'Eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur für einen wettbewerbsfähigen Standort' IHK Frankfurt am 13.03.2015
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Beim Eintritt in die IHK ist der Eindruck kaum abzuschütteln, eine Pressure-Group-Zone geentert zu haben, die mehr den Großinteressen und deren Spielern zugeneigt ist, sich mehr einflussreichen Interessen und Konzentrationen zuwendet, als der Regeneration und Erneuerung der Wirtschaft und Gesellschaft aus der kleineren, lebendigen Einheit.
Nach der sachlich gehaltenen Sprache des ihm benachbarten Egos aus der Politik, Tarek Al-Wazir, akzentuierte der IHK-Präsident die „wirtschaftliche Schlagkraft“ der Region. Das Moment der Globalisierung hat im hiesigen Lokalen und Regionalen ein starkes Durchziehmoment an sich gerissen, obwohl Wirtschaft zu 90% einheimisch lokal, bzw. regional ist (nach Löpfe/Vontobel). Distribution in die entferntesten Winkel wurde in Rhein-Main-Gebiet zum immer Vorherrschenderen und Präferierten im Rahmen des deutschen Exportüberschussmodells.
Politik und Wirtschaft nebeneinander
Der politische Spieler im Rund war Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, der Spieler von Seiten der Wirtschaft war Prof. Dr. Mathias Müller, Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft hessischer IHKs. Dieser war von sich aus der dominantere. Tarek Al-Wazir wandte sachlich ein. Beide kamen insoweit gleich auf gleich, als man sich einig war, die Rückstände in Bezug auf den Zustand der hessischen Verkehrsinfrastruktur beschleunigt abzubauen. Es gab genug Übereinstimmungen, die Verkehrsträger wurden als gleichrangig angesehen, anders als in früheren Zeiten, eine Überbetonung der Asphaltnutzung klang nicht an. Offenbar ist die Umweltidee Konsens.
Anstoß des Themas durch die Verkehrsumfrage
Anlässlich der Umfrage von HMWEVL und ARGE hatten sich knapp 2500 Unternehmen 'die Mühe gemacht, an der Umfrage online teilzunehmen'. Als Voraussetzung war gegeben, 'dass viele Unternehmer unter dem desolaten Zustand der Infrastruktur in Hessen leiden'. Die beklagten Rückstände haben ihre Ursache jedoch darin, dass allein im Zuge der Umverteilung von den ArbeitnehmerInnen zu den Unternehmen (nach Peter Bofinger) und als Folge der Senkung des Spitzensteuersatzes in der Einkommenssteuer sowie des Unternehmenssteuersatzes, inkl. Kapitalgesellschaften (Folge: ein Minus von > 37 Mrd. jährlich; nach ARD 19.8.2013), es zu Einnahmeausfällen in den staatlichen Haushalten - und sozialen Sicherungssystemen – kommen musste, abgesehen von den Folgen durch Steuerflucht und Steuerverkürzung (mit einem Minus von 160 Mrd. jährlich zu Buche schlagend; nach ZDF 04.02.2014). „Konzerne zahlen fast keine Steuern“ (FR 09.02.2015). Die Kosten der Finanzkrise beliefen sich auf ca. 74 Mrd. Euro (nach Monitor 17.11.2013). Dem entsprechend geringer waren mit Folgen für Länder, Städte und Gemeinden die Mittelzuweisungen, die der Bund vorzunehmen willens oder imstande war. Man kann also nicht ohne weiteres allein der Politik etwas ankreiden, was Folge der Verfehlungen von großen Privatspielern bzw. eine Wirkung durch deren Lobbydruck war.
Einerseits ist die „Metropolregion“ - ein Gigantismusbegriff - 'verkehrlich besonders belastet', andererseits sind Straßen- und Brückeninfrastruktur vorwiegend im Norden Hessens 'marode'. Auch die Schienenwege machen 'Sorgen' - 'Und dabei ist Infrastruktur für die Unternehmen einer der entscheidenden Standortfaktoren'. In die Sorge zu nehmen sind also Straßen, Brücken, Schienen- und Wasserwege wie auch der Flughafen. Dieser gibt allerdings Anlass zu Dissens, was einen weiteren Ausbau betrifft (mit Terminal 3). Dies wurde aber nicht so sehr in den Vordergrund gerückt. Man hielt sich diplomatisch. Der Präsident sieht Bedarf, der Minister sieht das entspannter. Infrastruktur ist 'Standortfaktor'. Das abgegriffene Wort 'Standort' verlangt nach Ersetzung, man kann es kaum noch hören, ähnlich dem Wort 'aufgestellt'. Beide Wörter verbreiten virile Prätuberanzen.
Der Präsident anerkennt, 'dass Politik und Wirtschaft...an einem Strang ziehen', wenn es um die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur geht. Das Thema Schiene ist auch der ARGE 'sehr wichtig'. Das Verkehrsaufkommen wächst. Daraus leitet sich die Notwendigkeit zunächst des Mehr von Demselben und Bekannten ab. Nach dem vernommenen Akzent ist aber die Verlagerung auf die Schiene – auch im Sinne von neuen Gleisanschlüssen - und so etwas wie die Renaissance der Schiene, nach jahrzehntelangem zerstörerischem Abbau, ausdrücklich gewollt. Sperrige Produkte verlangen nach nahen Schienen und auch befahrgenehmigten Wasserstraßen. Für den ÖPNV stehen die längst in Planung befindlichen Projekte und höhere Taktfrequenzen an.
Der Präsident spricht auch die Rolle des betrieblichen Mobilitätsmanagements an, in dem Jobticket, Radverkehr, Abstell- und Umkleidemöglichkeiten sowie Fahrgemeinschaften und Dienstreisenoptimierungen ihre Funktion erfüllen sollen. Prinzipiell ist damit die Bedeutung des Umweltanliegens anerkannt, inklusive auch des Lärmschutzes, dem Bekunden nach.
Anders verhält es sich mit dem Nachtflugverbot – obgleich das Mediationsergebnis von beiden Seiten Akzeptanz erfährt. Von allen Unternehmen (lt. Umfrage), die den Flughafen nutzen, sehen sich 15% von Nachtflugbeschränkungen betroffen. Von Unternehmen, die nutzen und Luftfracht versenden (465), sehen sich 21% betroffen; von den letzteren, die sich auch vom Nachtflugverbot eingeschränkt sehen, sind derer noch 171; diese meldeten unterschiedliche, zu unternehmerischen Bedenken Anlass gebende Folgewirkungen an (z.B. Standortwechsel und Verlagerung).
Die Finanzierung der Vorhaben
Es besteht (Zitat):„Hoher Sanierungsstau in der Verkehrsinfrastruktur. Der Landesstraßenbauetat von 90 Mio. Euro fließt fast ausschließlich in Erhalt und Sanierung. Der Bund investiert in diesem Jahr ca. 700 Mio. Euro in die hessischen Fernstraßen, ebenfalls Schwerpunkt Erhalt und Sanierung. Das Land flankiert dies mit ca. 40 Mio. Euro für Planungskosten. Weitere 96,5 Mio. Euro für kommunale Straßen- und ÖPNV-Projekte“ (Pressemitteilung). Nach Zögern öffnet Schäuble doch das Sparhändchen:
Schäuble hat die investiven Bundesausgaben für Kommunen bis 2019 über das 10-Mrd.-Zukunftspaket hinaus zusätzlich um ca. 5 Mrd., - unter anderem - aus nochmals gestiegenen Steuereinnahmen aufgestockt. Den finanziell klammen Kommunen wird in Form einer Sondervermögensbereitstellung mit 3,5 Mrd. noch weiter geholfen.
In Hessen sind '600 Brücken sanierungsbedürftig' (10%). Es müsse nicht mehr nur geflickt werden, sondern mehr 'grundsaniert', und zwar in allen Bereichen. Grundsätzlich auch: 'Alle Verkehrsträger sind seit Jahrzehnten in erheblichem Maße unterfinanziert'. Grund: auch systemisch bedingt (wie vorhin erläutert). Die Anschlussfinanzierung nach Auslaufen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetztes (GVFG) 2019 steht auch an.
Akzentuiert durch den Präsidenten wird die Hubfunktion des Flughafens. 'Mobilität und Flexibilität von Personen und Waren sichern langfristiges Wachstum auf globalisierten Märkten'. So spricht Wirtschaft. Die Lebensinteressen von Menschen im Hinblick auf das Wohlergehen von Familien mit Kindern und gedeihlichen Lebensverhältnissen – auch wieder so etwas wie ein 'Standortfaktor' – stehen zunehmend in Spannung mit dem Vorrücken wirtschaftlicher Interessen in die genuin-menschlichen Sphären hinein.
Der motorisierte Individualverkehr hat Städte und Landschaften zerstört. Der Flughafen ist für die Verträglichkeit der Region in eine sehr kritische Phase eingetreten. Das neue Buch von Naomi Klein, der Globalisierungskritikerin, trägt den Titel: 'Die Entscheidung · Kapitalismus vs. Klima'.- Sie meint, dass die fossile Brennstoffindustrie das größte Problem ist.- 'ttt' (ARD 15.03.2015) gab sie wie folgt wieder: 'In 15 Jahren wäre es möglich, zu 100% erneuerbare Energien zu nutzen'.- 'Können wir das tun mit einem Wirtschaftssystem, das als einziges Ziel ständiges Wachstum hat? Nein!' - 'Nein, was notwendig ist, ist eine fundamentale Kampfansage an den Kapitalismus'.
'Für den Traum vom grenzenlosen Konsum...ziehen wird der Erde die Haut bei lebendigem Leibe ab.' Das mithin größte Problem beim Rohstoffabbau ist die Zerstörung der Erdoberfläche, der hochkomplexen, kaum restituierbaren Muttererde (wird in erschreckenden Bildern eindringlich gezeigt).
Foto: Illegale Beschäftigung