o Suprun 574sFRANKFURT LIEST EIN BUCH vom 16. bis 29. April, Teil 8

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Musikalischer Auftakt der Opernsoiree war DREI KINDERHEFTE für Klavier op.19, Nr. 12, dem die Lesung aus dem ersten Kapitel – Georg auf dem Feldweg – folgte. Der Germanist und Autor Hans-Ulrich Treichel, geb. 1952, hat nach Seghers Roman Verse geschrieben, die Hans Werner Henze zu seiner 9. Sinfonie für gemischten Chor und Orchester (1995-97) zur Vertonung inspirierten. Vier der Verse, die keine Textzitate, sondern Nachempfindungen sind, wurden von Susanne Buchenberger den jeweiligen Textpassagen aus dem Roman angefügt.

Dabei ging es erst einmal um den Anfang aus Kapitel I , wozu Treichels DIE FLUCHT gelesen wurde. REGUNGSLOS LAG ER DA sang anschließend Anatolii Suprun auf Russisch. Mieczysław Weinberg hat den Text von Puschkin vertont und Supruns Bass füllte den Chagallsaal voluminös. Das ist immer etwas Besonderes, Sänger so aus der Nähe zu hören. Da die Oper zudem durch die Programmbeigabe sogar die Übersetzung auf Deutsch lieferte, konnte man den Text des gesungenen Liedes lesen und stellte wieder einmal überrascht fest, daß der Grundtenor von Trauer und Jenseitsgefühlen schon in der Musik zum Ausdruck kam. Dennoch ist es eine begrüßenswerte Arbeit, die sich das Opernstudio da macht, das den ganzen Abend exzellent gestaltete.

Es schloß sich der Dreierschritt an: erst Lesung aus dem Roman, danach ein Vers von Treichel, dann ein Weinberglied. Bellonis – einer der sieben Entflohenen, von denen nur Georg Heisler überlebt – Tod aus dem 2. Kapitel und Treichels DER STURZ, zudem GEFANGENE IN QUÄLENDEN TRÄUMEN von Weinberg, ebenfalls vom Bass Anatolii Suprun auf Russisch eindrucksvoll gebracht. ...“Wie höllisch bist Du verbrannt! ...Sehnsüchtig verwaiste Seele...Gefangene in quälenden Träumen“ von Wassili A. Berdenkow. Der junge polnische Bariton Mikołaj Trąbka schloß mit dem Lied von Weinberg AKAZIEN an, das der Sänger auf Polnisch gab. Trąbka ist seit 2016/17 Mitglied im Opernstudio, auch auf der Opernbühne in vielen Partien zu hören.

Sicher war es dieser idealen personalen Besetzung im Opernstudio zu verdanken, daß sich diese Musiker mit diesem Programm beteiligten, das so gut zum Gehalt des Romans und zur Schriftstellerin und politischen Zeitgenossin Anna Seghers paßte. Besonders gut, muß man sagen, denn sie gehört der Generation an, die vom Kommunismus noch viel erwarten durfte, aber schon von Beginn an wußte, daß der Nationalsozialismus den Tod bedeutet.

Man hätte auch nach dem dritten und vierten Mal, wo sich Lesungen und Lieder abwechselten – Kapitel 4, Das Buffet, Treichel BERICHT DER VERFOLGER, Mieczysław Weinberg DREI KINDERHEFTE FÜR KLAVIER op.19,nr. 13, am Flügel Michal Goławski; und dem Schluß aus dem letzten Kapitel VII, Der Mann, der allerlei riskierte sowie Treichels RETTUNG und dem letzten Weinberglied DIE SÄNGER DER VORWELT, (Text übrigens nach Friedrich Schiller) vom Bariton Trąbka mit der musikalischen Begleitung durch Goławski – einfach sitzen bleiben und diese Melange von Trauer, Wehmut, Verlust und Schönheit der Musik weitererleben mögen.

Warum das Ende ein gutes ist, hat eben mit der erfolgreichen Flucht des Georg Heisler zu tun. Viele sind ermordet worden. So viele Tote. Aber die, denen die Flucht gelang, wie Anna Seghers, die haben dann über gelungene Fluchten auch schreiben können. Das war und ist so wichtig für uns alle, die wir uns hauptsächlich mit den Ermordeten und Toten beschäftigen. Beschäftigen müssen.

Foto:
Bass Anatolii Suprun © Wolfgang Runkel

Info:
Dienstag, 17. April 20.30 Uhr im Chagallsaal

Anna Seghers, Das siebte Kreuz, Roman aus dem Hitlerdeutschland, Aufbau Verlag 2015
Anna Seghers, William Sharp, Das siebte Kreuz, mit den Originalillustrationen von 1942, Aufbau Verlag 2015