'Easing' oder 'Bail-in' - Wer bezahlt's ? - Managerkreis Rhein-Main: Wirtschaftsausblick, 4. Januarwoche 2015, Teil 2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Referent Clemens Fuest illustriert anschaulich den vorhandenen Debetberg, indem er eine Karikatur zu diesem Thema projiziert. Das Problem ist psychologischer Natur.

 

Die Überschuldung „sorgt für Zurückhaltung“, nicht nur bei den Privaten (Einzelnen oder Firmen). Die Ursache hierfür wäre abzutragen. Japan hat das Problem seit 20 Jahren, es ist „in sich selbst verschuldet“. Am Grund aller Bedrängnisse lagert eine Nervosität, die kaum bekämpfbar ist.

 

Der Gedankenträger in Sachen vorhandener Ungleichgewichte stößt unweigerlich auf das System der Vermögen, gespeist aus der aufgehenden Einkommensschere und der Tatsache der leistungslosen Einkommen, die den Schulden gegenüberstehen. Müsste an diesem System nicht auch angesetzt werden? Wo viel ist, kommt viel hin, das Problem ist nicht nur psychologischer Natur, es ist auch ein systemisch-pysikalisches, es folgt aus dem System der Verteilung in der Gesellschaft. Unkalkulierbarkeit ist seine Signatur. Die Antike hinterließ offenherzige Texte, die Punkt für Punkt auflisten, was zu tun ist, wenn die Ungleichgewichte zu groß werden. Dann steht Neustart an.

 

Wie wird bezahlt? Schuldner zahlt, Steuerzahler springt ein oder Bankkunde wird herangezogen mit 'Bail-in' (siehe Zypern), Streichen/Schnitt (Gläubiger hereinnehmen). Heimliche Methode: Abbau durch Inflationierung, durch Abstottern, durch mit Liquidität versorgen; all das, um langfristig zu mindern ('decrease'). Langzeitlösung: in 30 Jahren absorbieren. Der Bail-in ist anerkanntes Thema in der Ökonomenzunft.

 

Die institutionelle Alternative ist: die Union.

 

  • Gemeinsam entscheiden und gemeinsam haften. Eine zentrale Fiskalunion.

  • Nationale Parlamente entscheiden und haften.

  • Mit Staatsanleihen (Pensionsfonds und Versicherungen)

  • 'Banken gehen nicht', sie sind voll mit Anleihen und funktionieren in der Wirtschaft

Wie heraus auf dem Weg der: Institution ?

 

  • ESM

  • Koordination

  • Bankenunion

 

Fuest plädiert für ein Restrukturierungsverfahren, für ein Sicherheitsnetz mit Vorschriften, nach Regeln. Die nationalen Parlamente genierten nach 2008 Schulden für Rettungen oder Garantien. Die Menschen beklagen sich, weil die Verluste durch das Fehlverhalten der Akteure mit den ausgeprägten Funktionswerkzeugen entstanden sind. Ein Verfahren muss her. Dieses soll souverän herrschen. Die EZB ist nicht legitimiert einzugreifen.

 

Versicherungen gegen Schock sind illusorisch. Fuest nennt das Unvermeidliche „Procedure for Souvereigns“: die Staaten bleiben souverän, haben aber im Fall der Fälle eine unausbleibliche Verfahrensprozedur zu gewärtigen. Dies schüfe eine gleichsam bürokratische Kontrollinstanz.

 

4. Erwartete 'Zinswende USA', die - nach den Meldungen - mehr als Gerücht ist. Bringt sie für Europa ein Erdbeben? Wir haben Niedrigzinspolitik. Eine Zinswende der USA würde „das Zinsgefälle zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland noch größer werden“ lassen (dpa 08.01.2015). Kommen mit möglichen Verwerfungen über dem großen Teich auch solche im Euroraum auf uns zu? Gefeit gegen Risiken bleiben wir nicht.

 

5. Schluss: Es gibt weltwirtschaftliche Risiken. Die Wirtschaft ist global vernetzt, aber die einzeln wirtschaftenden Staaten müssen (es) aushalten. Die Eurokrise ist nicht weg, sondern wie auch immer vertagt, 'langverzeitlicht'. Russland dürfte mit seiner wenig ausgewogenen, mangelhaft ausgerichteten Wirtschaft und seiner Rohstoffabhängigkeit ein schwer kalkulierbarer Unsicherheitsfaktor sein.

 

Bedenken, die deutschen Investitionen seien zu schwach, entgegnet Fuest mit der

Ansicht, dieser Umstand sei überbewertet. Verschuldung ist per se eine Bedrohung, die Psychologie macht es aus. Die Spielräume der Politik seien extrem gering, d.h. sie sei eng gegürtet, zu bürokratisch und technokratisch ('beamtenmäßig'). Das heutige Energiegesetz lehnt er ab, es sei ein Desaster. Es sei nicht marktwirtschaftlich. Er plädiert für Direktvermarktung an „Abnehmer“. An dieser Stelle regte sich Unmut. Umverteilung *) ist nicht 'Unthema', aber 2 Prozent Wachstum und Zinsen sind vorzuziehen. Zuwanderung ist Voraussetzung.

 

Er plädiert für Investieren statt Umverteilen. Für Investieren also auch in Bildung. Allgemein ist zu bemerken: Ökonomen haben ein gespaltenes Verhältnis zu Bildungsentwürfen. Kardinalproblem ist aber die allseits sich auswirkende Angsthemmung. Das 'Projekt' Brüssel: eine zentrale Entscheidung in Brüssel über die Parlamente hinweg ist nicht sinnvoll, besser wäre ein „Insolvenzregime“. Innovation finde mehr in den Großunternehmen statt (ein Plus von 6%), der Mittelstand falle zurück. An dieser Stelle ist einzuhaken: von der Regierung werden den Großunternehmen Subventionen förmlich hinterhergeschmissen, Pionierschmieden gehen leer aus (plusminus 10.10.2012). Von der Entwicklung der Batterie, der Bordakkus, wurde nach kurzzeitigem 'Hype' schon wieder Abstand genommen - und das nach 100 Jahren währender Batteriegeschichte. Den Part werden nicht-inländische Marktteilnehmer übernehmen. Hier zeigt sich, dass Entscheidungen aus der Hüfte immer mitagieren.

 

Nicht unproblematisch ist die Präponderanz der Automobilindustrie, sie betrage ein Drittel bis zur Hälfte - und überdies mit den umweltschädlichen, fragwürdigen und unsinnigen SUVs, müssen wir hinzufügen. Fuest nennt den Wettbewerb der Forschung Sport, er passt nicht in die fest gerahmten Strukturen von Universitäten. Grundlagenforschung indes braucht einen nüchternen Verstand, wäre einzuwenden.

 

Stimme des Autors: Der Soziologe muss das Gebiet der Wirtschaft doch immer wieder merkwürdig finden, denn es hat etwas von einem besinnungslosen Getriebe. Die kleine Vernunft ist zweifellos auch vorhanden, aber sie kommt als gesamtweltliche, profane nicht recht nach vorne. Sie fristet ein Mauerblümchendasein. Eigentlich decouvrierend für unsere Gattung. Für den Soziologen ist klar, Lösung kommt nicht aus der Wirtschaft und nicht allein aus der Politik. Wenn Ökonomie alles sein sollte, dann ist alles nichts oder erbärmlich wenig. Was fehlt ist ein Projekt, ein Modell, eine gemeinsame Orientierung aufgrund eines weltweit anzustrebenden gesellschaftlichen Entschlusses, in Anbetracht auch der drängenden Probleme des Klimas, der Umwelt, des Verkehrs, der Landwirtschaft, der Bildung und der Konflikte. Bildung ist das Ankerstück und darf nicht vor allem auf Ökonomie abgestellt sein. Es braucht Menschen, die den Kopf möglichst frei haben von der Not der Selbsterhaltung, es braucht einen 'Ellbowroom'.

 

Es war gleichwohl ein aufschlussreicher Abend an der Zeppelinallee. Es wurde etwas klarer, worauf es ankommt.

 

 

*) „Die 85 Reichsten dieser Welt besitzen inzwischen so viel wie die halbe Menschheit. 147 globale Konzerne steuern die Hälfte der Weltwirtschaft. Es entsteht ein neuer Imperialismus einer Superklasse, zu der man bald wieder nur noch per Geburt Zutritt hat. 'Refeudalisierung' nennt das Habermas“. (FR 2.01.2015)

 

Und was folgt daraus? -: Ein Demokratieproblem.

 

 

INFO:

  • Managerkreis Rhein-Main, Wirtschaftsausblick 2015 – Was bringt das neue Jahr?

Mit Prof. Clemens Fuest, Präsident und wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim. Johann Wolfgang Goethe- Universität – 60487, Frauenlobstr. 1, Gästehaus