DSC04026 bereinigt 2Feierliche Eröffnung der Young Academy an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Frühbegabten-Förderung wurde an der HfMDK schon allenthalben praktiziert. Mit der Young Academy aber hat die Hochschule die bewußte Förderung von musikalisch ambitionierten Jungstudierenden zwischen 14 und 18 Jahren in eine Konzeption überführt.

Diese verspricht Nachhaltigkeit, indem sie für Beständigkeit sorgt, in Theorie wie Praxis. Zum Wintersemester haben 13 junge Musikerinnen und Musiker ihr Studium neben dem Besuch einer Regelschule aufgenommen.

Die Hochschule verzeichnet das Beispiel der 16jährigen Carla, die sich nach der Schule regelmäßig von Nordhessen auf den Weg nach Frankfurt macht, „den Cellokasten immer dabei“. Im Zuge der neuen Förderung werden die Fächer Korrepetition, Kammermusik, Neue Musik sowie Musiktheorie und Gehörbildung gelehrt.

Die Schule bewirbt Ihr Angebot auf Frühförderung knapp mit „Hauptfachunterricht am Instrument oder im Gesang“, „ganzheitliche Entwicklung der künstlerischen Persönlichkeit“ und veranschaulicht es mit: „erfahrene und erfolgreiche Professorinnen und Professoren fördern die jungen Ausnahmetalente individuell und intensiv“.

Was nochmal angesprochen werden muss: Hessen ist Schlusslicht in der musikalischen Förderung.

Dazu am Ende ein Verweis.

Die feierliche Eröffnung am Abend des 20. November dürfte weniger als eine feierliche Eröffnung im Gedächtnis bleiben. Denn vornehmlich hat sie den Versammelten das schon hohe Niveau der ersten Entwicklungsschübe vermittelt. Die Studienenden, die auch einen Klassenverband bilden können, setzten sich aus 4 Violinen und Violoncelli sowie jeweils 1 Trompete, Horn, Gitarre, Blockflöte und Klavier zusammen. 12 Auftritte wurden mit dem Arrangement des Klassikers ‚Music is my Love‘ von John Miles beschlossen, das der Gitarrenprofessor Christopher Brandt erarbeitet hatte. In diesen letzten Augenblicken musizierten alle, die die Bühne bespielt hatten, gemeinsam nochmal.
 
Bei den ‚Jungpraktizierenden‘ ist - bei aller nötigen Strenge der Form -, das Strukturell-Metaphorische noch ungebrochener in Kraft, in der Jugend färben dessen ganz eigene lebensweltliche Muster auf die Kunst ab. Das gehört zu einer jeden Grundlegung. Kommt’s dem gleich oder ähnlich, was Adorno als den Mimetischen Impuls ausgemacht hat? Daraus könnte die ganze Sache, ja der Ernst der Musik abgeleitet werden. Musik ist stets auch die mannigfaltige Lebenswelt in musikalische Motive und Muster gefasst und verfremdet.
 
Versuch des kleinen Durchgangs durch das abendlich Gebotene
 
Ein paar Streiflichter sollten sein. Die vier Abschnitte - durch Interviews mit den zuvor jeweils Aufgetretenen unterbrochen - werden mit Reinhold M. Glière (1875-1956) und Duos, op. 53, interpretiert von Leon Amelung & Carla Laetitia Schuld, Violoncello, eingeleitet. Hiervon blieb haften, dass die beiden Celli durch den Augenkontakt aufeinander abgestimmt werden konnten. Die dadurch hervorgerufene gemeinsame Rhythmisierung war das Entscheidende. Es ist wieder mal auch kein Zufall gewesen, dass die Klangstruktur Anklänge an ‚Master of Puppets‘, zumal mit dem Con moto und Vivace, von Metallica hatte, was sich später nochmal zutrug.
 
Nach der Begrüßung durch Professorin Susanne Stoodt, der künstlerischen Leiterin, ging es dann weiter mit Vincenzo Bellini (1801-1835) und dem Auszug aus „Bianca e Fernando“ für Horn und Klavier, interpretiert von Mathis Kaiser, Horn und Leyla Kristesiashvili (in Begleitung), Klavier. Das Horn überbrückte sehr erfreulich den mehrfachen Hiatus beim Aufbau dieses Stücks hinsichtlich der Phasen. Danach folgte Leo Brouwer (*1939) mit den Micropiezas für 2 Gitarren, interpretiert von Alyzée Manzey und Kayano Matthews (1. Semester BA/Bachelor of Arts, Klasse Prof. Christopher Brandt). Das Gitarren Duett war konkurrenzbetont, bekam dadurch Schmackes. Etwas zurückgenommen wurde das durch das Swingartige, das einen sogleich Jaques Tati und sein Gehen vor Augen stellte. Den Schluß des ersten Abschnitts bildete: Edvard Grieg (1843-1907) mit Passagen aus der Sonate c-Moll für Violine und Klavier, op. 45, interpretiert von Carolin Grün, Violine (ehem. Jungstudentin, derzeit BA 1. Semester, Klasse Prof. Stoodt) und Anna Naretto (Klavier, in Begleitung). Sehr lauf- und sprungbetont, mit voller Lebenslust wird Atmosphärisches im schwingenden Hin und Her eingeschleust, ein jedes Instrument zog sein Eigenes auch durch, als Paar hat das funktioniert.
 
Im Ganzen ist zu berichten, dass die Interpreten sich durchweg gut aufeinander abstimmten. Das geschieht durch Blicke, auch aus einem Blickwinkel mal und durch Bewegung, die beidseitig verstanden wird. Von Pietro Castrucci (1679-1752) und der Sonata 3 in d-Moll, interpretiert von Lukas Rizzi, Blocklöte (der auch Geiger ist) und Torsten Mann, Cembalo (in Begleitung) hat sich vor allem eingeprägt: mit Gebärde, ganz der Entstehungszeit gemäß. Von Alfred Schnittke (1934-1998), der Fuge für Violine solo, leidenschaftlich interpretiert von Pauline Hoffmann, ist im Gedächtnis geblieben: der Schrei, das Berg und Tal der Weltgeschichte (vermutlich so gemeint). Die Fuge der Gegenwart überträgt den Schrei des 20. Jahrhunderts, der da lauten könnte: Was ist denn hier bloß los?? In Erwin Schulhoffs (1884-1942) Duo für Violine und Violoncello von 1925 und dem Satz „Zingaresca“ mit Anne Sophie Luong (sie hat die Geige zum ersten Mal an der Hochschule entdeckt), Violine und Carla Schuld, Violoncello, klingen auch wieder diese heutigen Metallica an, im Stil des 'Master of Puppets'-Parforceritts, hierin scheint sich eine Grundstruktur des Lebens abzubilden, wenngleich humanisiert und weniger als schieres Abbild bitterer Realität - von Abhängigkeit -, wie in der Malerei oder Bildnerei gezeigt. Na, es hat eben auch diese Apocalyptica, die in Wacken mit Celli auftreten.
 
Bei Alexander Goedicke (1877-1957) und der Konzertetüde für Trompete und Klavier, op. 49, interpretiert von Alexandra Cramer, Trompete und Ekaterine Kintsurashvili Klavier (in Begleitung) ist das Call & Response zwischen Trompete (die führt) und dem Klavier, das sich auch einiges herausnimmt, eindringlich durch die Wechselseitigkeit der Instrumente. Mit Camille Saint-Saëns (1835-1921) und der Allegro appassionato, op. 43, interpretiert von Larissa Helene Müller, Violoncello und Leyla Kristesiashvili, Klavier (in Begleitung), kam eine Cellistin auf die Bühne, die in gesteigertem Maß sich selbst zu hören anstrengte, zur Selbstprüfung und Distanz - zu sich selbst. Sie schien daher bewusster zu greifen und zu streichen.
 
Eine Instrumentalistin gab an, dass Mitschülerinnen und Mitschüler kaum verstehen, wie jemand gar so viel zum Üben erübrigen kann, wie es geschehen muss. Eine andere ist auch bei Fridays für Future engagiert, nimmt also Partei für die Praxis in der Politik.

Die letzten drei Auftretenden waren schon so etwas wie ein Höhepunkt. Die Pianistin Eunsol Park, Klavier, hat sich Alexander Skryabin (1871-1915) mit der Klaviersonate Fis-Dur, op. 30, vorgenommen und zwar mit dem Zweitens: 'Prestissimo volando'. Die Fis-Dur ist wohl zumindest eine der Normen für ein extrem zu schindendes Klavier, aber zugleich mit höchstem Verständnis von Komposition. Die Fis-Dur fliegt nämlich per se und aus Prinzip, hebt ab. Die Extravaganz des Anspruchs des Künstlers bedingt all die Brechungen und Wendungen, die die höhere Musik der trivialen Welt entheben. Vor deren Zählung muss einer kapitulieren. Toll gemacht! Von dieser Pianistin ist noch kund geworden, dass sie, wie sie im Interview angab, nervös nur hinter der Bühne ist, von Lampenfieber aber sei nicht zu reden. Aber das aus dem Gedächtnis Spielen sei schon so eine Herausforderung. Der nächste Heroe für Violine kam mit Niccolò Paganini (1782-1840) und der Caprice No. 24, Thema und 11 Variationen, interpretiert von Tien Tran le Quang, Violine. Er war ähnlich selbstsicher und selbstgewiss wie die vorherige Leistungsträgerin, auch wieder in Fis, der fliegenden und brecherischen Tonart. Paganini muss auch mit diesem Bravourstück wohl wieder gemeint haben: Hört und seht mal her, ich mach euch alle nieder, dass ihr nicht mehr aufsteht!

Schließlich kamen noch Norwin Hahn, Posaune und Isabel von Bernstorff, Klavier mit Daniel Schnyders (*1961) geschmeidigem Rhythm in Blue. Norwin Hahn war mit 16/17 in die Klasse eingetreten und hat nun als ehemaliger Jungstudent von Prof. Oliver Siefert beim Hessischen Rundfunk den Part der Solo-Posaune übernommen. Er kommt, wenn man das so sagen darf, zeitgenössisch unterhaltend rüber, mit einem souveränen Anklang an Freejazz und erfrischend lautmalenden und kaleidoskpisch gesetzten Elementen.

Foto: © Heinz Markert

Info:
Die Young Academy geht an den Start: Konzert und Eröffnungsfeier
Mittwoch, 20. November 2019 19.30 Uhr, Kleiner Saal in der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt, Eschersheimer Landstraße 29-39, 60322 Frankfurt am Main

Verweis:
 

‚Die Opfer der Finanzmärkte im Regierungsamt sind klamm‘

https://weltexpresso.de/index.php/wissen-bildung/6624-die-opfer-der-finanzmaerkte-im-regierungsamt-sind-klamm

‚Was in kultureller Schulbildung alles verloren ginge‘

https://weltexpresso.de/index.php/wissen-bildung/6625-was-in-kultureller-schulbildung-alles-verloren-ginge