04 SR SCFBG DAM Copyright Florian Summa printZum DAM PREIS 2022 und dem Siegerentwurf für ein genossenschaftliches Wohnhaus, Teil 3 
 
Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ich sag's gleich. Das Folgende soll Sie motivieren, sich in Frankfurt, die ins Ostend ausgelagerte Ausstellung zum Architekturpreis des Deutschen Architekturmuseums persönlich anzusehen, denn alles, was man über sinnlich Wahrnehmbares schreibt, kann nie im Kopf so gegenwärtigen werden, wie es den Modellen der vier Finalisten, darunter dem Siegerentwurf, gelingt. Ein Blick und Sie wissen mehr, mehr übers Wohnen, mehr über sich selbst.

Warum ich so grundsätzlich werde, hat damit zu tun, daß mir der Siegerentwurf ein Déjà-vu bescherte, das lange nachwirkte. Allein heute davon zu hören, daß beim Bauen ein GENOSSENSCHAFTLICHES WOHNHAUS den ersten Preis davongetragen hat, kommt einem märchenhaft vor, leben wir doch in Zeiten, wo das Individuelle, das Extreme, das Besondere, das, was einen von anderen unterscheidet, hochgehalten wird. Genossenschaftlich heißt ja erst einmal, daß sich ein solches Wohnhaus viele teilen und sicher die Teile des Wohnhauses wiederum die gleichen, zumindest ähnlich sind. Die Wohnungen also auch.

Aber dazu komme ich gleich und in einem eigenen Artikel sind die von den Auswählenden zusammengetragenen Fakten und Meinungen zum Siegerentwurf in Teil 1 noch einmal extra aufgeführt. Mir geht es um den Brückenschlag vom Heute zu den Siebziger Jahren, als schon einmal das Genossenschaftliche en mode kam, damals aber anders als heute, sehr viel individualistischer war, weshalb es auch scheiterte. Wovon ich spreche? Von zwei Modellen von neuem Leben in den Siebzigern. Das eine war ein gemeinsam konzipiertes, gemeinsam finanziertes, gemeinsam gebautes, gemeinsam bewohnten Haus in Kassel von drei jungen Ehepaaren, die gerade Kinder bekamen. Das andere vier Mietparteien in einem Stadthaus in Frankfurt am Main, die sich gemeinsame Flächen wie Keller, Hof, Garten und Dachterrasse teilten. Gescheitert sind beide, zumindest als Ideen, denn die Häuser stehen ja noch.

Die drei jungen Ehepaare in Kassel waren alle sechs Lehrer und Lehrerinnen, teils an der selben Schule, aber nicht nur. Die Idee war fantastisch. Da wurde ein Turm als Zentrum gewählt, in den man von allen drei Wohnungen aus, die also wie drei ausgreifende Arme um ihn herumgruppiert waren, gelangen konnte. Die Wohnungen hatten das Parterre, wo dann auch der jeweils eigene Garten lag, einen ersten Stock und ein Dachgeschoß. Den innen liegenden, also runden Turmraum, den man von jeder der Wohnungen aus auf jedem Stock betreten konnte, war zu Beginn zum einen das toll ausgestattete Kinderzimmer – die drei Ehepaare hatten zweimal ein Kind, eines zwei Kinder, also vier Kinder zusammen - , zum zweiten eine große Eßküche, die auch mit Couch fürs Fernsehen und Filmvorführungen sowie den Hausgesprächen diente und zum Dritten einen Gästeraum und auch Partyraum für viele.

Das war einfach so sinnvoll konzipiert und war auch herrlich lebbar, bis die erste Ehe zerbrach. Zwar blieb die Mutter mit Kind erst einmal dort wohnen, aber es war nicht mehr das Gleiche und zu teuer auch. Dann zerbrach die zweite Ehe. Auch dort blieb die Mutter mit Kind wohnen, aber nun fehlten schon die beiden Männer, denn der dritte war ja Ehemann der einen Frau. Die dritte Ehe hielt, auch als deren Kinder längst aus dem Haus waren, auch die zweite Mutter blieb, als das Kind groß geworden ausflog, dort wohnen, die erste hatte schon lange an ein anderes Ehepaar verkauft, das mit Kind...ja, das ging auch nicht gut. Was man daraus lernen kann, ja lernen muß, ist mir eigentlich erst beim Betrachten des Gesamtmodells des Siegerentwurfs von München Riem klar geworden. Privat solche neuen Wohnformen in Gang zu setzen und mit einer Finanzierung über Jahre hinaus sich viel zuzumuten, ist der falsche Weg. Es muß für neues Wohnen eine Form gefunden werden, die den Veränderungen, die Leben immer mit sich bringen kann und eben auch bringt, standhält, die ein Garant dafür ist, daß ich mich nicht abhängig mache von einem Modell, das ich einst für richtig fand und wollte, sondern mit dem ich wachsen kann und dem ich unter Umständen auch entwachsen kann und es verlassen darf – ohne schlechtes Gewissen den anderen gegenüber, mit denen ich es begann, am stärksten natürlich gegenüber dem Ehepartner.

Und genau das ist in München gegeben. Ganz einfach geschildert ist es so. Ich trete in eine Genossenschaft ein. Die Wohnungen werden gekauft, aber sie werden ja auch erst gebaut. Ich muß also einen großen Batzen erst einmal einzahlen, derzeit etwa 65 000 Euro für eine Vier-Zimmer-Wohnung von 100 Quadratmetern, wofür ich natürlich niemals in München eine Wohnung bekäme. Aber Geld muß vorhanden sein, will die Genossenschaft überhaupt die finanzielle Basis fürs Bauen haben. Die Wohnungen kann man sich aussuchen, das Stockwerk die Lage, natürlich sind die ersten diejenigen, die es sich aussuchen können, die Wohnungen sind alle gleich in der Anlage, aber nicht gleich in der Größe. Darum ist es ja so interessant, sich das am Modell anzuschauen und im Geiste zu variieren. So erzählte die , daß sie selbst in dem Haus in einer Vier-Zimmer-Wohnung wohnt, aber ein Zimmer an die Nachbarn abgegeben hat, weil die dringenden Bedarf hatten. Das einzige was dazu nötig ist, ist das Zimmer auszuräumen und die Türe zu verschließen.

Das gilt nicht für die Gesamtanlage, sondern diese neu zu verteilenden Räume liegen alle an der Außenseite. Innen wird die Küche zum Zentrum. Denn tatsächlich betritt man die Wohnung durch die Küche. Luftholen. Durch die Küche? Stimmt, wenn man mit Einkäufen bepackt die Haustüre aufschließt, muß man meist weiter in die Küche die Sachen schleppen. Das klingt praktisch. ABER, es gibt wirklich ein großes ABER. Schon bei den amerikanischen Wohnsiedlungen, so auch in Frankfurt, war der Eingangsbereich ein Problem. Dort kommt man – das ist wirklich in den USA oft so – direkt ins Wohnzimmer, die Garderobe ist dann gleich neben der Tür. Wie verfährt man damit in München, war darum meine erste lebenspraktische Frage. Auf die kam ich auch nur, weil bei uns oft Besuch kommt, wenn ich in der Küche werkele und dann immer wieder die Leute ihre Mäntel und Jacken über die Küchenstühle legen und auch dort lassen, wenn man weiterzieht, was ich partout nicht leiden mag. Kleider haben in der Küche nichts verloren!

In München gibt es in der Küche einen Schrank dafür! Na denn.

Fotos:
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Bitte lesen Sie die ausführlichen Beschreibungen des Genossenschaftlichen Wohnhauses SAN RIEMO in Teil 1 durch, wo die Gesamtanlage mit individuellem und gemeinsam genutzten Flächen detailliert beschrieben ist.