Die Hessische Ministerin der Justiz zeigt sich unbedarft in der Einordnung der Hassmails, Teil 1

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es steht die Frage zur Diskussion: wie sollte mit Hassmails umgegangen werden? In dem Gastbeitrag „Keine Sonderrechte für Facebook“, legt sich Landesministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) mit Bundesminister Heiko Maas (SPD) an, weil dieser die Internetkonzerne wegen der gewaltverherrlichenden Hassmails einbestellt hatte.

 

Die Ministerin macht sich in ihrer Argumentation an jenen hasserfüllten Äußerungen fest, die die Grenze zur Strafbarkeit 'weder berühren noch überschreiten', spielt damit aber die Brisanz der Hassmails herunter. Die gerade noch so vertretbaren sollen auf dem Rechner von Facebook bleiben können. Sich auf Bundesminister der Justiz Heiko Maas beziehend, schreibt sie: „Indem er nun große [!] Internetunternehmen öffentlich einbestellt und im Bundesministerium der Justiz eine Task Force einrichtet, macht er damit auch das Thema nichtstrafbare Hasskommentare und Hetze zu einem Thema staatlicher Regulierung.

 

Damit überschreite er eine Grenze. Er greife zumindest [!] indirekt in die Meinungsfreiheit ein, weil er den Maßstab der Meinungsäußerung nicht mehr an rechtlichen Schranken ausrichten, sondern in den politischen Raum verschieben will“. (FR 29.12.2015)

 

 

Die weltumspannenden Monsterkraken der Digitalisierung

 

Mit der Anschuldigung eines durch Maas angeblich ausgeübten „Sonderrechts“ blendet Frau Kühne-Hörmann zugleich vorteilhaft die Machtstellung der Internetkonzerne aus, nicht bloß des „sozialen Netzwerks“ Facebook mit seinen Weltvormachtgelüsten des lässlich gefallenen Hippies, sondern erst recht auch die anderen Digitalkonzerne wie Google und Amazon. Sie zielt allein auf die Maas'sche Intervention gegen die Praxis von Facebook, das die Hassmails ohne viel Bedenken im System bereithält. Eine aufgeklärte Bürgerin wie Anke Engelke bezeichnete die heutigen sozialen Netzwerke schon als schrottig und eklig. Unschuldsknaben sind sie nicht. Frau Kühne-Hörmann betrachtet Herrn Maas als übergriffig, wenn er nicht möchte, dass Hassmails zum Standard werden. Ist eine Hassmail eine Meinungsäußerungen wie jede andere auch? Immerhin verstoßen die Hassmails gegen den Grundsatz der Einheit und Zusammengehörigkeit der menschlichen Gemeinschaft als geschaffene Gattung, dem fundamentalen Grundstein des Rechts. Wären Konzerne nicht gar öfter einzubestellen? Anlässe aufgrund von Regelverstößen gäbe es reichlich. Siehe VW.

 

Dass Justizminister Maas nicht bei den Internetkonzernen vorstellig werden soll, damit Hassmails kurzfristig gelöscht werden, ist bezogen auf die dubiose Rolle der CDU im Verhalten zur vermachteten Wirtschaft nur zu verständlich. Die Regierung im Bund ist nicht mal fähig, die Verursacher der Finanzkrise von 2008 – und der an diese anschließenden Wirtschaftskrise, die noch andauert - zur Rechenschaft zu ziehen, zumal es an einem überfälligen Strafrecht für Unternehmen fehlt. Die Wieder-Regulierung der Finanzmärkte lässt – obwohl von Frau Merkel 2009 hoch und heilig versprochen – weiter auf sich warten, die Finanztransaktionssteuer wird auf europäischer Ebene sabotiert, auch die deutschen Wirtschaftsverbände stellen sich gegen sie. Die Steuerverkürzung läuft in Europa lustig weiter unter dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jean Claude Juncker. Finanzminister Schäuble hat zum Jahreswechsel (SZ 28.12.2015) wieder Steuerprivilegien an seine Wählerklientel verteilt.

 

Mit der Ahndung des Finanzverbrechens von 2008 sind die USA bereits viel weiter in Vorlage getreten. Europa schafft es nicht. Würde endlich das Finanzverbrechen des Privatsektors - er hat viel mehr Vermögen versenkt als je die Staaten, die an spiegelbildlich defizitären Haushalten leiden – geahndet, dann könnten die Billionen an Miesen, die die Rettungen gekostet haben, in die Gesellschaften zurückgeführt werden, nachdem sie zuvor schon aus ihnen herausgezogen wurden, um eine abgründige Finanzkaste zu bedienen. Die Gesellschaften haben die Finanzkrise doppelt und dreifach bezahlt. Wird die Finanzkrise des Privatsektors womöglich nur als lässlicher Regelverstoß angesehen, den man immer mehr beschweigt und schließlich ad acta legt?

 

 

Das Recht steht passiv und defensiv gegen Unrecht und Unrechtlichkeit

 

Die Verharmloser der Hassmails müssen damit rechnen, dass sie einen Weltzustand des anschwellenden Rechtsdefizits begünstigen. Das Recht steckt global noch in den Kinderschuhen. In seiner Funktionsfähigkeit erscheint es wie ein zahnloser Greis. Mit der Globalisierung und der Umweltkrise bedarf es nun aber der Ausweitung des universellen Rechtsverständnisses auf die Weltkreisebene, womit berechtigterweise über die beschränkten Einzelrechte der Nationen hinausgegangen werden müsste. Dem Internationalen Strafgerichtshof ist durch einen Globalen Verfassungsgerichtshof Rückendeckung zu geben. Erschreckend ist immer wieder die juristische Weltfremdheit, die sich in vielen Gerichtsurteilen im Hinblick auf tatsächliches Leben auftut. Nicht selten erscheint das gesprochene Recht als von der Welt geradezu abgelöst. Richter schaffen es neuerdings, die Religion über das säkulare Recht zu stellen. Die globale Großwelt der 'vernetzten Hyperkugel' (nach Sloterdijk) liegt noch völlig außerhalb des Gesichtsfelds nationaler Rechtspflegen und deren Vertreter.

 

Dass die Regierung vor den Weltkonzernen des Internets kuschen und Regatt haben müsste – wozu es Frau Ministerin zu drängen scheint -, ist vielsagend für ein lasches Rechtsverständnis der Partei mit dem christlichen Mäntelchen. Wer sich vor die Machtgebilde der Wirtschaft stellen will, plädiert freudig gern für eine statisch-monolithische, herkömmliche Rechtsauffassung. Denn dann bleibt alles wie gehabt. Der eigenen Klientel bleibt die Vormacht im Staat gesichert. Das Starkmachen für das Recht von Konzernen, die wie Individuen behandelt werden, obwohl sie rechtskörperlich nicht belangbar sind, ist ein Merkmal jenes verbreiteten Schwachen Liberalismus (nach Walter Oswalt); der Schwache Liberalismus kehrt sich ab von der Konzeption des Starken Liberalismus eines Wilhelm Roepke und Walter Eucken. Beide wollten Machtgebilde der Wirtschaft gar nicht erst entstehen lassen. Heute aber geht die gesamte etablierte Politik vor den Großgebilden der Wirtschaft in die Knie.