m martha argerich festival laeiszhalle hamburg 21516171MARTHA – ARGERICH – FESTIVAL HAMBURG im Juni, Teil 1/3

Wolfgang Mielke

Weltexpresso. (Hamburg) - Es gibt Konzerte, die man nicht so leicht vergisst. Die Konzerte in der an ein barockes Landschloss erinnernden Hamburger Musikhalle/Laeiszhalle im Rahmen des Martha Argerich Festivals gehören dazu.

Im vorigen Jahr wurde dieses Festival in Zusammenarbeit mit den Hamburger Symphonikern ins Leben gerufen – und erwies sich als großer Erfolg. 9000 Zuschauer in der Laeiszhalle waren dafür ein deutliches Zeichen. Ich sah, - es ist auf den Tag fast genau 1 Jahr her -, das Doppelkonzert Martha Argerich – Daniel Barnboim. Hier ein kurzer Rückblick: Das Konzert fand am Donnerstag, dem 28.6.2018 in der Musikhalle statt. Der Doppel-Auftritt Martha Argerich (*1941, Buenos Aires) – Daniel Barenboim /*1942, Buenos Aires) war der Anziehungspunkt für dieses Konzert, dessen erste Hälfte, bis zur Pause, allerdings von anderen Musikern bestritten wurde. Das ist ein wesentliches Kennzeichen des Martha Argerich Festivals: Die Pianistin tritt zwar immer wieder selbst spielend prominent in Erscheinung, gleichzeitig bedeutet dieses Festival aber vor allem ein Zusammenspiel mit anderen Musikern.

Mit manchen wie dem Cellisten Mischa Maisky (*1948) oder dem Pianisten Nelson Freire (*1944) arbeitet Martha Argerich seit mehreren Jahrzehnten zusammen. Auf einer DVD #"Martha Argerich and friends"#, die ich mir wohl in der immer interessanten, leider aber, vielleicht doch voreilig, wegen der Konkurrenz durch das Internet aufgegebenen 'Fundgrube' "2001" kaufte, einem Konzertmitschnitt von 1982, ist Martha Argerich bereits mit den beiden genannten Mit-Künstlern zu hören.

Schon dieser Mitschnitt macht deutlich, dass es Martha Argerich seit langer Zeit um ein gemeinsames Musizieren geht; auch um die Förderung junger Talente. Vielleicht liegt es mit daran, dass sie selbst in ihrer Jugend von Älteren wesentliche Förderung und Unterstützung ihrer Arbeit erhielt. Beispielsweise von Stefan Askenase (1896 – 1985), den ich selbst noch unvergessbar in der Hamburger Musikhalle hören durfte. --- Auf dem Programm stand ein Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester mit dem Titel "À la mémoire d'un grand artiste" nach dem Klaviertrio op. 50 in a-Moll. Dieses Trio stammt von Tschaikowsky (1840 – 1893); es entstand um 1881/82 – und die neue Bearbeitung stammt von Ohad Ben-Ari (*1974). - Hier einige Notizen, die ich mir während des Konzerts machte: "Ganz gut, melodisch, meinetwegen getragen; aber doch einen Tick lahm und langatmig. Es ist deutlich kein Beethoven mehr; auch wenn sein Einfluss natürlich nicht zu überhören ist. Aber da muss ein Dirigent stärkere Zäsuren machen. - Die Romantik am Ende oder als Gegensatz des 1. Satzes ist in Gefahr, ins Kaffeehaus abzurutschen. Absicht? - Der Dirigent legt das Stück auf Nachdenklichkeit an; auf ein nachdenkliches Ausklingen = 1. Satz. -- Versuche der Zergliederung. = 2. Satz. - Immer diese Energiefresser!. - Bei den 'Drei Alten Schachteln' heißt es: 'Männer verwechseln Zärtlichkeit immer mit Langsamkeit!'" --- Soweit aus den Notizen, so weit sie überhaupt noch lesbar sind. Der Dirigent war Rafael Payare (*1980, Venezuela). - Bei seinem Geburtsland fällt auch der Bezug zu südamerikanischen Künstlern auf. -----

Während der Pause wird umgebaut: Zwei Flügel werden auf die Bühne geschoben, beide versetzt aneinander gerollt oder ineinander verkeilt, könnte man auch sagen. - Der große Auftritt steht bevor. - Beide Künstler reagieren verschieden darauf: Während Daniel Barenboim am liebsten unsichtbar wäre, unruhig hin- und hergeht, abwehrend seine Backen etwas aufgepumpt hat, - sucht Martha Argerich, ihre Entourage beschäftigend, ihre angeblich verlegten Noten, eilt von Raum zu Raum, um sie zu finden, - und diese Unruhe federt ganz offensichtlich ihre Nervosität ab.

Im Moment des Auftritts sind alle diese Nebentätigkeiten natürlich von beiden Künstlern abgefallen. "SO muss es klingen!" - habe ich als erstes notiert! Da schreibt man im ersten Teil Notizen und versucht damit etwas Nicht-Erstklassiges doch noch zu verbessern und zu retten, - und dieser zweite Teil des Konzerts beweist mit dem ersten Einsatz schon, dass all diese Bemühungen um den ersten Teil letztlich vergeblich sind. Denn hier ist der Ansatz bereits so viel höher gelegen, dass die Unüberwindbarkeit des Abstands zwischen bemühter Zweitklassigkeit und Spitze nur zu deutlich ist. Sowohl Barenboim wie auch Martha Argerich sind ja das, was auch das Programm 'Weltstar' nennt. Beide eigenständige, eigenwillige Künstler. Beide von anderer Art.

Aber aus den Notizen: "Nicht immer ganz textsicher, vor allem (?) bei den schnelleren Partien. - Aber: Ein Wohlklang!!!" - Und weiter: "Er spielt gemäßigter, trockener. Sie etwas lyrischer und dramatischer. Reiche Anschlagskultur. Und doch gleichzeitige Schlichtheit. B. wird (schrumpft) zum Begleitmusiker von M. Beide bremsen sich aus, kommen sich immer wieder in die Quere. (Der Vergleich von M. u. S. drängt sich auf.)" ----- Mit "M" und "S" waren Angela Merkel (*1954) und Horst Seehofer (*1949) gemeint, beide 'Krebs' vom Sternzeichen, die immer wieder mit ihren Scheren aneinander geraten, deren Streit damals fast eine tägliche Rolle in den Medien spielte. --

Beide aber sind eigenständige, eigenwillige Künstler. Beide von anderer Art. Beide haben einen verschiedenartigen inneren Rhythmus. So gelang es nur momentweise, wirklich gemeinsam zu spielen. Martha Argerich setzte sich in diesem Duo durch, weshalb Daniel Barenboim tatsächlich manchmal den Eindruck machte, nur noch ihr Begleitmusiker geworden zu sein. - Aber es gab auch Momente des guten Zusammenklangs, schöne Stellen, die in Erinnerung bleiben. Meist waren das die im Wechselspiel vorgesehenen Einzel-Momente, bei denen das andere Klavier schwieg oder hier tatsächlich, gleich von welcher Seite aus, vom Komponisten her zeitweilig auf eine begleitende Funktion zurückgenommen war.

Das Programm: Robert Schumann (1810 – 1856) "Sechs Studien in Canonischer Form für den Pedalflügel", op. 56, (arrangiert für zwei Klaviere von C. Debussy); und von Claude Debussy (1862 – 1918) "En blanc et noir" für zwei Klaviere. - Gleich nach dem Konzert schrieb ich einer Freundin, Musikerin: #"War gerade im Konzert, Martha Argerich und Daniel Barenboim. Sie spielten zusammen an zwei Flügeln, also sozusagen vierhändig. Beide haben aber einen ganz anderen Stil, so dass ich mich ein bisschen an Merkel und Seehofer erinnert fühlte. (Wenngleich die Künstlerschaft natürlich eine andere ist.)"# - Eine Zeitung schrieb, beiden hätten wir ein altes Ehepaar gewirkt. - #"Im letzten Stück aber - einem Debussy - kamen beide sehr nah zusammen. Wie sagte Kerr einmal über einen Regisseur: 'Stufungen erreicht er; die letzte nicht.' - Aber das harmonische sozusagen Unisono war dann schon ein Ereignis und klingt nach ... klingt nach."# 

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Foto:
Martha Argerich
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