Serie: Rund um die Frankfurter Herbstmesse Tendence 2012 vom 24. bis 28. August, Teil 5

Helga Faber und Gerhard Wiedemann

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tatsächlich ist dies der älteste Preis für Kunsthandwerk in der Bundesrepublik Deutschland, den vorausschauend der damalige Ministerpräsident – die hessische Legende August Zinn – 1951 zur damaligen Frankfurter Herbstmesse auflegte. Ganz klar Frankfurt, denn alle Messen der Welt rühren her aus der Urfrankfurter Herbstmesse des Mittelalters. Auch die Tendence von 2012 und ihre Preisträgerinnen Küstner, Rudolph und Franke.

In einer Feierstunde im repräsentativen Portalhaus der Frankfurter Messe, zu der Tendencechef Detlef Braun im Namen der Messe eingeladen hatte, gab es ein oft zu sehendes Schauspiel. In den beiden ersten Reihen saßen vorwiegend Männer. Alle Redner, einschließlich des Moderators Jörg Bombach vom Hessischen Rundfunk, wurden von Männern gehalten, die drei Staatspreise aber erhielten Frauen. Das liegt nicht nur daran, daß im Kunsthandwerk traditionell Frauen gut vertreten sind, sondern auch daran, daß in diesem Jahr auch Künste, die nicht in vorderster Linie stehen, gewürdigt wurden. Dennoch soll das Bonmot, das bei der Feierstunde die Runde machte, nicht verschwiegen werden: „Männer reden, Frauen tun“.

Wie der Preisübergeber Minister Florian Rentsch, der hessische Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, betonte, hatten ihn die Ausstellungsstücke aller drei Künstlerinnen in Halle 11 sehr beeindruckt. Den ersten Preis erhielt Gabriele Küstner für ihre Glaskunst. Glasgestalterin nennt man ihre Profession, die dereinst in den Tagen von Venedig und Murano die Häupter der Welt zu erbitterten Rivalen um die schönsten Glasstücke machte. Heute, wo der Siegeszug des industriell gefertigten Glases weltumspannend ist, hat gerade aus dieser Übermacht heraus, das handgefertigte Glas eine neue Zukunft. Wir haben uns die drei ausgestellten Stücke genau betrachtet.

Die grüne Vase mit den Noppen erinnert tatsächlich an alte Zeiten und ist gerade deshalb zeitlos. Das gilt auch für den großen Mosaikteller, der am Rand das farbige Glas flirren läßt und gilt auch für die konische Form eines Deckelgefäßes, das so eigen und gleichzeitig elegant anmutet, daß man verstehen kann, wer – wenn er Individualität schätzt – das kaufen will. Worüber wir nichts wissen, sind die Preise. Ehrlich gesagt, wollen wir das auch gar nicht wissen. Wir haben bei unseren Rundgängen solche Unverschämtheiten von Besuchern erlebt, die selbst den Preis von 18 Euro 50 für eine Handarbeit als zu hoch einschätzten, daß wir nur sagen können: heute hat Handarbeit ihren Preis. Daß viele kunsthandwerklichen Künstlerinnen dabei nicht mal auf den Mindestlohn kommen, sei auch deutlich hinzugefügt.

Aber wir sind ja alle in angenehmer Festlaune. Und deshalb freuen sich alle drei über die Auszeichnung, die neben einer hessischen Urkunde, einem dicken Blumenstrauß auch einen weißen Umschlag enthält, in dem sich das Preisgeld befindet, bei drei Preisen sind 8 000 Euro nicht die Welt. Aber mehr zählt die Auszeichnung. Für Gabriele Küstner hat ihre Glaskunst viel mit Farbe zu tun, ja, „Farbe war schon immer wichtig für mich“, betonte die 1958 in Göttingen Geborene, die an der Staatlichen Glasfachschule in Hadamar ausgebildet wurde und seither ihren eigenen Stil gefunden hat. „Zur Herstellung der aus Glasmosaiken entwickelten Objekte werden transparente Glasstäbe bemalt, in Segmente geteilt und diese Segmente miteinander verschmolzen.“ Der individuelle Charakter der Objekte wird durch den besonderen Schliff des Glases noch einmal verstärkt.

Äußerst individuell sind auch die Schmuckarbeiten von Deborah Rudolph, die den 2. Preis erhielt. Sie wurde 1980 in Halle geboren und hatte, wie sie unumwunden zugibt, mit Steinen überhaupt nichts im Sinn. Wenn man aber wie sie in Idar-Oberstein (FH Trier) studiert, fällt man geradezu über Steine. Sie auf jeden Fall ist nachdrücklich beeindruckt. „Steine sind von Natur aus so schön, warum muß man sie verändern?“, ist ihr Motto bei ihrer Arbeit. Das heißt, daß sie den Stein so weit wie möglich roh beläßt und ihn mit Silber zum Gebrauch als Ohrgehänge oder – bevorzugt – Broschen fertigt. Tatsächlich sind die ausgestellten Stücke fast durchgehend dunkel und kommen einem etwas vor, wie aus dem Weltall auf die Erde gefallen, nicht Sterntaler, sondern feine kleine Meteoriten. Das hat schon was, finden wir. Daß Deborah Rudolph zusätzlich ein Goldschmiedestudium absolvierte, prädestiniert sie geradezu als Steine-Schmuck-Designerin.

Auch Gabriele Franke, die 3. Preisträgerin stammt aus der Alt-DDR und lebt und führt ihr eigenes Atelier seit 2001 in Mannheim. Ihre Preisauszeichnung erfolgte für „Unikatmode“. Sie fertigt also Einzelstücke an und erhielt den Preis für die Zeitlosigkeit ihrer Gestaltung, die Hochwertigkeit ihrer Stoffe und die komfortable Trageeigenschaft ihrer konsequent einfarbigen – Verzicht auf jedes Muster! - Modelle. Seide und Leinen seien ihre bevorzugten Materialien, konnten wir lesen. Sehen konnten wir leider nur ein Unikat in der Ausstellungsvitrine – Kleidung nimmt eben mehr Platz ein als Vasen oder Schmuckstücke -, das aber gefiel uns gut. Schon der gewagten Farbkombination wegen. Es stellt ein Damenoberteil dar, was man heutzutage Top nennt. Drunter ist ein hellroter Seidenbatist, drüber ein – wir würden zyklamenfarbenes sagen – gerade geschnittenes Leinenteil. Ungewöhnlich. Auffallend.

Wir aber sind dann den ganzen Abend, der sehr nett in geselliger Runde in Halle 11 angesichts der ausgestellten Stücke stattfand, damit beschäftigt, uns über die nachlassende Fähigkeit der Deutschen, für Farben die adäquaten Namen zu finden, beschäftigt. Auch wir lassen dabei nach. War das Zyklame? Oder Magenta? Die Künstlerin sagt Pink dazu, aber auch, daß sie das gar nicht ausreichend findet. Wir auf jeden Fall haben angenehme Gespräche mit dieser selten anzutreffenden Publikumsmischung aus echten Künstlerinnen, echten Politikern und echten Promis – so war auch mit Petra Roth die bis gerade im Amt befindliche Ex-Oberbürgermeisterin gekommen, die in dieser Funktion auch Aufsichtsratsvorsitzender der Messe war, die nun ihr Nachfolger Peter Feldmann innehat.

Mit Friedrich von Metzler war ein ebenfalls stadtbekannter und stadtbeliebter Banker gekommen, in dessen Villa seiner Großmutter das Museum für Angewandte Kunst einen Sitz hat. Dessen neuer Leiter, Matthias Wagner K hielt die Festansprache, der nun wiederum hatte seinen Kollegen vom Ikonenmuseum, Richard Zacharuk, mitgebracht, der als Rußlandkennen – Ikonen! - sich angeregt mit dem Russischen Konsul unterhielt, wobei auch der Österreichische Handelsdelegierte...ach nein, wir wollen sie nicht alle aufzählen, aber doch über einen besonders netten, weil bunt gemischten Abend berichten, den die Messe Frankfurt besonders gut hinbekommen hatte. Neben der phantasievollen Bewirtung gab es Musik von „Something Big“ aus San Francisco.

Foto Messe: Links Minister Rentsch, 2. Preis, 1. Preis, 3. Preis, Messegeschäftsführer Braun

24.-28. August 2012

www.messefrankfurt.com

www.tencence.messefrankfurt.com