Alte Oper
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der 28. August 1981 war ein Freitag, der in die Geschichte einging – jedenfalls in die Geschichte der Alten Oper Frankfurt. Es war der Tag der Wiedereröffnung, nachdem das Haus im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. Auf dem Programm des Eröffnungskonzerts stand Gustav Mahlers „Sinfonie der Tausend", am Pult Michael Gielen. „Ich war ja damals viel zu schnell!", sollte der Dirigent knapp 20 Jahre später über diese besondere Aufführung sagen, die aber doch eine typische Gielen-Interpretation war: rasant, scharf, nie dem Pathos zu nah. Michael Gielen, der nicht nur am Taktstock stets kluge, kompromisslose und meinungsstarke Kopf des Frankfurter Musiklebens, ist am 8. März mit 91 Jahren in seinem Haus im Salzkammergut in Österreich gestorben.
Auf nicht weniger als 100 Konzerte mit Michael Gielen am Dirigentenpult kann die Alte Oper zurückblicken. Der 1927 in Dresden geborene Musiker setzte sich stets und mit Nachdruck für die Werke der Avantgarde ein: Mauricio Kagel, Paul Dessau, Hanns Eisler, Krzysztof Penderecki, gerade auch Musik mit politischem Anspruch fanden in Gielen einen entschiedenen Fürsprecher. Und wenn er die neunte Sinfonie von Ludwig von Beethoven dirigierte, war der Kommentar dazu gleich mit implementiert: Er montierte zwischen den Adagio- und den „Alle Menschen werden Brüder"-Jubel-Satz nahtlos Arnold Schönbergs Werk „Ein Überlebender aus Warschau" ein, den vertonten Bericht eines KZ-Überlebenden mit abschließendem Shema Yisroel-Männerchor. Denn „die Neunte ohne den Schrecken des 'Überlebenden' ist ein Selbstbetrug", sagte Gielen. In der Alten Oper war das 2001 zu erleben, einer von zahlreichen so sehr unter die Haut gehenden Gielen-Abenden.
Stolze 65 Mal leitete Michael Gielen, von 1977 bis 1987 Frankfurts Generalmusikdirektor, in unserem Haus das Opern- und Museumsorchester, 24 Mal das SWR-Sinfonieorchester, er war Ehrendirigent beider Klangkörper. Vor genau 20 Jahren wurde ihm hier der Frankfurter Musikpreis verliehen, Mauricio Kagel hielt die Laudatio. Sein letztes Frankfurt-Gastspiel datiert auf das Jahr 2012, die Jupiter-Sinfonie war dafür ein würdiges Abschiedswerk. 2014 dann musste er sich aus gesundheitlichen Gründen vom Dirigentenpult zurückziehen.
Was das Wichtigste sei, möchte man ein guter Dirigent werden?
Als Juror des Sir Georg-Solti-Dirigentenwettbewerbs der Alten Oper Frankfurt nannte Michael Gielen einmal Erfahrung und rasche Auffassungsgabe als wesentliche Qualitäten. Allen voran aber: Mut. Diese besondere Qualität hat er über 30 Jahre hinweg auch in der Alten Oper konsequent demonstriert, dafür danken wir ihm.
Foto:
© gielen-edition.de
Info:
Weltexpresso hatte direkt nach dem Tod des so eindrucksvollen Komponisten und Dirigenten im März einen Nachruf veröffentlicht. Das nunmehrige Gedenkkonzert an der Stätte seines hauptsächlichen Wirkens: der Oper Frankfurt bietet Gelegenheit, daran anzuschließen, weshalb hier auch die Veröffentlichung der Alten Oper abgedruckt wird.
Abdruck der Mitteilungen der Alten Oper Frankfurt
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Weltexpresso hatte direkt nach dem Tod des so eindrucksvollen Komponisten und Dirigenten im März einen Nachruf veröffentlicht. Das nunmehrige Gedenkkonzert an der Stätte seines hauptsächlichen Wirkens: der Oper Frankfurt bietet Gelegenheit, daran anzuschließen, weshalb hier auch die Veröffentlichung der Alten Oper abgedruckt wird.
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