o berliner staatsoper Eine Bilanz der Berliner Festtage, Teil 2/2

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Im Zentrum der diesjährigen Berliner Festtage aber stand die Premiere von Prokofjews selten aufgeführter Oper „Die Verlobung im Kloster“, eine Sittenkomödie à la Molière oder Goldoni. Ein Alter begehrt ein junges Mädchen, das aber einen Jüngeren liebt. Über allerlei Täuschungsmanöver, Kleider- und Identitätenwechsel wird der Störenfried am Ende ausgetrickst. Die Musik dazu ist reich an Schalkhaftigkeit und satirischem Witz.

Der Russe Dmitri Tcherniakov, der zu Daniel Barenboims bevorzugten Regisseuren avanciert ist, findet dafür jedoch keinen brauchbaren Zugang. Er versetzt das im 18. Jahrhundert in Sevilla angesiedelte Stück in einen heutigen Probenraum, in dem es nichts gibt außer alten, ausrangierten Zuschauerstühlen der sanierten Staatsoper. Als abstruse „Gemeinschaft anonymer Opern-Abhängiger“ suchen acht Personen und ein Moderator ihre Rollenbilder. Sie alle werden mittels Text-Intros vorgestellt, zum Beispiel Stephan, 39 Jahre alt, Mikrobiologe mit Scheidungsproblematik, oder „Aida“, die für den Startenor Jonas Kaufmann geschwärmt haben soll. Das hört sich zwar recht lustig an, aber die Geschichte will nicht zünden.

Auf eine Dauer von dreieinhalb Stunden wirkt das Setting ziemlich öde, schon vor der Pause hat man sich an den wenigen Mobilarien satt gesehen, Projektionen von Videobildern und frei erfundenen Texten bescheren keinen Mehrwert, lenken vielmehr nur von der Musik ab. Erst in den letzten zehn Minuten wirkt die Szene erfrischend belebt, wenn plötzlich Opernfiguren und legendäre Sängergrößen in unverkennbaren Kostümen aus dem Fundus eines großen Subventionstheaters die Bühne bevölkern, darunter Maria Callas als Tosca, Turandot und Rosina, Donizettis Maria Stuarda, Elektra mit dem Hackebeil, eine Brünnhilde mit Flügelhelm oder auch ein mit Gummischwan posierender Lohengrin.

Die mit buffonesken, ironischen, kecken Motiven und feinen Lyrismen gespickte Musik aber war eine Entdeckung wert. Nicht auszudenken, welches Potenzial die Produktion gehabt hätte, wenn ein Altmeister wie Pier Luigi Pizzi Regie geführt hätte, der sich auf die komödiantische Theaterkunst versteht, wie sich zuletzt an seinem „Barbier von Sevilla“ in Pesaro zeigte, in dem sich der Charme des Rokoko mit einer quicklebendigen Personenregie verband.

Das großartige Ensemble, dem so klangschöne Stimmen angehörten wie die von Aida Garifullina, Anna Goryachova, Violeta Urmana oder Andrey Zhilikhovsky, machte aus dem Abend zumindest ein großes Fest der Sänger. Stephan Rügamer, der es anführte, auf der Bühne gleich auch noch Trompete und Schlagzeug spielte, setzte ihm als sagenhafter Multikünstler die Krone auf.

Und so farbenreich und dynamisch nuanciert Daniel Barenboim mit seiner Staatskapelle einmal mehr musizierte, vom internationalen Publikum bejubelt, unterstrich er seine Unentbehrlichkeit für die Berliner Musikwelt. Die Debatte über ihn und seinen Führungsstil ist ohnehin schon am Verebben und sollte einer Verlängerung seines Vertrags nicht im Wege stehn.


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