Berliner Fashions Week 2014

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - „Denim ist unsere Religion“ - noch bei einer der letzten Berliner Fashion Weeks hatte die Bread & Butter die Blue Jeans vergöttert. Im „Tempel of Denim“ flanierten auf einem 100 Meter langen Esstisch Models in seltsamen Verkleidungen zu ihren Nietenhosen, wie die blauen Amihosen früher in Deutschland hießen.

 

Jährlich werden wohl inzwischen ein bis zwei Milliarden Blue Jeans oder Denims produziert, genau weiß das niemand. Zur giftigsten und übelsten Textilproduktion der Welt gibt es mittlerweile gute ökologische Alternativen.Bei der soeben beendeten Modewoche hielten sich die Denim-Brands auf der Bread & Butter zurück, aber kritische Gespräche über ihre giftigen Hosen waren beim lärmenden DJing wie immer unmöglich. Anders bei den Ausstellern der Messe Ethical Fashion, die sich zuallererst als Designer verstehen und keine Mode machenden Öko-Krieger sind. Aber alle produzieren sie nachhaltige Kleidung, das ist Voraussetzung zur Teilnahme.

 

Veteran Robert Hertel von HempAge bietet seit vielen Jahren Jeans aus Hanf oder Hanf-Mischgeweben an. Die Hanfhose ist sehr weich und dadurch angenehm zu tragen, doch optisch etwas schlabberig - mit Lederjacke und Krempelstiefeln sieht sie jedoch ziemlich cool aus. Im nächsten Sommer will Robert sie auch im used look vorstellen, der mittlerweile durch Ozon- und Lasertechnologie ohne umwelt- und menschenfeindliche Verfahren erzielt werden kann.

 

Neu auf dem Markt, gut sitzend und wesentlich eleganter ist die nachhaltig produzierte Denim von Brainshirt aus Fulda. Das Modelabel hat großen Erfolg mit seiner nachhaltig produzierten Businesskleidung für Männer. Auch die neue elastische Röhrenjeans wird aus europäischer Biobaumwolle hierzulande genäht: „Sie macht einen knackigen Hintern“, weiß ihr Schöpfer Matthias Hebeler.

 

Solche gut sitzenden Basics für Frauen präsentierte jetzt auch die hessische Firma Sey, zusätzlich zu ihren erfolgreichen Designerjeans. Die Firmenchefin Selma Yasdut ist Textilingenieurin und arbeitete jahrelang in einer supergut bezahlten Position bei „New Yorker“. Aber eines Tages hatte sie die Nase voll: „Die Realität der schönen bunten Modewelt war ganz anders als ich mir sie vorgestellt hatte, diese Glitzerwelt ist einfach abartig. Ich bekam Magenschmerzen bei der Arbeit und konnte nicht mehr dazu stehen!“

 

Selma stieg völlig aus und widmet sich jetzt seit sechs Jahren der nachhaltigen Jeansproduktion. Vor kurzer Zeit bekam sie „für ihren Mut“ den Hessischen Gründerpreis. „Es gibt nichts, was wir nicht auch machen können“, erklärt sie, „wir stehen den konventionellen Labels technisch in nichts nach, um umweltfreundlich zu produzieren. Gerne verzichte ich auf einige Cents, damit ich den höchsten Ökostandard erreichen kann.“

 

Einen ziemlich guten Job bot die größte und selbst Ökokleidung produzierende Versandfirma Hessnatur der jungen Marina Chahboune an. Die umwelttechnisch versierte Schneiderin mit einem Masterstudium arbeitete vorher als freie Beraterin. Nun untersucht sie Prozessschritte für viele Produkte der Hessischen Firma und designt mit innovativen Techniken: Mit Lasern „äzt“ sie Muster in die obere Farbschicht der Jeans  (siehe Foto) oder probiert Bleicheffekte statt durch Sandstrahlen und Chlor mit einem Ozongerät.

 

Die wachsende Anzahl kritischer Verbraucher macht den großen Textilketten Druck, aber lediglich mit der Nutzung - angeblicher - Biobaumwolle oder etwas Geld für die ausgebeuteten asiatischen Arbeiterinnen ist es nicht getan. Die gesamte Jeansherstellung muss so verändert werden, wie es die Ökofirmen vormachen. Nachhaltig hergestellte Jeans sind nicht teurer als Markenjeans konventioneller Firmen, Basics gibt es um 100 Euro, Designerjeans ab 150 Euro.

 

Wem das immer noch zu teuer ist, kann diverse Ökojeans, mit eng geschnittenen Beinen und hervorragender Passform von Mud leasen. Mit 20 Euro Kaution und monatlichen Raten von 5 Euro kann man die Hose nach einem Jahr zurückgeben und kriegt die Kaution zurück. Die alten Hosen werden zu neuen Jeans oder abgefahrenen Sweatshirts recycelt. Und wer findet, dass das Fast Fashion ist, der behält einfach die Jeans und zieht sie noch jahrelang an.

 

Peter Beil sang in den 50er Jahren pseudokritisch: „…So viele Mädchen kann man seh'n / die in Nietenhosen geh'n / doch Mary-Lou hat damit nichts im Sinn….“ Heute könnte auch Mary-Lou mit gutem Gewissen und bei bester Gesundheit geile Nietenhosen tragen.

 

ZAHLEN

Insgesamt besitzen in Deutschland alle Menschen zwischen 18 und 60 Jahren 511 Millionen Jeans

 

GESCHICHTE

Die ersten braunen Jeans wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus Hanf hergestellt, parallel entwickelten Levis Strauß Arbeitshosen aus robuster, mit Indigo gefärbter Baumwolle aus Nimes (Serge de Nîmes = frz. „Gewebe aus Nîmes“) - deshalb der Name Denim. Später wurden die Ecken der Hosentaschen mit Nieten verstärkt. Das Garn wird nicht komplett durchgefärbt, so dass sich der Jeansstoff durch Nutzung aufhellt. Erst seit 1948 werden Blue Jeans hierzulande produziert, seit 1953 auch für Frauen als „Girls-Camping-Hose“.

 

Die Schädlichkeit der Denim-Produktion

Immer mehr Weide- und Ackerland wird weltweit für Monokulturen von Baumwolle gebraucht. Die Pflanzen brauchen extrem viel Wasser und giftige Pflanzenschutzmittel. Die gesamte Produktion der Blue Jeans aus Baumwolle wie Färben, Fixieren usw. mit Giftstoffen ist äußerst gesundheitsschädlich. Das Zuschneiden und Nähen in Asien geschieht zu Hungerlöhnen unter unmenschlichen Bedingungen. Die notwendigen Waschungen der Denims brauchen unglaubliche Mengen von Wasser, Aufhellungen werden durch hochgiftiges Chlor oder menschenschädliches Sandstrahlen erreicht. Weltweite Transportwege mit hohem CO2-Ausstoß sind nötig. Und selbst uns, den Endverbrauchern geht es dabei auch nicht so gut: Die verwendeten Gifte werden beim Tragen durch unsere Haut aufgenommen und können Allergien und Gen-Schädigungen hervorrufen! Die Hälfte der produzierten Baumwolljeans wird gar nicht verkauft und landet unrecycled im Müll.

 

 

Bezugsquellen für Öko-Jeans

www.brainshirt.eu

www.sey-fashion.com/

www.hessnatur.com

www.mudjeans.de

www.hempage.de