Serie: Die Herbstmesse TENDENCE auf dem Frankfurter Messegelände vom 29. August bis 1. September , Teil 4
Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die potentiellen Preisträger kommen aus allen Bereichen der Messe. Dieses mal gibt es drei Besonderheiten. Es werden ein erster Preis und zwei zweite Preise verliehen, alle drei Ausgewählten sind Preisträgerinnen und entstammen mit ihren Objekten dem Areal des Talents-Förderprogramms Modern Crafts.
Begonnen wird mit den zweiten Preisen, aber allen Preisträgerinnen wird zugeschrieben, daß sie die Durchlässigkeit von Form, Licht und Relief erreichen. Das sind: Flechtgestalterin Diana Stegmann, Keramikgestalterin Doris Bank, Lichtkünstlerin Anke Neumann
Der erste Preis zeichnet die Skulpturen der Flechtgestalterin Diana Stegmann aus. Gleich zwei Mal vergab die Jury - wie erwähnt - den zweiten Preis – er ehrt die Keramikgestalterin Doris Bank und die Lichtkünstlerin Anke Neumann.
Die Jury besteht aus fünf renommierten Experten des gestaltenden Handwerks: Neben dem ersten Preisträger des letzten Jahres, Christoph Finkel, freischaffender Holzkünstler aus Bad Hindelang, der nicht anwesend sein konnte, sind das Adam Ryl, Preisträger des Jahres 2013 und tätig an der Werkakademie für Gestaltung im Handwerk Hessen in Kassel. Ebenso wie Lutz Schell-Peters, der Leiter der Werkakademie und ebenfalls Jurymitglied ist. Als Referatsleiter Kultur- und Kreativwirtschaft, Medienwirtschaft und neue Medien vertritt Rolf Krämer das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung in Wiesbaden. Karin Bille spricht für die Beratungsstelle Formgebung der Arbeitsgemeinschaft Handwerkskammern Rheinland-Pfalz.
„Gute Form ist nachhaltig;In ihr drückt sich Kreativität ebenso aus wie Achtung vor dem Material“, formulierte Staatssekretär Samson dann in der Feierstunde am Montagabend in der Galleria der Messe Frankfurt. „Design ist aber auch ein Faktor, der über den Erfolg eines Produkts entscheiden kann. Mit ihren durchdachten und perfekt umgesetzten Gestaltungsideen geben Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerker schöpferische Impulse für viele andere Branchen. Daher ist die Unterstützung des Kunsthandwerks nicht nur Kultur-, sondern auch Wirtschaftsförderung.“ Ja, das hatten wir schon angenommen und gesagt.
Detlef Braun betonte als Gastgeber die Tradition der Vergabe des Staatspreises und die hohe Qualität der Werke: „Es freut mich sehr, dass der älteste Staatspreis Deutschlands hier bei uns in Frankfurt auf der Tendence überreicht wird. Das unterstreicht auch den Stellenwert, den das Thema Kunsthandwerk für die Tendence hat. Die heutigen Preisträger haben mit ihren Arbeiten gezeigt, was das gestaltende Handwerk leistet: Es verbindet künstlerische Kreativität mit handwerklichem Können und das auf höchstem Niveau. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zur Vielfalt der Messe und ist Inspirationsquelle für Handel und Industrie“. Auch das ist abgehakt, weshalb es nun zu den Preisträgerinnen, ihren ausgezeichneten Objekten und den Begründungen der Jury übergeht.
1. Preis: Skulpturales Weidengeflecht mit Bodenhaftung
Diana Stegmann, freischaffende Flechtgestalterin, Wendland
Die Jury zeichnet die Arbeit von Diana Stegmann mit dem 1. Platz des Hessischen Staatspreises für das Deutsche Kunsthandwerk aus. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass Stegmann mit ihrer kreativen Neugier eine der ältesten Handwerkstechniken – das Flechthandwerk – neu interpretiert habe. Sie schaffe es, dass die Weidenflechterei über die sonst erlebte Funktionalität handwerklich weit hinausgehe. Ihre Objekte seien eine hervorragend gelungene Kombination aus handwerklicher Tradition und künstlerischer Moderne.
Als Korbflechterin kann man Diana Stegmann tatsächlich nicht bezeichnen. Eher als Virtuosin in der Flechtkunst, die ihr an der Staatlichen Berufsfachschule für Korbflechterei in Lichtenfels gelerntes Handwerk mit einem tiefen Verständnis für die Form verbindet und konsequent weitertreibt. „Der Begriff ´Korb´ weist zu sehr auf die Verwendung des Objekts hin – mir geht es in erster Linie um das Material, mit dem ich arbeite: die Weide.“ Stegmann konzentriert sich bei ihrer Materialwahl auf die Weidenrute, da sie traditionell in Europa vorkomme und verarbeitet werde und – trotz eines erstaunlichen Farbspektrums der Objekte – von Stegmann nur in unbehandelter Form Verwendung findet.
Auch technisch entfernt sich Stegmann radikal von der Flechtkunst. Sie verwendet hauptsächlich die Spitzen, und nicht wie traditionell üblich, die längeren Ruten der Weide. In ein Geflecht aus vertikalen Staken arbeitet sie die verhältnismäßig kurzen, daher schwer zu verankernden Weidenspitzen horizontal ein. Sie ragen in festgelegter Länge spitz aus dem Objektkörper heraus, „geben die Innenform nach außen“ und stellen für Stegmann eine „sichtbar gemachte flechterische Bewegung“ dar. Die geschwärzten Enden der Spitzen verstärken die Wirkung der nach außen getragenen Form zusätzlich.
„Meine Objekte sind auf ihre Art sperrig, sie haben etwas Kontroverses in sich.“ Jede Seite zeigt sich anders, bei manchen Objekten ist erst in der Draufsicht die wahre Gestalt des Objekts erkennbar.
Für die Jury steht fest: „Stegmann versteht es meisterhaft, ihre hohe handwerkliche Kompetenz und ihre kreative Gestaltungskraft im Zusammenspiel von Flechten und Material einzusetzen. In jedem ihrer Objekte manifestiert sich eine erstaunliche Kunstfertigkeit und eine hohe Materialästhetik. Die geflochtene Gesamtform des Körpers ist in sich organisch und fließend und vereint den Gegensatz einer weichen Flechtform und einer stacheligen Außenoberfläche in einer außergewöhnlichen Art und Weise.“
Kommentar: Das ergab eine interessante Diskussion beim Betrachten der prämierten Gegenstände. Denn rund um diese herum in Halle 9:0 fand der Empfang statt, der sich bis in die Nacht erstreckte, da – wie schon erwähnt – die Gespräche so interessant verliefen. Und beim Betrachten hatten Frauen ganz andere Assoziationen als Männer. Zum Beispiel bei diesem Weidengeflecht. Frauen neigen dazu, dieses Werk nicht als freistehendes Kunstwerk, also als genanntes skulpturales Weidenwerk zu sehen, sondern als etwas Nützliches, also so etwas wie einen Wäschebehälter. Da stören natürlich die herausragenden Weidestockenden gehörig, die, man konnte hineinlugen, auch im Inneren herausragen. Für uns Gesprächspartnerinnen hing schon im Geiste die Wäsche beim Herausnehmen daran fest. Die Strümpfe vor allem, überhaupt alles Empfindliche tat schon beim Anblick weh. Die Männer hingegen, die assoziierten das überhaupt nicht, sondern fanden das Stück 'kernig'! Fortsetzung folgt.
Foto: Weidenkorb, 1. Preis (c) Messe Frankfurt
Info:
Der Hessische Staatspreis
Der Hessische Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk wurde 1951 als erster Staatspreis in Deutschland auf Anregung von Kunsthandwerk Hessen e. V. vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn gestiftet. Er wird traditionell im Rahmen der Frankfurter Konsumgütermesse Tendence verliehen.
Die Tendence (29. August bis 1. September 2015) ist die internationalste und größte Orderplattform Deutschlands in der zweiten Jahreshälfte mit einem umfassenden Produktportfolio aus den Bereichen Wohnen, Einrichten und Dekorieren ebenso wie Geschenkartikel, Schmuck und Fashionbedarf. Zum wichtigsten europäischen Messetermin im Herbst kamen im vergangenen Jahr 37 Prozent der Aussteller aus 51 Ländern. Topmarken und Keyplayer präsentieren auf der Neuheitenplattform ihre Weihnachtstrends und bieten damit dem nationalen und europäischen Fachhandel die Chance zur Nachorder für das Weihnachtsgeschäft. Gleichzeitig stellen sie die kommenden Frühjahrs- und Sommersaisons vor. Ebenfalls auf Fachbesucher ausgerichtet finden die Ecostyle, Fachmesse für nachhaltige Konsumgüter im europäischen Einzelhandel, und die Webchance Academy, Vortragsforum über erfolgreiches Werben und Verkaufen im Internet, zeitgleich mit der Tendence statt. Parallel zur Tendence 2015 ist außerdem auf dem Ostteil des Frankfurter Messegeländes die Eat & Lifestyle geplant, ein Food- und Lifestyle-Event, das sich an Endverbraucher richtet.