FRANKFURT LIEST EIN BUCH vom 16. bis 29. April, Teil 7
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eine musikalisch-literarische Soiree in der Oper nennt sich die Veranstaltung, die uns inzwischen unter all den wunderbaren vielen Wortveranstaltungen des Frankfurter Lesefestes die liebste ist, denn sie führt mit den Mitteln der Musik – Gesang und Instrument – das weiter, was Worte nicht mehr vermögen, was im Fall der Verfolgung und Ermordung durch die Nazis Schmerzen und Tod und die Ahnungen davon sind.
Zsolt Horpácsy begrüßte die Zuhörer im Chagallsaal zwischen Oper und Schauspielhaus zum Liederabend mit Lesung aus Anna Seghers Roman DAS SIEBTE KREUZ, die Susanne Buchenberger (Schauspiel Frankfurt) in vier Passagen aus dem Roman bot. Er begrüßte mit Wärme und nannte es „eine große Ehre“, Pierre Radvanyi und seine Frau aus Paris begrüßen zu dürfen, der kurz vor seinem 92. Geburtstag nach Frankfurt gekommen war, was vor allem dann spannend wird, wenn man sich mit ihm unterhalten kann, denn sein Erinnerungsvermögen ist ungetrübt und seine Worte klar, denn immer wieder verweist er manche Spekulationen über die Autorin und ihr Werk in den Bereich der Phantasie. Und er legt Wert darauf, daß seine Mutter 1933 Deutschland verließ, weil sie als Kommunistin in Berlin unmittelbar nach dem Reichstagsbrand denunziert worden war.
An diesem Abend wurden er und die Zuhörer mit Werken von Mieczysław Weinberg (1919-1996) konfrontiert, der spätestens mit DIE PASSAGIERIN für Frankfurter kein Unbekannter mehr ist. Eindrücklich auch die Aufführung dieser Oper in Frankfurt, die wir schon zuvor bei der Uraufführung am 19. Juli 2010 bei den Bregenzer Festspielen sehen und hören konnten, bei der die Autorin der gleichnamigen Novelle, die der Oper zugrundeliegt, anwesend war: Zofia Posmysz. Sie entkam den Nazis und auch Mieczysław Weinberg, damals schon ein junger hochbegabter Musiker und Komponist, konnte vor ihnen in die Sowjetunion fliehen, aber seine ganze Familie wurde von den Nazis ermordet.
Seine Kompositionen bezeichnet er selber als Ausdruck seines Traumas, das wir ja in Geist und Seele mit ihm teilen. „Bis zuletzt begreift er sein Komponieren als Trauerarbeit und hält es für seine Lebensaufgabe, mit Musik an das tragische Schicksal seiner Familie wie überhaupt der Millionen ermordeter Juden zu erinnern. Er komponiert beängstigend viel, geradezu manisch, Sinfonie um Sinfonie – am Ende sind es 22 -, Streichquartett um Streichquartett – insgesamt 17 an der Zahl- geschrieben. Hinzu kommen sechs Opern, Ballette und Operetten, Dutzende von Sonaten, Filmusiken...“(Oswald Beaujean im Programm zum Abend)
Wie immer wurde Musik und Gesang vom Opernstudio, der stupenden Nachwuchspflege der Oper Frankfurt, geboten: Am Flügel der polnische Pianist Michał Goławski, der dort Repetitor ist und zwei der Mitglieder Mikołaj Trąbka aus Polen (Bariton) und Anatolii Suprun aus der Ukraine (Bass) konnten zeigen, wie gut es ist, muttersprachliche Sänger zur Verfügung zu haben. Dazu gleich mehr.
FORTSETZUNG FOLGT
Foto:
Bariton Mikołaj Trąbka © Wolfgang Runkel
Info:
Dienstag, 17. April 20.30 Uhr im Chagallsaal
Anna Seghers, Das siebte Kreuz, Roman aus dem Hitlerdeutschland, Aufbau Verlag 2015
Anna Seghers, William Sharp, Das siebte Kreuz, mit den Originalillustrationen von 1942, Aufbau Verlag 2015