Rückblick: Festival von Montreux 2017
Notker Blechner
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zu den Höhepunkten des Musik-Sommers zählt das Jazz-Festival von Montreux. Neben Jazz-Größen wie Herbie Hancock, Chilly Gonzales und Richard Galliano strömten auch Pop-Altstars von Grace Jones, den Pet Shop Boys, Tom Jones bis Brian Ferry an den Genfer See.
Nach dem Tod von Claude Nobs 2013 scheint das Festival von Montreux seinen Erfolgsweg gefunden zu haben: ein bisschen Jazz in kleinen Räumen für die Hardcore-Fans und viel Mainstream-Pop und -Rock für die breite Masse in den großen Sälen! Es gab die Gefahr, dass einige Musiker Montreux fern blieben, wenn Festival-Gründer Nobs nicht mehr da ist, gesteht sein Nachfolger, Mathieu Jaton. Das sei aber nicht passiert. Im Gegenteil: Manche Freunde von Nobs hätten sich nach dessen Tod noch stärker engagiert. Zudem habe Jaton als neuer Festival-Chef neue Kontakte geknüpft und Musiker wie Woodkid, Jamie Cullum oder Sam Smith angelockt.
Die besondere Intimität der Konzerte und die idyllische Lage des Festivals mit der See- und Alpenkulisse übe eine besondere Anziehungskraft auf die Musiker aus, meint Jaton. "Wir sind das Vinyl der Festivals - im Gegensatz zu Spotify."
Grace Jones als Verwandlungskünstlerin
Tatsächlich schafften es die Festival-Organisatoren, auch zur 51. Auflage wieder echte Super-Stars an den Lac Léman zu bringen. Die 69-jährige Grace Jones begeisterte das Publikum mit einem spektakulären Bühnenauftritt. Erst sang sie verkleidet als Knochengerippe mit Totenmaske, dann erschien sie als junges lebensfrohes barbusiges Mädchen mit bunten Halsringen und ließ die Hüften in Hula-Hoop schwingen. Dabei trällerte sie ihre bekannten Hits - mal sinnlich zu "Slave To The Rythm", mal theatralisch zu "La Vie en Rose", mal selbstironisch zu "Amazing Grace".
Pet Shop Boys wie in alten Tagen
Cool war auch der Auftritt der Pet Shop Boys. Die britische Band, die in den 1980er Jahren mit "West End Girls" und "You're always on my Mind" die Charts gestürmt hatte, bot eine mitreißende Laser-Show im Einklang mit ihren Welthits. Selbst jüngere Besucher erkannten, dass die Pet Shop Boys mit ihrem Elektro-Pop der Zeit voraus waren. Der 62-jährige Sänger Neil Tennant bewies in Montreux, dass er nichts von seiner virtuosen Stimme verloren hat. Im vergangenen Jahr haben die Pet Shops ihr 13. Album ("Super) herausgebracht.
Der Jazz blieb beim 51. Jazz-Festival dezent im Hintergrund. Im kleinen Jazz Club im Untergeschoss des Kongresszentrums scheint er seinen Platz gefunden zu haben. Dort konnten allabendlich gut 400 Jazz-Liebhaber ihre Lieblingsbands aus nächster Nähe verfolgen.
Das harmonische Trio
Besonders gefühlvoll war der Auftritt von Mare Nostrum. Das Trio, das aus dem französischen Akkordeonisten Richard Galliano, dem italienischen Trompeter Paolo Fresu und dem schwedischen Pianisten Jan Lundgren besteht, interpretierte in ungewohnten Variationen klassische Stücke von Ravel und Satie. Aber auch die Melodien von Charles Trenet griffen die drei Musiker harmonisch mit ihren drei Instrumenten - teils solo, teils im Duett - auf. Vor allem das Zusammenspiel zwischen Klavier und Trompete funktionierte prächtig.
Nur ein paar Mal an den 16 Festival-Tagen gehörte die große Bühne - das Auditorium Stravinsky mit seinen gut 2.000 Plätzen - dem Jazz. Zum Beispiel als Jazz-Legende Herbie Hancock mit seiner neuen Band auftrat. Der 77-jährige Altmeister beherrscht sein Synthesizer und Jazzklavier so gut wie kaum ein Anderer. Seine jüngeren Bandmitglieder, der Drummer Colauita, der Gitarrist Lionel Loueke und der Bassist James Genus forderten Hancock immer wieder zu neuen Kunststücken heraus.
Chilly Gonzales mixt Klassiker neu
Noch mehr ins Zeug legte sich Chilly Gonzales, der nach Herbie Hancock auftrat. Der Kanadier, der inzwischen von Paris nach Köln gezogen ist, zeigte über zwei Stunden lang sein ganzes Repertoire als virtuoser Pianist, Sänger und Entertainer. Ob Rap, Electro oder Klassik - kaum einer kann die Musikstile so radikal mixen und neu interpretieren wie Gonzales. Warum der Entertainer dazu ständig einen Bademantel wie einst Udo Jürgens tragen muss, bleibt sein Geheimnis.
Das Festival schaffte es wieder einmal, musikalische Grenzen zu überwinden. So zelebrierte zum Auftakt des Festivals Max Richter und Nicolas Jaar die Verbindung von Jazz mit elektronischen Klängen. Der Pianist Richter lebt in Berlin und hat für Volker Schlöndorffs "Rückkehr nach Montauk" die Filmmusik komponiert. Nicolas Jaar hat den Soundtrack für den Film "Dheepan" geschrieben.
Weniger Tickets verkauft
Insgesamt strömten 230.000 Besucher zum diesjährigen Festival. Davon ging weniger als die Hälfte in die Konzertsäle. Rund 90.000 Tickets wurden verkauft – 5.000 weniger als im Vorjahr. Dennoch schafften es die Festival-Organisatoren, eine ausgeglichene Bilanz zu erzielen - dank guter Umsätze mit Essen und Getränken an den zahlreichen Ständen entlang des Genfer Sees.
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Info:
Festival Montreux
https://www.montreuxjazzfestival.com/de