Der diesjährige BINDING KULTURPREIS wurde an die beiden Jazzer im Frankfurter Römer verliehen

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das war am heutigen Vormittag rundherum eine feine Veranstaltung im Kaisersaal des Frankfurter Römer, dem es auch gut tat, daß in seiner heiligen Halle mit all den deutschen Kaisern es auch mal fetzig und gutgelaunt zuging, wozu dann auch noch entscheidend die beiden Preisträger als Dankeschön mit ihren Instrumenten, dem Tenor-Saxophon und dem Klavier, beitrugen.

 

Wer die gute Laune noch nicht hatte, bekam sie während dieser Feierstunde, die zeigte, daß man Wichtiges auch elegant und charmant anbringen kann, was Bergit Gräfin Douglas als Vorsitzende des Vorstands der Binding Kulturstiftung sogar noch mit dem Binding-Bierglas in der Hand bewies. Zuvor hatte Oberbürgermeister Peter Feldmann den vollbesetzten Saal begrüßt und auf die Verbundenheit der Stadt mit dem Unternehmen und seinem Preis hingewiesen, der dieses Jahr zum 18. Mal verliehen wird und bedeutende Vorgänger hat, wie 1996 das Ensemble Modern, das Jahr darauf u.a. den unvergessenen Sänger des Siegfried aus dem Frankfurter Ring, William Cochran, später die Frankfurter Chöre, 2001 den Stroemfeld Verlag, auch die Vertreter der Neuen Frankfurter Schule, vorneweg Robert Gernhardt, das Literaturhaus Frankfurt, Heiner Goebbels …

 

Man sieht, den mit 50 000 Euro dotierten Preis können Institutionen wie Einzelpersonen aus allen Bereichen der Kultur erhalten. Die Preisträger eint ein Zweites, das in der Satzung festgelegt ist. Der Preis soll „Künstler oder kulturelle Einrichtungen aus dem Rhein-Main-Gebiet“ hervorheben, „deren Wirken und Schaffen über die Region hinaus Aufmerksamkeit und Anerkennung gefunden haben“. Das gilt für den 1932 in Merseburg geborenen Heinz Sauer genauso wie für Michael Wollny, der 1978 in Schweinfurt zur Welt kam. Es gilt für sie einzeln und als Jazz-Duo, deren Musik die Vorstandsvorsitzende „gerne hört, aber nichts davon versteht.“ Das Entscheidende hat sie aber sehr wohl verstanden, denn sie hebt am Schluß ihr „Römer-Pils“ auf eine Musik, „die das Leben leichter, tiefer und lebendiger macht.“

 

Andreas Bomba, Mitglied der Preisjury und für Musik auch im Hessischen Rundfunk zuständig, hielt die Preisrede, die beides hochhielt, den Jazz und die beiden Preisträger. Denn tatsächlich versöhnt dieser Preis in der Stadt Frankfurt diejenigen, die damit hadern, daß aus der Stadt des Jazz in der Nachkriegszeit, wo sie nicht nur dessen heimliche Hauptstadt war, eine Stadt geworden ist, in der noch Jazz gespielt wird, aber nicht mehr mit dieser Durchschlagskraft und Vehemenz von ehedem. Bomba erinnerte – und das mußte in diesem Kontext einfach sein – an den gerade verstorbenen Fritz Rau, der zusammen mit Heinz Lippmann hierzulande die Infrastruktur aufgebaut hatte, daß Frankfurter wie Emil und Albert Mangelsdorff mit Auswärtigen hier ein Jazz-Zentrum errichten konnten.

 

Dazu paßt, daß vor 60 Jahren, 1953, das erste Frankfurter Jazzfestival stattfand, das - früher im Zwei-Jahres-Rhythmus – dieses Jahr vom 24. bis 28. Oktober als Deutsches Jazzfestival seine 44. Wiederkehr feiert. Bomba nannte im Zusammenhang mit den alten guten Jazzeiten in Frankfurt auch die Namen Carlo Bohländer und den jüngeren Heinz Sauer. Denn tatsächlich ist Sauer schon sehr lang in Frankfurt tätig und für sein unverwechselbares Spiel auf seinem Tenor-Saxophon unter Kennern bekannt – und das nicht nur in Frankfurt, sondern auf der ganzen Welt. Kennzeichen der Kompositionen und Improvisationen des Autodidakten, die er rund 15 Jahre in den Bands von Albert Mangelsdorff spielte, ist eine „kehlige, knurrige Klangfärbung“, die im übrigen das Saxophon als „atmenden Menschen“ erscheinen lasse.

 

Heinz Sauer selbst sagte dazu, daß in der Frankfurter Trümmerlandschaft er keine Trümmer wahrgenommen habe, sondern nur die gewonnene Freiheit, die ihm die GIs im Bahnhofsgebiet in den Jazzkellern mit ihren „sehr guten Armybands“ boten, was er aufgriff und versuchte, so 'free' und mit 'solchem Swing' zu spielen. Im übrigen habe ihm Albert Mangelsdorff ein Geheimrezept verraten. Der hatte ihm geraten, „nicht so viele Platten zu hören, sondern jeden Tag einen neuen Ton zu erfinden“, was ja bedeuten soll, nicht in Routine zu verfallen. Daran habe er sich gehalten und tatsächlich ist die Klangvielfalt und die Klangfärbung sein hervorstechendes Merkmal.

 

Die Qualitäten von Heinz Sauer haben eine neue Dimension im Zusammenspiel mit dem jungen Pianisten Michael Wollny bekommen, wobei das genauso umgekehrt gilt. Wollny hat eine klassische Pianistenausbildung und legt auch Wert auf sein musikalisches Herkommen aus westeuropäische Musiktradition, die ihm die Grundlage gibt, mit Phantasie und Kreativität Neues auszuprobieren, was sowohl auf die Einverleibung des Jazz wie auch Musiken anderer Bereiche gilt. Beiden gelingt es seit dem Jahr 2001 als Duo eine Sehnsucht der Musik in perlende Töne umzusetzen: zum einen verschwindet ein Altersunterschied beim Zusammenspiel, weil nur das Aufeinanderhören und gegenseitige Reagieren gilt, das beide beherrschen und sie frei macht, aus Einzeltönen wie bekannten Melodien etwas ganz Neues zu ersinnen und zu erspinnen. Damit sind beide sowohl Traditionalisten wie auch Vorreiter für einen Jazz, dem die Zukunft gehört.

 

Das konnten alle die hören, die der Preisverleihung lauschten, deren Höhepunkt das kleine Konzert zum Schluß war, dessen Töne und Klangfärbungen man mitnahm.

 

P.S. In ihrer Ansprache bekannte Gräfin Douglas, den Geburtsort von Heinz Sauer, Merseburg, nur vom Cricketspielen in ihrer Kindheit zu kennen. Wenn der Ball weit ins Aus befördert wurde, hieß es: „Ab nach Merseburg!“ Leider kam keiner auf diese auch uns interessierende Frage zurück. Wir kennen aber auch Merseburger Sprüche. Das sind die Merseburger Zaubersprüche. Da gibt es zwei Zauberformeln in Althochdeutsch, die Fesseln lösen können oder sogar Kranke heilen können. Und diese werden noch heute durch Mittelalter-Rock-Bands als gesungene Verse geboten.

 

Foto:

Auf dem Bild (von links nach rechts):

 

Dr. Andreas Bomba (Mitglied des Kuratoriums der Binding Kulturstiftung), Otto Völker (Vorstand der Binding-Brauerei), Michael Wollny (Bindig Kulturpreis Preisträger 2013), Gräfin Bergit Douglas (Vorstand der Binding Kulturstiftung), Heinz Sauer (Bindig Kulturpreis Preisträger 2013), OB Peter Feldmann

.