARCHITEKTEN Forschungshäuser Bad Aibling

Da stehen sie, in Reih und Glied, drei Häuser nebeneinander. Äußerlich wirken sie sehr ähnlich, jedoch ist eins aus Holz, eins aus Ziegel und eins aus Leichtbeton gebaut. Egal in welcher Bauweise, alle drei sollen mindestens 100 Jahre halten und stehen entsprechend fest da. In diesem Fall sogar als Manifest.

Die eigentliche Bedeutung der drei Gebäude ist mit den Augen allein nicht sichtbar: Sie sollen nicht weniger als die Frage nach dem »Einfach Bauen« beantworten, eine Frage von sehr hoher gesellschaftlicher Relevanz. Schließlich geht es auf sozialer Ebene um bezahlbaren Wohnraum und auf ökologischer Ebene um eine langfristig wirksame und verträgliche Strategie nachhaltigen Bauens und Wirtschaftens. »Einfach Bauen« ist die Vereinfachung der Gebäudehülle und die radikale Abkehr von kurzlebigen, teuren und anfälligen Gebäudetechniksystemen. An ihre Stelle tritt die Konzentration auf eine flexible, langlebige Gebäudestruktur, auf eine robuste Gebäudehülle, auf die Kreislaufwirtschaft der Baustoffe und die Untersuchung der Auswirkungen des intuitiven Verhaltens der Nutzer im Alltag. In jeweils einer Wohnung werden noch bis Ende 2023 Messdaten dazu gesammelt und die Verzahnung zwischen Forschung und Realität weiter betrieben.
(Auszug aus der Kritik von Christoph von Oefele)


OFFICE FOR METROPOLITAN ARCHITECTURE (OMA) Axel-Springer-Neubau, Berlin

»Der Wettbewerb für den neuen Axel-Springer-Campus stellte auch die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten wollen. Dafür hat der Beitrag von Rem Koolhaas eine spektakuläre Antwort vorgeschlagen, die den zukünftigen Nutzern eine Arbeits- und Kommunikationslandschaft eröffnet, die es so noch nicht gegeben hat.« So lobte der Juryvorsitzende Friedrich von Borries vor acht Jahren den Wettbewerbsgewinner OMA, der in der letzten Runde gegen seine beiden Konkurrenten BIG und Ole Scheeren gewonnen hatte.

Heute steht der »schwarze Brocken« und hält 3.000 Arbeitsplätze bereit. Geschickt reagierten die Planer auf den Städtebau: Sie fügten eine Fuge auf Höhe der vorgeschriebenen Traufkante ein und schrägten danach das Dach entsprechend der Fluchtlinien ab. Schwerer taten sie sich beim Raumabschluss des nun 45 Meter hohen Raumkontinuums in der Diagonale. Hier griffen sie auf eine »schaumige« Großform zurück. Ein vielfach geknicktes Gebilde in triangulierter Aufteilung scheint wie unter Überdruck aus dem Gebäude herauszuquellen. Der Raumeindruck dagegen ist überwältigend: Da fließt ein gigantisches, von Brücken durchquertes Raumkontinuum bis unter das Dach, hinein schieben sich über mehrere Ebenen Terrassen mit Arbeitsplätzen und Aufenthaltsflächen. Die Architekten konnten zum Glück auch die gesamte Inneneinrichtung konzipieren. Von oben betrachtet kommt die Realität ihren früheren Renderings und Modellen ziemlich nahe.
(Auszug aus der Kritik von Peter Cachola Schmal)

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Quelle: DAM