Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Was ungerecht ist, denn Black Sabbath spielen eine Liga höher als ‚Priest‘, auch wenn letztere dazu ausersehen waren, angesagte Reize des Äußeren wie ein konsequentes nieten-ledern enges Outfit und knallhart ohrwurmartige Riffs in die ultrametallische Szene der Musik dauerhaft einzubringen und dann doch im besten Sinn und nicht nur gerade mal so wie die Poser..
Indes Priest‘s Rob Halford, Exzellenz im Gesang, stimmlich das diamantene Pfund der Gruppe blieb. Denn sie hat den unvergleichlich hart-sonoren Diskant. Halford und die anderen Jungs hatten, soweit bekannt wurde, sich nach vielen Jahren der Trennung wieder dauerhaft zusammengefunden. A propo Lied und Gesang. Selbstverständlich ist Judas Priests ‚Painkiller‘ eine Ausnahmescheibe mit einem Ausnahmelied und einem Sänger der Extraklasse. Genug aber des einleitenden Vergleichs.
‚The End oft the End‘
Kürzlich hat der Sender Arte mit der über ihn gegangenen Aufzeichnung des letzten Auftritts der Abschiedstournee von Black Sabbath (2017) in der Genting Arena Birmingham, der Stadt der Stahlwerke, in der sie mental entstanden und geworden sind, nochmal den Eindruck bestätigt, dass diese Gruppe über fünfzig Jahre nach ihrer Gründung als Projekt der Glaubwürdigkeit gelten kann. Übrigens: Stahlproduktion und Heavy Metal, das liegt nah beieinander.
Die Formation hat über die Jahre, abgesehen von schwierigen Phasen und Wechselfällen, auch personelle Veränderungen erlebt, konnte sich im Kern aber stets behaupten, auch thematisch, nicht nur mit den gegen die Bürgerwelt gerichteten antibürgerlichen Posen und Provokationen. - Warum diese? Weil die bürgerliche Welt die negativen Seiten des Lebens überformend unter den Tisch kehrt und die Künstler das anders sehen.
Die Lyrics handeln von Missständen, wie u.a. ‚Wicked World‘ oder ‚War-Pigs‘. Die beständige Entwicklung der Gruppe könnte im Gang der Zeit von Anbeginn beschlossen gewesen und sich im neuen musikalischen Genre des Schwermetalls niedergeschlagen haben, wie eben alles, was im Lichte der menschlichen Existenz besehen, mal gut, mal schlecht ist, irgendwie immer auch die Kunst erreicht. Wobei die Gattungsexistenz nun mehr und mehr ins Schlingern gerät und möglicherweise dabei ist, sich aus der Bahn zu katapultieren. Wie viele Planeten werden es wohl schaffen, die Idee der humanisierten Menschheit inmitten einer geachteten Natur dauerhaft zu erhalten und doch nicht vorher noch an sich selbst zu scheitern und unterzugehen. Eben solche grundlegenden Fragen und mögliche Antworten schwangen in den Kompositionen und Klangkörpern der Gruppe immer schon mit, wenngleich Spaß haben, mit Headbanging, Stage-Diving, Moshing und die Refrains der Gruppe aus dem Publikum heraus übernehmen, stets auch legitime Größen waren und bleiben. Metal-Fans bewegen sich entschieden auf Pfaden der Unbürgerlichkeit. Aber eigentlich sind sie nur die anderen Bürger.
Wo es begann, sollte es auch enden
Für den Sender Arte erschien es angezeigt, das Abschlusskonzert nochmal auf Sendung zu bringen. Der Auftritt in Birmingham, also auf den Brettern von zuhause, ist nicht nur sorgfältig geschnitten. Es wurde zu keinem Fiasko, dass Kracher – wie es in der Zeitschrift Rock-Hard gern heißt – durch Einschübe, Statements und Erklärungen der Gruppenmitglieder unterbrochen werden, um das, was die Band musikalisch und moralisch treibt, klarer werden zu lassen. Ich war von Anfang nicht Fan von Black Sabbath – der Name ist vornehmlich Pose, nicht Rechtfertigung von inhaltlich Abgründigem oder Fragwürdigem, sondern an Weltzustandsbeschreibungen geknüpft. Fan wurde ich zunächst nicht, da ich ‚Ironman‘ affirmativ auffasste und nicht als Parodie, als Durch-den-Kakao-Ziehen des Bezeichneten. Hingegen war ‚Paranoid‘ nicht nur sofort einsichtig, es war und ist rhythmisch wie kompositorisch ein genialer Wurf. Der ist für die Ewigkeit gemacht, was auf Tanzflächen immer wieder bestätigt wird.
Eine Seriosität kam immer mehr zum Vorschein
Sie hängt von der Kompositions- und Spielweise ab. Zeige mir wie Du komponierst, wie Du entwickelst und ich sage Dir, wer Du bist - was für etwaige Gedanken und Schlussverfahren Du hast, wenn die Hände in winzig gemessenen Bruchteilen von Sekunden übers Griffbrett gleiten und die Momente treffen, zu denen die Wechsel und Wendungen kommen müssen, was nur eine andere Illustration für das berühmte Riff ist, also die Art der musikalischen Gravur. In diesem Sinne ist für ‚Sabbath‘ Tony Iommi der Mann geworden, der der Gruppe die Einzigartigkeit, die nur von einem Weltgeistprinzip abstammen kann, verliehen hat. Die Wendungen und Brüche, auf die die Musikkritik so großen Wert legt, sind mit Tony Iommi momentgenau auf den Punkt, auf Komma und Strich präzis getroffen und werden es noch immer weitergehend. Das kann mit Fug und Recht als Begnadung gelten, die rar gesät ist.
Mit der Zeit wurde klarer, dass das Rütteln an den Weltverhältnissen, das durch Faxen und magisch-ausladende Gebärden des charismatischen Sängers Ozzy Osbourne bis zum Äußersten unterhaltungstechnisch überlagert wird - weil er sich im Zentrum sehen will - stets mitschwingt; ein durchgängig unterschwelliges Motiv des Gruppengeistes ist. Das war vom Anfang her nicht so klar, was für die Gruppe spricht, denn sie wollte nicht dick auftragen und belehren. Aber mit der Zeit werden Rebellen auch gesetzter und dadurch glaubwürdiger.
John „Ozzy“ Osbourne, dem sein zuweilen greinender Gesang angeboren zu sein scheint, hatte sich 1978 von der übrigen Gruppe gelöst und ist mit angeheuerten Musikern auf Solo-Karriere gegangen. Allein zwischen 1980 und 1997 hat er 12 Alben vom Stapel gelassen. Noch am 21. Februar dieses Jahres hat er das neue Album ‚Ordinary Man‘ veröffentlicht. Auf dem Gipfel der Selbständigkeit trat er spektakulär und wie immer ganz der Alte im Jahr 1990 auf dem Moscow Music Peace Festival in Aktion. Seiner ursprünglichen Formation wollte er nicht bis zur Sarglegung angehören. Der eigenen Zusammenstellung gehörten zunächst „Bassist Bob Daisley (ex-Rainbow), Drummer Lee Kerslake (ex-Uriah Heep) und Gitarren-Wunder Randy Rhoads (ex Quiet-Riot) an“ (vergl. RockHard-Enzyklopädie, 1997). Zur Zeit des besagten Moskauer Festivals hat er den zunächst völlig unbekannten Gitarristen Zakk Wylde angeheuert, „der Randy Rhoads´ Rhythmen mit waghalsigen Melody-Lines koppelt“ (ebenda). Die Reihe der Veränderungen und Umbesetzungen ist für normal Sterbliche nicht wirklich zu durchschauen. Ozzy ist ein Naturtalent des Genres, was leicht verkannt wird.
Im Vollzug des ewigen Lebens musikalischer Naturen
Ein Grund für meine Skepsis könnte auch gewesen sein, dass die Riffs von Sabbath immer den bedrohlichen Anklang hatten, den sie in schwerlastig schreitenden Akkordfolgen verbreiteten. Seht Euch vor!, war damit gemeint. Aber jetzt, da es in der Welt aufgrund deren Zusammengeschlossenheit tatsächlich apokalyptisch zu werden beginnt, jenseits bekannter Systeme - denn das globalisierte Kapital ist ein Grund, aber nicht der einzige, ein anderer ist auch gattungsgemacht und naturverhängt – wird klar, dass das Bedrohliche in den Dingen und Verhältnissen selbst liegt und schon gar nicht den Überbringern der bedrohlichen Kunde angehängt werden kann.
Sehr reizvoll für den Film über den letzten gemeinsamen Auftritt geriet das anschließende – und mehrfach eingeblendete - Rehearsal, die Probe und das Experimentieren über drei Tage nach dem großen Gig, das die Band sich Im Angelic Studio, Oxfordshire, gönnte, um nochmal gemeinsam zu proben, auszuprobieren und ggf. etwas neu einzuspielen. Sie sind also immer noch die alten Kumpels, die nicht voneinander lassen können. Das Leben hat sie zusammengeschweißt.
Am Ende fragt Ozzy Osbourne: Wo sind all die 80-er-Jahre-Gruppen hingekommen? Das waren alles Eintagsfliegen. Auch die anderen sind überzeugt: Black Sabbath sind größer denn je. Die Drogenprobleme sind überwunden. Tony Iommi ist von einem Krebs wieder gesundet. Er hatte keine guten Heilaussichten. Kurz nach der Therapie hat er sich sofort wieder an seine Arbeit für das neue Album gemacht. Nun spielen sie besser denn je. Es wird keine Welttournee mehr geben, aber Einzelprojekte wären möglich. Am Ende singt Ozzy die Ballade (begleitet von Tony an der elektrischen Klaviatur): ‚I´m going through changes‘. Ozzy ist nicht zu unterschätzen, er ist der Lyriker, Songschreiber und Ideenlieferant, spielt ausgezeichnet Mundharmonika, Tony Iommi ist der Riffmacher. Ozzy verabschiedet sich aus dem Übungsraum mit: „This ist The End. Now fuck off“. Einer, der uns den Rücken zukehrt (es war wohl Geezer Butler, der unübertreffliche Bassist), salutiert: „How You wish My Lord“. Die Konzerte von Black Sabbath haben viel von einem rauschhaften Hexen-Sabbath.
Fotos:
Arte, The End oft he End
Info:
Film zur Abschiedstour, Black Sabbath, The End of the End