Eine verfahrene Situation nährt Spekulation. Managerkreis Rhein-Main: Wirtschaftsausblick, 4. Januarwoche 2015, Teil 1

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule nahm immer eine skeptische Haltung zu wirtschaftlichen Prozessen ein, weil sie erkannte, dass die Menschen hinterrücks von ihren eigenen ökonomischen Verhältnissen gegängelt, verblüfft und genasführt werden.

 

Obwohl diese doch Folge gesellschaftlicher Verhältnisse sind und nicht Ergebnis irgendeiner Vorsehung, eines Zufalls oder einer natürlichen Übermacht. Es gibt ein merkwürdiges Missverhältnis zwischen den Potentialen von Menschen und einer merkwürdig sie ausliefernden und gleichsam bannenden Ökonomie.

 

Vor wenigen Tagen ergab sich wieder der Moment, in dem eine Verkäuferin offenbarte: in einer solchen Welt wolle sie nicht noch einmal leben, - ein Gedanke, der unter diversen Umständen und Zwangslagen enorme Verbreitung hat. Er stellt der modernen Gesellschaft, geführt von Politik und Wirtschaft, ein vernichtendes Urteil aus.

 

Der 'Managerkreis Rhein-Main der Friedrich-Ebert-Stiftung' bot am 21.1.2015 im Gästehaus der Universität Frankfurt, Frauenlobstr. 1 den ' Wirtschaftsausblick 2015' mit der gestellten Frage: 'Was bringt das neue Jahr?'

 

Florian Gerster, Staatsminister a.D., Unternehmensberater, sprach die einleitenden Worte. Er stellte u.a. fest, dass die Anliegen der SPD umfangreich mit dem Koalitionsvertrag und den getroffenen Beschlüssen durchgewinkt worden seien und rügte, dass die mit dem Mindestlohngesetz verbundenen Aufzeichnungspflichten überbordend seien. Hiergegen ist einzuwenden, dass die Hintertür, die Wolfgang Schäuble geöffnet hatte, dazu einlud, mit Hilfe der Praxis von 'Zeiträumen' zu schummeln und den Beschäftigten die ehrliche Lohngebung zu unterlaufen. Nicht die wirklich erbrachte Zeit wird zur selbstevidenten Grundlage, sondern Pauschalzeiten, in denen vorgegebene Arbeitskontingente realistischerweise nicht zu leisten sind. Diese Masche ist bereits lange Praxis. Wie soll die 'Finanzkontrolle Schwarzarbeit' prüfen, wenn nicht auf der Basis dokumentierter Arbeitszeiten? Zeitlich offene Arbeitstage scheint es nur bei prekär Beschäftigten und Führungskräften zu geben.

 

Den Wirtschaftsausblick unternahm Prof. Dr. Clemens Fuest, wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim.

 

Als zu referierende Themen waren gestellt:

 

  1. Wirtschaftliche Aussicht, Konjunkturerwartung

  2. Ölpreis-Verfall - Fluch oder Segen?

  3. Eurozone; kehrt die Krise zurück?

  4. 'Zinswende USA'?

  5. Fazit

 

1.Der IWF-Prognoseverlauf sagt einen Anstieg nur noch für 2015 und 2016 voraus, dann ein Einpendeln auf die '2013er'-Situation (nach der heißen Phase der Finanzkrise). Nur im ersten Quartal 2015 wird ein Anstieg voraussichtlich aktenkundig werden, für die restlichen Quartale nicht. Die Rückwärtswendung des Verlaufs ergibt sich u. a. aus der Arbeitsmarkt-Demographie und dem Abgang von Gutverdienenden. Gegenläufig wirken sich hingegen die weitere 'Integration' der Frauen in den Arbeitsmarkt und die Ausweitung der Bildungsinvestitionen aus. Vieles bleibt im Feld der Demographie Spekulation, sie ist ein Steinbruch für unterschiedlich gebundene Meinungen.

 

Mit der 5. Januarwoche hat die EZB ihren Impuls durch den monatlichen Ankauf existierender Staatsanleihen gegeben, um der drohenden Deflation zu begegnen. Wenn der Euro fällt, wie wahrscheinlich, werden deutsche Exporte begünstigt, Inflation bleibt kalkulierbar. Die deutschen Exportraten sind nach Frankreich hin die höchsten, danach folgen Österreich, Polen und Russland. Es besteht gegenwärtig eine Zwangslage zwischen drohender Deflation oder Ankauf.

 

Hinsichtlich der Exportorientierung gibt es eine Crux der Abhängigkeit vom Boom mit den Premium-Modellen der Autoindustrie. Was ist, „wenn nicht mehr die glitzernden Automobile gefragt“ sind, gab besorgend der Referent zu bedenken.

 

2. Der fallende Ölpreis wirkt sich für Russland „katastrophal“ aus. Das Land hat kaum industriellen Kern, Unfriedfertigkeit wird potentiell zum Problem.

 

3. Kennzeichen der 'aktualen' Situation ist die „Lücke“ zwischen Produktionspotential und Auslastung. Die Finanzkrise hatte den Kurvenverlauf nach unten gedrückt. In Spanien war bis zum Kollaps jeder Vierte im Bausektor beschäftigt. Erschreckend waren und sind die Überpflasterungen der Küsten mit „Ferienwohnungen, die niemand braucht“. Der Bausektor weist jetzt eine Arbeitslosenquote von 25 Prozent auf.

 

Wie ist die unausgelastete Kapazität zu überwinden? Krugman sagt: Staatsausgaben tätigen. Fuest entgegnet: beliebige Nachfrageanhebung ist nicht möglich, Strukturwandel sei die angemessenere Lösung. Gegenfrage: ist nicht der Strukturwandel doch nur Zauberwort, wenn er bloß Drücken von Löhnen und Kürzungen im Sozial(vor)sorgebereich beinhaltet? Zu einem späteren Zeitpunkt konzediert er Investitionen in Bildung als durchaus wesentliche Möglichkeit, es liegen also hier doch zu hebende Potentiale, die einen Aufstiegsprozess befördern und mittragen (wenn zusätzliche Nachfrage entsteht). Der Soziologe muss intervenieren, wenn die 'Gesundung' vor allem durch Einschnitte erfolgen soll, als bewährte bittere Medizin, wenn nicht gar Amputation, wie in Griechenland. Das Wort Struktur ist mittlerweile überfrachtet, es nimmt schon Unworteigenschaften an.

 

INFO:

  • Managerkreis Rhein-Main, Wirtschaftsausblick 2015 – Was bringt das neue Jahr?

Mit Prof. Clemens Fuest, Präsident und wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim. Johann Wolfgang Goethe- Universität – 60487, Frauenlobstr. 1, Gästehaus