o PerlenfischerWim Wenders’ gibt in Berlin sein Operndebüt mit Bizets „Perlenfischern“

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - An der beliebten Arie des Nadir konnte sich Wim Wenders nicht satt hören. Geradezu süchtig stürzte sich der Autorenfilmer in den siebziger Jahren auf die Musik aus Bizets „Perlenfischern“. Wieder und wieder spielte er sie über eine Jukebox ab –kurioserweise in einer Bar namens Toscas in San Francisco.

Aber bei den Höreindrücken blieb es, denn kaum einmal verirren sich „Die Perlenfischer“ auf die Spielpläne der Opernhäuser. Wim Wenders fand, dass es endlich Zeit würde, das zu ändern und freute sich, als Daniel Barenboim ihm grünes Licht dafür gab.

Seine ersten Anläufe als Opernregisseur liegen sechs Jahre zurück. Damals wollten ihn die Bayreuther Festspiele gewinnen, in der Jubiläumsausgabe anlässlich Richard Wagners 200. Geburtstag sollte er den „Ring“ inszenieren. Aber das Projekt scheiterte. Zu groß waren die Meinungsverschiedenheiten mit der Festspielleitung, Wenders sagte ab. Danach wandte er sich wieder ausnahmslos Filmprojekten zu, bis Daniel Barenboim vor drei Jahren auf ihn zukam. Ohne ihn hätte sich der inzwischen 72-jährige Wenders womöglich nicht noch einmal auf dem Gebiet der Oper versucht.

Die „Perlenfischer“ sind angesichts von Schwulst und dramaturgischen Ungeschicklichkeiten ein eher undankbares Stück seitens der szenischen Umsetzung.

In der exotischen, am Strand von Ceylon verorteten Geschichte begehren die Freunde Nadir und Zurga Leila, eine Priesterin. Sie darf niemanden lieben, erwidert aber Nadirs Gefühle. Zurga tobt vor Eifersucht, sein Volk ebenso. Er will die Verliebten töten, verhilft ihnen aber unerwartet zur Flucht, nachdem er erkannt hat, dass ausgerechnet Leila ihm einst das Leben rettete.

Die beiden Librettisten sollen sich geschämt haben, als sie merkten, welch schöne Musik der 24-jährige Georges Bizet auf ihre erbärmliche Handlung geschrieben hat. Opernregisseure lassen deshalb die Finger davon. Wenders tut das, was sich von einem Filmemacher erwarten ließe: Er bedient sich der Mittel des Kinos.

Auf einem Gazevorhang zeigt Wenders das Meer und alle Rückblenden in schwarzweißen Videobildern, die Priesterin Leila mit wehendem Schleier zum Zeitpunkt, als die Männer ihr erstmals begegneten, oder Szenen aus Leilas Kindheitstagen.

Eine zwingende Inszenierung gelingt gleichwohl nicht. Auf der Spielfläche, deren Boden perlmuttfarbenen Sandstrand in mythischer Zeit- und Ortlosigkeit suggeriert, kreiert Wenders überwiegend statische Tableaus und bedient sich einer überholten, stereotypen Gestik.

Immerhin tut sich aber Wenders unter den Regisseuren, die gleichermaßen in Kino und Oper aktiv sind, hebt damit hervor, dass er nicht radikal in den Text eingreift, sich selbst nicht so wichtig nimmt und ein Gespür für Schönheit, Poesie und Anmut bezeugt.

Trotz der trefflichen musikalischen Einstudierung Barenboims und einer fulminanten Olga Peretyatko-Mariotti an der Spitze des Sängerensembles herrscht jedoch Langeweile. Die Schwierigkeiten des Librettos hat Wenders offenbar unterschätzt. Oder wird der Regisseur Wenders womöglich überschätzt? Jedenfalls hat er schon lange keinen herausragenden Spielfilm mehr hervorgebracht. Insbesondere sein jüngstes cineastisches Werk, „Die schönen Tage von Aranjuez“, ein ausschweifendes Gespräch zwischen einem Mann und einer Frau in einem Garten, wirkte noch spannungsloser als diese erste Operninszenierung der „Perlenfischer“.


Foto: Olga Peretyatko-Mariotti (Leïla), links davon Wolfgang Schöne (Nourabad) und Chor © Donata Wenders