Veranstaltungsreihe: FREIES IM GESANG – 175 Jahre MUSIK im Zeichen der FREIHEIT in FrankfurtRheinMain, Teil 1
Anna von Stillmark
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Derzeit machen der Kulturfonds FrankfurtRheinMain und seine Schwester, die KulturRegion FrankfurtRheinMain vielfach von sich reden. Jetzt aber singen sie, bzw. lassen gemeinsam in über 30 Veranstaltungen singen, was gleichzeitig historisch an das erste deutsche Sängerfest 1838 erinnert, als mit dem Singen noch die gesellschaftliche und politische Teilhabe am Staat verbunden war.
Es nützt ja nichts, immer wider darauf hinzuweisen, welche Kulturausrottung die Nazis auch mit ihrer Funktionalisierung des deutschen Liedgutes vornahmen. Man traut sich ja schon fast nicht, das Wort 'Liedgut' in den Mund zu nehmen, das sie denen nach 1945 erst einmal als faschistisch angehaucht und mißbraucht, lädiert also zurückgelassen hatten. Höchste Zeit, wieder – nicht nur im Kunstlied – des Liedes und des Singens öffentlich zu gedenken und das geschieht ja auch dauern durch viele Chöre und Sängervereinigungen überall im Land.
Wenn nun des Sängerfestes vor 175 Jahren durch eine breite SingundSang-Veranstaltungsreihe gedacht wird, so ist das schon deshalb so wichtig, weil man auch aufzeigen kann, daß das Lied und das Vereinigen von Sängern in Gruppen eben kein Herrschaftsinstrument war, sondern den Widerstand gegen die Willkür von oben und die Lebensfreude der Untertanen ausdrückte, die sie im nachnapoleanischen Europa zu zeigen sich trauten. Schlimm eigentlich, daß dies noch so wenig bekannt ist und auch wir dieses Sängerfest vor 175 Jahren nicht kannten, noch etwas darüber im Internet finden konnten, weil wir ob unserer Unkenntnis diese auffrischen wollten.
Natürlich geht es mehr darum, was in der Zeit zwischen Mai bis September in diesem Jahr in FrankfurtRheinMain alles los sein wird, wenn an das Motto von 1838 FREIES IM GESANG angeknüpft wird, das vollständig lautete: . GESANG IM FREIEN. Denn in das 19. Jahrhundert gehören mit den Kämpfen für eine Verfaßtheit der Macht, erst Parlamente und König/Kaiser, dann Demokratie mit einem Stimmrecht für alle – auch der gesellschaftliche Kampf um die Freiheit des Menschen in seinen Sinnen und seiner Physis. Mit dem Gesang ist auch die Naturbewegung verbunden, die Wanderbewegung und die Turn-und Sportfeste und ihre Vereine sowie die Wandervogelbewegung, die Jugendherbergen und sehr viele Einrichtungen, die für das Volk zur Gestaltung seines Lebens eingerichtet wurden.
Das alles wird nicht nur im Singen in Konzerten aufgegriffen, wobei dem Chorsingen als gemeinschaftsstiftende Kraft von jeher eine besondere Bedeutung zukommt, sondern kommt auch in Filmvorführungen, Stadtführungen und Workshops zum Tragen – und vor allem nicht nur im 'Kulturmoloch' Frankfurt, sondern in breiter Streuung in der Region, wobei vor allem Darmstadt, Offenbach, Alzenau und Bingen zu nennen sind. In welchem Ausmaß die Region FrankfurtRheinMain zum großen Sängerfest wird, konnte auf einer Pressekonferenz beider Kulturorganisationen verdeutlicht werden, auf der Magdalena Zeller als Projektleiterin FREIES IM GESANG über das Gesamtvorhaben und die einzelnen Veranstaltungen sprach und Klaus Ritter, als stellvertretender Präsident des Hessischen Sängerbundes schon mit dem Zitat: „Turner, Sänger, Schützen sind des Reiches Stützen“ punktete. Denn das ist heute nicht viel anders, wenn man hört, daß 1, 5 Millionen Menschen in Chören vereint sind, von denen rund 800 000 aktiv singen.
Immer wieder schlug der historische Aspekt durch, denn es gibt einfach strukturelle Gründe, warum die RheinMain-Region in der Freiheitsbewegung eine besondere Bedeutung erlangte, deren Ausdruck auch die Paulskirche und die Nationalversammlung von 1848 findet. Frankfurt hatte als Freie Reichsstadt und mit einer großen Jüdischen Gemeinde auch mehr Freimaurervereinigungen als anderswo und eine Person wie Heinrich Hoffmann, der als Vater des Struwwelpeter nationale, ja sogar internationale Berühmtheit erlangte, war in Frankfurt nicht nur derjenige, der die in der Innenstadt in engen Häusern ohne Luft eingesperrten sogenannten Irren als Psychiater ein modernes Schloß – damals am Stadtrand, heute Campus Westend – bauen ließ, der als Freimaurer eine Loge verließ, weil diese Juden nicht mehr aufnahm, er war auch maßgeblich am Sängerfest beteiligt, zu dem in der frühliberalen Bewegung des Vormärz rund 2000 Sänger aus allen Teilen des Deutschen Bundes nach Frankfurt kamen. Fortsetzung folgt.