08 SR SCFBG DAM Copyright Florian Summa printDer DAM Preis 2022 geht an den Entwurfs des ARGE SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB in München Riem, Teil 1

Redaktion

München (Weltexpresso) - Das in der relativ jungen Münchner Messestadt Riem gelegene »San Riemo« ist höchst innovativ. Die Baugenossenschaft KOOPERATIVE GROSSSTADT hatte für ihr erstes Wohnungsbauprojekt einen eigenen Wettbewerb veranstaltet, zu dem es 62 (!) Einreichungen gab. Aus Kostengründen fiel die Realisierungsentscheidung zugunsten des ursprünglich zweitplatzierten Entwurfs der ARGE SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB (Anne Femmer, Florian Summa, Juliane Greb, Petter Krag). Ästhetisch überrascht das Gebäude durch eine Straßenfront mit schlanken Wintergärten hinter gewellten Polycarbonattafeln.

Vor allem aber sind in dem Haus durch eine matrixartige Raumstruktur unterschiedliche Wohnungsgrundrisse für verschiedene Lebensweisen einschließlich gemeinschaftlicher Flächen möglich. Die Jury ist überzeugt: Dieses klug durchdachte und schon jetzt von den Bewohnern vollen Herzens angenommene Haus setzt Maßstäbe in der drängenden Frage nach der Zukunft des Wohnens – und entschied, dem »San Riemo« den DAM Preis 2022 zuzuerkennen.

Seit 2007 werden mit dem DAM Preis jährlich herausragende Bauten in Deutschland ausgezeichnet. 2022 wird der Preis vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) bereits zum sechsten Mal in enger Zusammenarbeit mit JUNG als Kooperationspartner vergeben.

DAM PREIS 2022 – PREISTRÄGER GENOSSENSCHAFTLICHES WOHNHAUS “SAN RIEMO”, München, ARGE SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB

Im Frühjahr 1992 wurde der zu eng gewordene Flughafen München-Riem geschlossen. Zurück blieb das leere Flugfeld, das von weitsichtigen Politikern sowie Planerinnen und Planern als große Chance für neues, zeitgemäßes Wohnen, Arbeiten und Leben mit Freizeitangeboten in einem ökologisch geplanten
Stadtteil begriffen wurde. Das Gebiet wurde zunächst noch als zu weitläufig empfunden, um ein gemeinsames Quartiersgefühl zu schaffen. Den Wandel in der Wahrnehmung und Attraktivität brachten Baugruppen und Genossenschaften, die insgesamt mehr als 500 Wohnungen realisiert haben.

Das genossenschaftliche Wohnhaus San Riemo der Genossenschaft KOOPERATIVE GROSSSTADT steuert dazu 27 Wohnungen bei. Der Entwurf für das Haus ist aus einem Wettbewerb hervorgegangen, 62 (!) Büros hatten sich beteiligt. Aus Kostengründen erhielt der zweitplatzierte Entwurf der ARGE
SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB den Zuschlag: ein echter Glücksfall. Das San Riemo bringt zur Heinrich-Böll-Straße mit seiner gläsernen Fassade aus beweglichen Fenstertüren und einer vorgelagerten Schicht aus gewellten Polycarbonatplatten in die Nachbarschaft mit den sehr streng gestalteten Häusern eine heitere Note. Türkisfarbene Deckenplatten, Vorhänge und Rahmungen der großformatigen Fenster im Erdgeschoss unterstreichen diesen Eindruck. Das Wellenmotiv setzt sich an den anderen Fassaden mit weißen Wellblech-Verkleidungen fort. An der kurzen Südfassade mit auffälligen dreieckigen Fenstereinschnitten liegt der Haupteingang. Zum Hof öffnet sich das Erdgeschoss mit ungewöhnlich niedrig eingesetzten Fenstern, die Kinder als Ein- und Ausstieg nutzen können.

Im Erdgeschoss befindet sich eine Gewerbefläche. Dahinter, vom Haupteingang erschlossen, ist der gemeinschaftlich genutzte Teil des Erdgeschosses. Von den Bewohnern »Lobby« getauft, ähnelt der Bereich einer überdachten Spielstraße. Sie bietet mit einer Gemeinschaftsküche und einer Werkstatt Impulse für gemeinschaftliches Tun im alltäglichen Zusammenleben. Waschmaschinen und Abstellflächen in einer Hochregalwand verschwinden hinter sonnengelben Vorhängen. Das Pendant zur Foyerhalle ist obenauf der Dachgarten mit Hochbeeten und Sommerküche.

Das einfache konstruktive System bietet eine hohe Flexibilität für interessante Grundrisse. Für die Wohnungen wurden drei Typen definiert: das sogenannte Basis-, das Filial- und das Nukleuswohnen. Ersteres entspricht am ehesten einer konventionellen Wohnung. Beim Filialwohnen sind die privaten Räume etwas kleiner; die gewonnene Fläche wird gemeinschaftlich genutzt. Das Nukleuswohnen ist die experimentellste Wohnform im Haus: Mehrere Wohnungen geben Flächen in einen »Pool«, dessen Nutzung neu und wechselnd definiert werden kann. Jede Partei behält aber auch einen individuell bewohnten Nukleus. So entsteht bewegliche Fläche, die untereinander je nach Bedarf dazu genommen oder abgegeben werden kann.

Entlang der West- und Ostfassade befinden sich nutzungsneutrale, gleich große Räume. In der Achse dazwischen sind die beiden Erschließungskerne, die Sanitärzellen und gemeinschaftliche Ess- »Kochbereiche platziert. So entstehen durchgesteckte Familien- oder Gemeinschaftswohnungen. Durch das Zusammenschalten mehrerer neutraler Raumzellen an den Seiten können weitere größere, gemeinschaftlich genutzte Bereiche entstehen. Die schmalen Wintergartengalerien im Westen werden sehr vielseitig genutzt. Insgesamt bestimmen Sichtbeton und graue Estrichböden die Grundausstattung. Die beiden Treppenhäuser sind in kräftigem Lila und sattem Himmelblau gestrichen.

San Riemo hat Mut zu neuen Wohnformen bewiesen und mit Leben gefüllt. Die Jury des DAM Preis 2022 ist davon überzeugt und begeistert.DAM Preis 2022 


Stimmen aus der Jury

»San Riemo überzeugt durch raffinierte Wohnvarianten und Grundrisseinteilungen. Ebenso durch eine feine Architektursprache. Es ist mehr als nur ein Ort zum Wohnen – hier entstehen Gemeinschaften und Zusammenleben.«
(Kristina Egbers)

»Warum ist das Umfeld so trist geraten, wenn doch San Riemo zeigt, woran es hier mangelt: Endlich ein Haus mit Charakter und einer städtischen Dichte.«
(Oliver Elser)

»Eine aufregende Lösung für die uns überall Sorgen bereitenden Wohnungsbauprobleme, die hier von privater Seite initiiert und mit viel Eigenregie umgesetzt wurde – ein echtes Vorbild!«
(Peter Cachola Schmal)

»San Riemo ist erfrischend anders als die Nachbargebäude. Die junge Genossenschaft kann stolz sein auf ihren Mut, ein so aufwändiges Verfahren durchgeführt zu haben. Es hat zu einem schönen und das Lebensglück aller fördernden Haus geführt.«
(Christiane Thalgott)

»Aus der Architekturgeschichte wissen wir, neue Formen des Zusammenlebens bedingen immer auch neue Formen der Architektur. Das Münchner Wohnhaus San Riemo ist dafür das beste Beispiel.«
(Uwe Bresan » Dijane Slavic)

»Teilen und Tauschen, und jede Raumkonfiguration ist stimmig. Ein Haus mit vielen Zukünften!«
(Angelika Fitz)

»Ein wunderbar gelungener Beleg, wie wir zusammenleben wollen.«
(Dionys Ottl)

»Dass in München – ausgerechnet – ein Geschosswohnungsbau realisiert wurde, der Maßstäbe setzt in Hinblick auf räumliche Flexibilität, ist nicht nur preiswürdig, sondern hoffentlich auch zukunfts-weisend!«
(Katharina Matzig)

»Das Projekt San Riemo zeigt, wie wir auf erschwingliche und spannende Weise zusammenleben können. Die Struktur bietet eine Basis für verschiedene Kombinationen von Haushalten, für aktuelle und zukünftige Bedürfnisse.«
(Jacob van Rijs)

»Veränderung ist eine Konstante des Lebens. Ob Wohnen oder Arbeiten, Wachsen oder Schrumpfen, Familie oder WG, hier ist alles möglich. Ein mutiges und spannendes Experiment: Der Realitätscheck hat begonnen.«
(Christoph von Oefele)

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Quelle: DAM