Kirsten Liese
Berlin (Weltexpresso) - Gleich zwei musikalisch wunderbare „Meistersinger“- Aufführungen galt es in dieser österlichen Festspielzeit zu erleben- in Salzburg unter der Leitung von Christian Thielemann, in Berlin unter Daniel Barenboim. Mit seiner nuancierten Pianokultur, schillernden Fliederduft-Klängen, einer stupenden Durchhörbarkeit noch in der Prügelfuge und einem spannungsgeladenen-„Wach auch Chor“ als symbolträchtigem Ausrufezeichen gelang Christian Thielemann zweifellos eine einmalige Wiedergabe.
Aber wenn daneben eine andere bestehen kann, dann die von Daniel Barenboim, der sich wie Thielemann von der Musik berühren lässt und die Partitur hingebungsvoll durchlebt.
Das ist in heutigen Zeiten nicht mehr selbstverständlich. Vor allem jüngere Dirigenten wie Kritiker-Darling Kirill Petrenko machen sich immer häufiger daran, Werken politisch beizukommen und ihnen unliebsame Eigenschaften austreiben zu wollen. Die Seele geht der Musik bei solchen Destillaten freilich verloren.
Anders als in Salzburg, wo Jens–Daniel Herzog mit seiner, wenn auch nicht ganz schlüssigen Neu-Inszenierung den „Meistersingern“ etwas von der lange Zeit verloren gegangenen Romantik zurückgibt und auf die zeitlos–menschlichen Konflikte fokussiert, war in Berlin die in optischer Hinsicht weniger festspieltaugliche Wiederaufnahme von 2015 zu erleben. Lehrbuben treten in dieser Inszenierung von Andrea Moses bisweilen als Punks mit bunten Hahnkämmen in Erscheinung, Sachs residiert zum Fliedermonolog auf einer Dachterrasse, auf der er als verkappter Alt-Achtundsechziger Hanfpflanzen anbaut und Bier aus der Pulle säuft, Eva raucht erst mal eine, bevor sie mit ihm die Krisenlage näher bespricht. Einzig die imposante Bibliothek, in der Sachs seinen Wahnmonolog anstimmt, schafft einen halben dritten Akt lang seitens des Bühnenraumes (Jan Pappelbaum) etwas Atmosphäre, danach darf man dann rätseln, warum sich der Wettstreit vor der Kulisse des wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses ereignet.
Noch dazu wimmelt es auf der Bühne an Deutschlandfahnen, Schärpen und Luftballons in Schwarzrotgold, dass man meinen könnte, es ginge um Pegida-Demonstranten. Mag sein, dass das Premierenpublikum 2015 noch unter dem Eindruck des Fußball-WM-Siegs darüber schmunzelte, aber daran zeigt sich, wie schnell sich Produktionen, die auf aktuelle Ereignisse reagieren, überleben, Effekte verpuffen.
Wagners geniale Musik ist über all das freilich erhaben. Abgesehen davon, dass die Tragödie von Notre Dame, weitere Kirchenbrände in Frankreich und Deutschland, die dieser vorausgingen, und darüber jubelnde Islamisten in den sozialen Netzwerken die viel gescholtene, berüchtigte Schlussansprache des Hans Sachs durchaus in einem anderen Licht erscheinen lassen. Spricht der Schuster nicht eine zeitlose Wahrheit aus, wenn er mit seinem Hohelied auf die deutsche Kunst dazu aufruft, ein Volk müsse seine Kultur, seine Werte und Traditionen beschützen, um sich nicht andernfalls selbst aufzugeben?
Jedenfalls gestaltete der mit den geforderten stimmlichen Reserven gesegnete Wolfgang Koch seine großen Monologe als ein souveräner Sachs mit einem in allen Registern sicher geführten profunden Bariton, höchst ergreifend vor allem in dem Moment des Verzichts, in dem er sich von Evchen losreißt, um sie Junker Stolzing zuzuführen. Den gab Tenor Burkhard Fritz solide aber ohne leuchtend strahlende Spitzentöne, wie sie – schöner denn je- Klaus-Florian Vogt aufbietet, der pikanterweise für den erkrankten Fritz einen Tag nach der Premiere in Salzburg zur ersten Berliner Festtags-Vorstellung eingesprungen war.
Alle übrigen wichtigen Partien waren in der von uns besuchten Aufführung am 18. April festspielwürdig besetzt: Julia Kleiter sang ihre Eva mit dem gebotenen Liebreiz, Martin Gantner gab als Einspringer für den erkrankten Johannes Martin Kränzle im grauen Anzug einen überwiegend ernsten bürokratischen Beckmesser, der in kurzen Pluderhosen und der Laute im Arm zumindest im zweiten Akt einmal sein komödiantisches Talent als unbeholfener Minnesänger einbringen konnte.
Zur kostbaren Entdeckung avancierte der mit feinen lyrischen Qualitäten, schönem Timbre und guter Textverständlichkeit für sich einnehmende Südafrikaner Siyabonga Maqungo, dessen schwarzer David allerdings unter all den fahnenschwenkenden Patrioten mehr wie ein Exot erschien.
Unverändert ein Clou dieser Produktion sind die Meister. Eine ganze Riege legendärer, altgedienter Wagner-Recken tritt auf, darunter Matti Salminen als Veit Pogner, Siegfried Jerusalem als Balthasar Zorn und in beachtlicher Sonderleistung der kürzlich 95 Jahre alt gewordene Franz Mazura in der Mini-Partie des Hans Schwarz!
Foto:
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Das ist in heutigen Zeiten nicht mehr selbstverständlich. Vor allem jüngere Dirigenten wie Kritiker-Darling Kirill Petrenko machen sich immer häufiger daran, Werken politisch beizukommen und ihnen unliebsame Eigenschaften austreiben zu wollen. Die Seele geht der Musik bei solchen Destillaten freilich verloren.
Anders als in Salzburg, wo Jens–Daniel Herzog mit seiner, wenn auch nicht ganz schlüssigen Neu-Inszenierung den „Meistersingern“ etwas von der lange Zeit verloren gegangenen Romantik zurückgibt und auf die zeitlos–menschlichen Konflikte fokussiert, war in Berlin die in optischer Hinsicht weniger festspieltaugliche Wiederaufnahme von 2015 zu erleben. Lehrbuben treten in dieser Inszenierung von Andrea Moses bisweilen als Punks mit bunten Hahnkämmen in Erscheinung, Sachs residiert zum Fliedermonolog auf einer Dachterrasse, auf der er als verkappter Alt-Achtundsechziger Hanfpflanzen anbaut und Bier aus der Pulle säuft, Eva raucht erst mal eine, bevor sie mit ihm die Krisenlage näher bespricht. Einzig die imposante Bibliothek, in der Sachs seinen Wahnmonolog anstimmt, schafft einen halben dritten Akt lang seitens des Bühnenraumes (Jan Pappelbaum) etwas Atmosphäre, danach darf man dann rätseln, warum sich der Wettstreit vor der Kulisse des wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses ereignet.
Noch dazu wimmelt es auf der Bühne an Deutschlandfahnen, Schärpen und Luftballons in Schwarzrotgold, dass man meinen könnte, es ginge um Pegida-Demonstranten. Mag sein, dass das Premierenpublikum 2015 noch unter dem Eindruck des Fußball-WM-Siegs darüber schmunzelte, aber daran zeigt sich, wie schnell sich Produktionen, die auf aktuelle Ereignisse reagieren, überleben, Effekte verpuffen.
Wagners geniale Musik ist über all das freilich erhaben. Abgesehen davon, dass die Tragödie von Notre Dame, weitere Kirchenbrände in Frankreich und Deutschland, die dieser vorausgingen, und darüber jubelnde Islamisten in den sozialen Netzwerken die viel gescholtene, berüchtigte Schlussansprache des Hans Sachs durchaus in einem anderen Licht erscheinen lassen. Spricht der Schuster nicht eine zeitlose Wahrheit aus, wenn er mit seinem Hohelied auf die deutsche Kunst dazu aufruft, ein Volk müsse seine Kultur, seine Werte und Traditionen beschützen, um sich nicht andernfalls selbst aufzugeben?
Jedenfalls gestaltete der mit den geforderten stimmlichen Reserven gesegnete Wolfgang Koch seine großen Monologe als ein souveräner Sachs mit einem in allen Registern sicher geführten profunden Bariton, höchst ergreifend vor allem in dem Moment des Verzichts, in dem er sich von Evchen losreißt, um sie Junker Stolzing zuzuführen. Den gab Tenor Burkhard Fritz solide aber ohne leuchtend strahlende Spitzentöne, wie sie – schöner denn je- Klaus-Florian Vogt aufbietet, der pikanterweise für den erkrankten Fritz einen Tag nach der Premiere in Salzburg zur ersten Berliner Festtags-Vorstellung eingesprungen war.
Alle übrigen wichtigen Partien waren in der von uns besuchten Aufführung am 18. April festspielwürdig besetzt: Julia Kleiter sang ihre Eva mit dem gebotenen Liebreiz, Martin Gantner gab als Einspringer für den erkrankten Johannes Martin Kränzle im grauen Anzug einen überwiegend ernsten bürokratischen Beckmesser, der in kurzen Pluderhosen und der Laute im Arm zumindest im zweiten Akt einmal sein komödiantisches Talent als unbeholfener Minnesänger einbringen konnte.
Zur kostbaren Entdeckung avancierte der mit feinen lyrischen Qualitäten, schönem Timbre und guter Textverständlichkeit für sich einnehmende Südafrikaner Siyabonga Maqungo, dessen schwarzer David allerdings unter all den fahnenschwenkenden Patrioten mehr wie ein Exot erschien.
Unverändert ein Clou dieser Produktion sind die Meister. Eine ganze Riege legendärer, altgedienter Wagner-Recken tritt auf, darunter Matti Salminen als Veit Pogner, Siegfried Jerusalem als Balthasar Zorn und in beachtlicher Sonderleistung der kürzlich 95 Jahre alt gewordene Franz Mazura in der Mini-Partie des Hans Schwarz!
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