Spannende Debatten auf der Euro Finance Week

Notker Blechner

Frankfurt (Weltexpresso) - Nicht die Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten, sondern der Brexit beunruhigt die Top-Banker. Auf der Euro Finance Week, der Nabelschau der Branche, bezweifelten mehrere von ihnen, dass der Finanzplatz Frankfurt vom EU-Austritt der Briten profitiere.



Während draußen vor der Alten Oper Aktivisten mit Schildern wie "Großbanken zerschlagen" protestierten, haderte drinnen die Finanz-Community über den Brexit. Der EU-Austritt Großbritanniens sei ein Rückschlag für die europäische Einigung, waren sich die Top-Banker einig. Schuld sei die Politik. "Wir hatten den Brexit, weil die Regierung Führung vermissen ließ", schimpfte Deutsche-Bank-Chef John Cryan auf dem European Banking Congress, dem krönenden Abschluss der einwöchigen Euro Finance Week. Für seinen Kollegen von der Commerzbank, Vorstandschef Martin Zielke, ist der Brexit eine Lose-Lose-Situation. "Europa kann nur verlieren."

Ob der Brexit dem Finanzplatz Frankfurt nütze, sei keineswegs sicher, erklärten mehrere hochrangige Bankenvertreter. "Es wäre naiv zu glauben, dass man den über Jahrzehnte gewachsenen Mikrokosmos London einfach auf den Kontinent verpflanzen und neu aufbauen kann", sagte Marcus Schenck, Finanzvorstand der Deutschen Bank. Frankfurt müsse mehr tun, um sich im Standort-Wettbewerb zu profilieren. Dublin und Paris würden viel offensiver um Banker-Jobs werben, sagte die Deutschland-Chefin der britischen Großbank HSBC, Carola Gräfin von Schmettow. "Aus Frankfurt ist da nicht so viel gekommen." Ihre Bank werde - wenn überhaupt - Stellen von London eher nach Paris verlagern.



Schaulaufen der Finanzplätze

Auf einer Podiumsdiskussion versammelten sich die konkurrierenden Finanzplätze Dublin, Liechtenstein, Luxemburg und Paris zum Schönheitswettbewerb - fast wie bei Germany's next Top-Model. Besonders kräftig rührte Marc Coleman, Direktor des irischen Unternehmerverbands IPEC, die Werbetrommel. Sein Land biete politische Stabilität, Englisch als Geschäftssprache und die kulturelle Nähe zu Großbritannien. Coleman erzählte, dass er mehrere Jahre in Frankfurt gelebt und in Amsterdam sowie Luxemburg gearbeitet habe. Nirgends aber sei die Lebensqualität so groß wie in Irland.

Da konnten die anderen Vertreter der Finanzplätze kaum mithalten. Selbst Edouard de Lencquesaing von Paris Europlace schaffte es nicht, die Besucher von seinen Argumenten zu überzeugen. Paris sei eine Stadt, die alles biete, schwärmte er. Zudem erhalte die Stadt viel Rückenwind aus der Politik. Der Franzose appellierte an die Vertreter der anderen Finanzplätze, nicht gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten.

Wer auch immer das Rennen um die Banker aus London gewinnt - nach Einschätzung der führenden deutschen Branchenvertreter ist der Brexit viel schlimmer als US-Präsident Donald Trump. Der Austritt der Briten aus der EU sorge für eine lange Phase der Unsicherheit, klagte Helaba-Chef Herbert Hans Grüntker. Dadurch könnte es zu unternehmerischen Fehlentscheidungen kommen, befürchtet er.



Keine Angst vor Trump

Der einstige Börsenschreck Trump könnte gar für die Branche ein Heilsbringer sein, weil er die Banken weniger hart an die Kandare nehmen will. Wenn das Pendel der Deregulierung wieder etwas mehr in die andere Richtung zurückschwingt, wäre das aus Sicht der Branche durchaus hilfreich, meinte vorsichtig Wolfgang Kirsch, Chef der genossenschaftlichen DZ Bank.

Derzeit ächzen die Banken unter der starken Regulierung, den Niedrigzinsen und dem harten Wettbewerb mit den neuen Angreifern, den Fintechs. Christian Ossig, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Banken warnte vor den Gefahren einer Überregulierung. Besonders größere Banken würden mit höheren Kapitalauflagen bestraft, kritisierte Deutsche-Bank-Finanzvorstand Schenck. Vorstandschef Cryan vermutet gar, dass die Regulierungsmaßnahmen in Europa nur amerikanischen Interessen dienen. "Wir brauchen aber eine Regulierung, die Europa nutzt."



EZB will Regulierung nicht zurückdrehen

Danach sieht es zurzeit nicht aus. Auf der Euro Finance Week kündigte EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger an, künftig noch strenger auf die Geschäftsmodelle der Banken und ihr Risikomanagement zu schauen. Die europäischen Banken seien zwar stabiler geworden, aber noch nicht gesund. Es fehle ihnen an ausreichender Ertragskraft.

Schuld daran sei die EZB, erwiderten die Top-Banker. Die Geldpolitik der EZB arbeite mit ihren extrem niedrigen Zinsen gegen die europäischen Banken, kritisierte Deutsche-Bank-Chef Cryan auf dem European Banking Congress. Um überhaupt noch Geld zu verdienen, müssten die Geldinstitute Kredite teurer machen. Das wiederum sei von der EZB nicht gewollt.



Schäuble warnt vor neuer Blase

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) goss Öl ins Feuer. Er warnte mit Blick auf die Politik des billigen Gelds davor, "dass wir nicht in eine neue Blase hineinkommen". Gleichwohl sollte man die Probleme des Bankensektors nicht alleine auf die Geldpolitik zurückführen.

EZB-Präsident Mario Draghi zeigte sich in der Alten Oper offen für die Sorgen der Banken. Die Ertragsschwäche der Geldinstitute sei ein Problem, gestand er. Dennoch trat der Italiener Hoffnungen entgegen, die harten Regeln für die Branche aufzuweichen. "Es ist Zeit, die Regulierung abzuschließen und die Phase der Stabilität einzutreten", forderte er. Von einer Abkehr der lockeren Geldpolitik wollte Draghi nichts wissen. Die Erholung der Wirtschaft im Euroraum sei nach wie vor im hohen Maße abhängig von einer geldpolitischen Unterstützung, erklärte der oberste Währungshüter. Seit März 2015 flutet die EZB über den Kauf von Anleihen und anderen Wertpapieren die Kapitalmärkte mit Geld.

Rückendeckung kam von Draghis Vorgänger, Jean-Claude Trichet. Der Franzose versicherte, dass die Welt der Nullzinsen nicht von Dauer sei. "Wir werden zur Normalität zurückkehren", versprach er auf der Euro Finance Week. "Die Zentralbanken werden die Schlacht gewinnen", verkündete er martialisch. Den kritischen Fragen der Moderatorin wich Trichet indes geschickt aus.



Von Iran bis zum Kobalt

Auf der einwöchigen Euro Finance Week ging es freilich nicht nur um Europa. Eine eigene Konferenz widmete sich einen Tag lang den deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen nach dem Ende der Sanktionen. Parallel stand auch China im Rampenlicht. Mehrere Konferenz-Referenten stellten auf dem "China-Day" die Chancen für Investments im Reich der Mitte vor. Die Deutsche Börse präsentierte ihre gemeinsame Plattform CEINEX mit der Shanghaier Börse, über die mittlerweile um die 200 chinesische Produkte, Anleihen und ETFs in Frankfurt gehandelt werden können. "Wir hoffen sehr, mehr Unternehmen bewegen zu können, CEINEX als Plattform für ihre Emissionen zu nutzen", sagte CEINEX-Ko-Chef Chen Han.

Über alternative Geldanlagen zu Nullzins-Anleihen diskutierten mehrere Anlagestrategen und Branchenvertreter. Sie warnten davor, Geld in den Sparstrumpf zu legen und auf bessere Zeiten zu warten. Einig waren sie sich aber nur darin, dass man jetzt keine Schwellenländer-Aktien und keine 100-jährigen Anleihen kaufen sollte. Einzig Deutsche-Bank-Manager Frank Krings aus Luxemburg gab einen Geheimtipp. Er hob Kobalt als das "next big thing" wegen des bevorstehenden Elektroauto-Booms hervor. Das Problem: Kobalt sei nicht massenfähig für die Batteriehersteller.

So hinterließen die Euro-Finance-Week-Konferenzen nach einer Woche letztlich vor allem eines: tiefe Ratlosigkeit unter den Besuchern!



Foto: (c)eurofinanceweek.com

Info:

Euro Finance Week 2016
http://www.eurofinanceweek.com/konferenzen