Musikalische Fragmente aus Klöstern erklingen auf neuer CD
Sabine Zoller
Klöster Maulbronn, Alpirsbach, Hirsau und Salem (weltexpresso) - Absolut authentischer Klang: Musik aus den Klöstern Maulbronn, Alpirsbach, Bebenhausen, Hirsau und Salem erklingt – zum ersten Mal seit fünf Jahrhunderten wieder und obendrein an den Orten ihrer Entstehung.
Die Noten wurden erst vor wenigen Jahren entdeckt: Die Blätter mittelalterlicher Handschriften überlebten im Verborgenen, weil sie in späterer Zeit benutzt wurden, um damit Bücher einzubinden. Jetzt hat Stefan Morent, ausgewiesener Fachmann für authentischen Mittelalterklang mit seinem Spezialistenensemble „Ordo Virtutum“ die Vokalwerke aufgenommen – jedes Stück in der Klosterkirche, für die es vor Jahrhunderten geschrieben wurde. Die CD, entstanden aus einer Kooperation von Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg, Landesarchiv Baden-Württemberg und SWR wurde jetzt in Kloster Maulbronn vorgestellt.
FORSCHUNGSPROJEKT KLOSTERBIBLIOTHEKEN
Als der Herzog von Württemberg 1534 die Reformation in seinem Land eingeführt hatte, löste er sämtliche Klöster auf. Damit waren die Bücher, die im Gottesdienst eingesetzt wurden, nutzlos: Keiner brauchte mehr die Gesänge, die in den Gottesdiensten der Mönche erklungen waren. Aber auch schon vorher kamen immer wieder Choralhandschriften außer Gebrauch. Die Handschriften ohne Verwendung waren wertvolles Material. Man zerlegte sie und benutzte das teure Pergament für neue Einbände. Und so haben sich viele Blätter aus Handschriften in den Archiven erhalten. Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat über Jahre im Rahmen eines Forschungsprojektes diese verborgenen Schätze gehoben und dabei viele Spuren der seit Jahrhunderten untergegangenen Klosterbibliotheken gefunden. Ausgewählte Stücke waren 2013 bis 2015 in den Klöstern Salem, Maulbronn, Bebenhausen und Alpirsbach zu sehen: Prof. Dr. Peter Rückert vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart hatte gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Andreas Traub und in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg eine Ausstellung konzipiert, die erfolgreich durch das Land tourte. Jetzt sind die „musikalischen Fragmente“ auch auf CD zu hören.
DIE MUSIK AUS DEN KLÖSTERN
„Musikalische Fragmente“ – so nannte die Ausstellung die Funde. Tatsächlich handelte es sich um rare Blätter aus Musikhandschriften des Mittelalters. Sie waren einst fester Teil der klösterlichen Ausstattung und die Grundlage für die Gesänge der Mönche in den zahlreichen Gottesdiensten. Darunter sind Choralhandschriften mit Musik aus der Zeiten vor den Klosterreformen des 15. Jahrhunderts – aber auch die um 1500 neu angeschafften Noten wurden durch die Reformation mit einem Schlag überflüssig. Die wiedergefundenen Fragmente bringen das geistliche Leben vor der Reformation wieder zum Klingen, als in den Klöstern noch Mönche lebten.
DIE CD-AUFNAHMEN AM HISTORISCHEN ORT
Aufgenommen wurde die geistliche Musik jeweils in dem Kloster, aus dem die „musikalischen Fragmente“ stammten. In Salem, Alpirsbach, Bebenhausen und Maulbronn waren es die Klosterkirchen, in der Klosterruine von Hirsau die Marienkapelle. Die Musiker wählten dafür die Nacht – um dem Lärm des Tages zu entgehen. Einfach war es trotzdem nicht, berichtet Peter Braun, der als Leiter der Klosterverwaltung von Maulbronn, Alpirsbach und Hirsau mehrere Aufnahmetermine begleitete. Es brauchte zum Teil detektivischen Spürsinn, bis etwa in der Maulbronner Klosterkirche alle technischen Geräte mit ihrem Grundrauschen und -brummen ausgeschlossen waren. Die historische Musik erklingt an dem Ort, für den sie aufgeschrieben war: „Man hört das, jeder Kirchenraum klingt anders“, berichtet Peter Braun.
STEFAN MORENT UND ORDO VIRTUTUM
Stefan Morent, Musiker und Professor für Musikwissenschaft an der Universität Tübingen, ist ein Erforscher mittelalterlicher Klangwelten. Das Ensemble Ordo Virtutum gründete er speziell für die Aufführung der Musik des Mittelalters. In seinen Konzerten und CD-Aufnahmen verbinden sich künstlerische Interpretation und aktuelle musikwissenschaftliche Forschung zu einem eindrucksvollen Zugang zur musikalischen Welt des mittelalterlichen Europas. Das Ensemble arbeitete mit renommierten Interpreten mittelalterlicher Aufführungspraxis zusammen und betreibt für jedes Projekt umfangreiche eigene Forschungsarbeit. Stefan Morent und Ordo Virtutum gastieren regelmäßig bei internationalen Festivals in Europa, USA und Australien.
KONZERT IN KLOSTER MAULBRONN IM SEPTEMBER
Live ist der Klang des Mittelalters am 16. September in Kloster Maulbronn zu hören. Das Konzert findet im Zusammenhang mit der großen Ausstellung „Freiheit – Wahrheit – Evangelium. Reformation in Württemberg“ statt, die in Stuttgart sowie in den Klöstern Maulbronn, Alpirsbach und Bebenhausen als gemeinsames Projekt des Landesarchivs Baden-Württemberg und der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg zu sehen sein wird: in Stuttgart ab dem 13.9., in Kloster Maulbronn ab dem 14. 9., in Kloster Bebenhausen ab 15. 9. und in Kloster Alpirsbach ab 16.9. Karten für das Konzert der Maulbronner Klosterkonzerte mit Stefan Morent und dem Ensemble Ordo Virtutum in der Klosterkirche am 16. 9. um 20 Uhr sind an der Abendkasse erhältlich.
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Info:
CD Fragmentum. Auf der Suche nach dem verlorenen Klang
Die CD erscheint mit Unterstützung von SWR 2 und den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg im Cornetto-Verlag. Sie ist erhältlich in allen beteiligten Klöstern zum Preis von 14,90 €, außerdem im Fachhandel oder über den Shop des Cornetto-Verlages www.cornettoshop.com.
Fragmentum. Der verlorene Klang. Musik aus württembergischen Klöstern
Konzert der Maulbronner Klosterkonzerte mit dem Ensemble Ordo Virtutum unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Morent
TERMIN: 16. September 2017, 20 Uhr
Klosterkirche, Kloster Maulbronn.
Vor dem Konzert findet eine Einführung mit Prof. Dr. Stefan Johannes Morent und Pfarrer Ernst-Dietrich Egerer, Maulbronn, statt.
WWW.UEBER-KREUZ2017.DE