Serie: Die Herbstmesse TENDENCE auf dem Frankfurter Messegelände vom 29. August bis 1. September , Teil 5

 

Claudia Schulmerich und Siegrid Püschel

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Doch, wir müssen so viele Worte machen, weil wir die Arbeit der Jury für diesen ältesten Staatspreis der Bundesrepublik wirklich schätzen. Denn für Gegenstände entsprechende Worte zu finden, ist tägliches Geschäft der Journalisten, so daß wir Freude haben daran, daß hier Fachkundige formulieren.

 

 

2. Preis: Filigranes Papier- und Lichtwerk – zwischen Tradition und Moderne

 

Anke Neumann, Lichtpapier, Chemnitz

 

Die Lichtkünstlerin Anke Neumann erhält ebenfalls den zweiten Platz des Staatspreises. Neumann überzeugte die Jury mit der Formensprache ihrer Lichtskulpturen oder -flächen, ihrer Kombination aus filigranem Papier und Licht: „Hier wird noch Handwerk und Kunst betrieben, und jede Leuchte ist ein handgefertigtes Kunstobjekt. Handgemachtes Papier wird auf ungewohnte Weise zum Leuchten gebracht. Modifizierte, optische Fasern transportieren das Licht, einer Zeichnung ähnlich, durch die Papierfläche hindurch und erzeugen vielfach ausdruckstarke Stimmungen.“

 

Als Facharbeiterin für Textiltechnik begann die Ausbildung von Anke Neumann, bei der sie ihr „Faible für Fasern“ entdeckte. Ein Papier-Workshop im Studium gab den Ausschlag, sich mit diesem Werkstoff intensiver auseinanderzusetzen und die Tradition des Papierschöpfens aufzugreifen: „Ich bin der Meinung, Menschen müssen mit den Händen arbeiten.“

 

Heute arbeitet die studierte Designerin in eigener Werkstatt in Chemnitz. Sie lässt aus Papierfasern ganze Flächen oder umhüllende Papierformen entstehen, die mit filigran eingearbeiteten Lichtleit­fasern durchzogen werden. Anders als in der herkömmlichen Nutzung der Lichtleiter vorgesehen, bearbeitet Neumann die Licht-Fäden, modifiziert sie derart, dass Licht bewusst unterwegs verloren geht: „Ich mache das Prinzip der Übertragung von Licht sichtbar.“

 

Dazu leitet sie Licht über Papier weiter, experimentiert mit dem Zusammenspiel zwischen Material und Licht – und schlägt damit eine Brücke zur Moderne. „Mir ist es wichtig, dass es eine Einheit ist – nicht nur die Struktur im Papier, sondern dass die Objekte eine Stimmung erzeugen. Das Licht macht ja etwas mit einem.“

 

 

 

Die Jury findet dafür folgende Worte: „Diese Kombination aus Licht und Papier macht es möglich, der Tradition des Handpapiermachens neue Impulse zu geben. Licht befindet sich damit im und nicht auf dem Papier und lässt Lichtskulpturen entstehen, die im Raum zu schweben scheinen und ihm Magie und Poesie verleihen.“

 

 

Kommentar: Als die Lichtkünstlerin auf die Bühne zur Preisübergabe schritt, konnte man endlich das Wunderwerk von vorne sehen. Sie trug ihren Preisstück nämlich um den Hals! Und – zugegeben – von vorne sieht das Lichtwerk wunderschön aus. Nicht nach Licht, sondern nach dekorativem, sehr schmeichelndem und aufwendigem Halsschmuck, also im großzügiger Rundung über die Schultern. Hinten laufen die Enden allerdings zusammen in einen kleinen Leuchtstab. Wir machten uns – doch mehr als eine Stunde hinter der Preisträgerin sitzend, von der wir also noch nicht wußten, daß sie den zweiten Preis um den Hals trägt – unglaublich viele Gedanken, was uns dieser Lichtstab auf dem oberen Rücken sagen soll. Wir dachten an Jugendherbergen und den Leuchtmöglichkeiten, wenn man die Jugendlichen in den Betten – oder auch unter ihnen – suchen muß, an Nachtwanderungen, an Kellerbesichtigungen, vor allem: Weinkeller, wir dachten an alles Mögliche, nur nicht an einen Halsschmuck. Und auch nach der Preisverleihung ist uns nicht ganz klar, wozu das Ding dient. Aber es hat uns gefallen!

 

 

 

2. Preis: Transluzentes Porzellan in schlichter Form und aufwändiger Verarbeitung

 

Doris Bank, Keramikdesignerin, Miltenberg

 

Aus dem Bereich der Keramikgestaltung kommt die Preisträgerin Doris Bank aus Miltenberg, die sich den zweiten Platz des Staatspreises mit Anke Neumann teilt. Die filigranen und hand­gefertigten Stücke der Keramikdesignerin überzeugten die Jury durch die Raffinesse des Entwurfs. Hier zeige sich die Beherrschung formaler Aspekte und feinfühliger Materialbehandlung in besonderer Weise: „Die Unikate wirken völlig unangestrengt und überzeugen in Form und Gestaltung.“

 

Tatsächlich werden Banks geradlinige Keramiken als sehr lebendig wahrgenommen und lassen Raum für eigenes Empfinden. Ihre Objekte verkörpern das Handgemachte, das Unikat. Dennoch sollen sie „schönes Geschirr sein“ und benutzt werden können. Mit den Worten der Künstlerin gesagt: „Es lebt. Und das gefällt mir: Die Teile erhalten Lebendigkeit, weil die Teile machen, was sie wollen.“

 

Die Inspiration für die Formensprache ihrer Linie „Shade“ zieht Bank aus der ihren Objekten eigenen „Imitation der Licht-Schatten-Wirkung“: Bank setzt diesen Gedanken in einer schlichten, aber konzentrierten Gestaltung der Form um. Ihre Spannung erhalten die Werke durch den Kontrast der Dekoration – der dunklen Farbe – auf dem durchscheinenden, sehr weiß ausgearbeiteten Porzellan. Um diese Wirkung zu erzielen, wählt Bank hochwertiges Material als Rohstoff.

 

Trotz der aufwändigen Verarbeitung ihrer Werkstücke nähert sich Bank zunächst spielerisch verschiedenen keramischen Materialien, experimentiert mit den Eigenschaften, sucht Grenzen, um sie zu durchbrechen.

 

 

Fazit der Jury: „Die prätentiöse Verarbeitung verstärkt dabei den Gesamteindruck. Hervorzuheben ist die sensible Oberflächen­gestaltung bei gleichzeitig herausragender handwerklicher Verarbeitung des Werkstoffes Porzellan. Es ist ein stringentes, innovatives Produktkonzept für Objekte, die oft auf ihre reine Gebrauchsfunktion reduziert sind.“

 

Kommentar: Da tat uns wirklich leid, daß die Schränke zu Hause und die der Redaktion schon mit allem

 

Foto:

 

Papier und Lichtwerk von Anke Neumann, 2. Platz (c)Pietro Suerta

 

 

Info:

 

Der Hessische Staatspreis

 

Der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk wurde 1951 als erster Staatspreis in Deutschland auf Anregung von Kunsthandwerk Hessen e. V. vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn gestiftet. Er wird traditionell im Rahmen der Frankfurter Konsumgütermesse Tendence verliehen.

 

 

Die Tendence (29. August bis 1. September 2015) ist die internationalste und größte Orderplattform Deutschlands in der zweiten Jahreshälfte mit einem umfassenden Produktportfolio aus den Bereichen Wohnen, Einrichten und Dekorieren ebenso wie Geschenkartikel, Schmuck und Fashionbedarf. Zum wichtigsten europäischen Messetermin im Herbst kamen im vergangenen Jahr 37 Prozent der Aussteller aus 51 Ländern. Topmarken und Keyplayer präsentieren auf der Neuheitenplattform ihre Weihnachtstrends und bieten damit dem nationalen und europäischen Fachhandel die Chance zur Nachorder für das Weihnachtsgeschäft. Gleichzeitig stellen sie die kommenden Frühjahrs- und Sommersaisons vor. Ebenfalls auf Fachbesucher ausgerichtet finden die Ecostyle, Fachmesse für nachhaltige Konsumgüter im europäischen Einzelhandel, und die Webchance Academy, Vortragsforum über erfolgreiches Werben und Verkaufen im Internet, zeitgleich mit der Tendence statt. Parallel zur Tendence 2015 ist außerdem auf dem Ostteil des Frankfurter Messegeländes die Eat & Lifestyle geplant, ein Food- und Lifestyle-Event, das sich an Endverbraucher richtet.

 

www.messefrankfurt.com