Im Rahmen der Deutschlandtournee der „Raise Vibration Tour 2018“ von Lenny Kravitz mit Curtis Harding im Vorprogramm , Festhalle Frankfurt
Eva Mittmann
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Raise Vibration“ – Erhöhe deine Schwingungen, so der Titel seiner Tour, ist Programm und wohlfeil gewählt. Ein besserer Titel für seine Show fiele mir nicht ein. Kaum betritt er die Bühne, gefühlte Hochspannung allüberall im großen Saal der Festhalle. Man kann es förmlich knistern hören. Ich denke an Peter Gabriels Deutsches Album und die Textzeilen: „Ich fühl‘ diese Hochspannung, wenn ich weiß, du weißt, ich bin da!“ Unausweichlich charismatisch breitet sich die Aura des Meisters aus. Kein Entkommen! Präsent der Sound der Band, mitreißend packend der Gesang! Das Publikum singt mit und alle sind sofort in Bewegung. Die Festhalle bebt!
Fantastische Hochspannung, die sich überträgt - in Sekundenschnelle alles anders werden lässt und in Schwingung versetzt. Dabei war es sehr smart, wie die Vorgruppe von Curtis Harding (Bild rechts) mit seiner souligen Stimme, nebst der funky Begleitband uns auf eine Zeitreise in die 70er-Jahre mitgenommen und angewärmt hat: Super-psychedelische Love-Songs im Retro-Sound, bei denen der Keyboarder auch gerne mal zum Tenorsaxophon griff. Allerdings hinterließen ihre Titel keinerlei Spuren, berührten nicht wirklich in der Tiefe. Dennoch: man hätte sich eine Zugabe gewünscht vor der Umbaupause.
Doch das ist alles vergessen, als ER auf der Bühne erscheint: Lenny Kravitz! Die Stärke seiner Bühnenpräsenz ist unglaublich, der Klang seiner Stimme Verheißung, seine Gitarrenriffs süße Verschmelzung damit - in Vollkommenheit. Spürbar breiten sich die „raised vibrations“ von „Fly away" aus. Genau. Dieser Sound und diese gewaltige Stimmkraft! Die Luft vibriert.
Raise-vibration-perfekt.
Nach den Hits der 90er-Jahre „Fly Away“ und „American Woman“ dann leisere, zartere Klänge. Sie geben den Raum frei für die Botschaft von „It’s Enough“. Ein Titel aus seiner neuesten Produktion, deren Erscheinungsdatum unglücklicherweise auf September verschoben wurde. Melancholie in Lenny’s Stimminterpretation, die tief berührt, als wollte uns der Klang seiner Stimme eine Botschaft mitteilen. Übersetzt lautet sie: Hört alle her. Lasst euch berühren – ganz tief in der Seele ... damit wir erkennen: „Du kannst dem System nicht trauen. Die Welt ist korrupt. Wir müssen etwas ändern!“ Deutliche Poesie, sensibel vorgetragen. Dann der Gegenentwurf: „Wann wird das Verlangen nach Liebe den Wunsch nach Macht überwiegen? Wann werden wir der Wahrheit begegnen und unsere Herzen erblühen lassen?“ Ein lyrischer Text, der aufrüttelt, ergänzt durch ein fulminantes Saxophon-Solo (Harold Todd) im Instrumentalteil – wie ein Aufschrei! Ein erster Höhepunkt der Show. Weitere folgen.
Zum Beispiel, als die Bühnenbeleuchtung zu Jamaica-Farben wechselt und dem Bläsersatz aus Tenor-, Altsaxophon und Trompete den passenden Hintergrund bieten für den Bob Marley-Titel „Get up, stand up“. Überzeugend sind sie alle ausnahmslos, seine Bandmusiker: allen voran der Trompeter Ludovic Louis, der mit einem phantastischen Solo brilliert, neben den Saxophonisten Herold Todd und Michael Sherman. Überragend Gail Ann Dorsey am Bass, die mit Schlagzeuger Franklin Vanderbilt den treibenden Groove zaubert, George Laks am Keyboard und schließlich Craig Ross an der zweiten Gitarre. Sie bereiten den Boden für eine Performance, die ihres gleichen sucht. Und dann plötzlich das Unglaubliche: Lenny springt von der Bühne und läuft mit raschen Schritten flankiert von der Security mitten durchs Publikum! Sensationell! Ein Star zum Anfassen! Zum guten Schluss noch der grandiose Titel „Are you gonna go my way“. Das Publikum zeigt sich 100% ig einverstanden.
Am Ende stehen zwei Stunden Authentizität und geballte Power! Im Vergleich mit seinen früheren Konzerten in Frankfurt bisher unerreicht. Wenn also das Alter eine entscheidende Größe sein sollte, dann als ein Garant für exorbitante Qualität durch Weisheit, Reife und Erfahrung.
Ein Konzerterlebnis, das für immer unvergessen bleiben wird!
Fotos:
© Eva Mittmann