Nochintendant Barrie Kosky stellt DAS PROGRAMM DER KOMISCHEN OPER BERLIN vor
Wolfgang Mielke
Berlin (Weltexpresso) - Die erfolgreiche Spielzeit 19/20 endete Mitte März 2020 aus coronalen Gründen. Das ganze Land, die ganze Welt leidet unter den Schutzmaßnahmen gegen dieses Virus. Deutschland steht, was Infizierte (also Angesteckte, aber später auch zum überwiegenden Teil Resistente) und bereits Tote angeht im internationalen Vergleich gut da. Aber auch in finanzieller Hinsicht kann in Deutschland mehr abgefedert werden als in anderen Ländern dieser Welt. Die oft verspottete "schwarze Null" hat sich ganz offensichtlich bewährt.
Barrie Kosky kommt wie in Ferienlaune im T-Shirt auf die Bühne, auf der, in gemessenem Abstand, die beiden Sessel für die beiden Gesprächspartner stehen: Links für die kommende Intendantin Susanne Moser, die die Leitung des Hauses ab der Spielzeit 21/22 gemeinsam mit Philip Bröking übernehmen wird, und rechts für Barrie Kosky, der nach 2020 dem Haus als Regisseur für fünf Jahre noch erhalten bleiben soll. Barrie Kosky ist ebenso umtriebig, wie er die Übersicht hat.
Die Corona-Krise bedeutete einen heftigen Einschnitt. Aber man begriff schnell, dass es nun darum zu gehen habe, das Beste daraus zu machen. Das scheint gelungen. Kosky und Susanne Moser stellen den neuen Spielplan vor. Aber Achtung: Nicht den Spielplan für die gesamte Spielzeit 20/21, sondern vorerst nur den Spielplan für die Monate September bis Dezember. Denn alle paar Tage können sich ja die Rahmenbedingungen und Auflagen ändern. Niemand kann voraussagen, was im September sein wird. Oder im November oder Dezember. Es kann besser sein als heute, was natürlich gehofft wird, aber es kann ebenso auch schlechter sein, strengere Auflagen geben, die sogar den jetzigen Plan wieder umwerfen können, oder es bleibt, wie es derzeit ist. Für alle Eventualitäten sind Vorkehrungen getroffen. "Wir können auch innerhalb von 48 Stunden jede der von uns geplanten Inszenierungen oder variierten Wiederaufnahmen der neuen Spielzeit vergrößern auf ein volles Orchester, vollen Chor – und die Opern ohne Abstandsgebot spielen! - Aber wir sind auf Alles vorbereitet! Wir hoffen immer auf das Beste, aber wir rechnen auch immer mit dem Schlimmsten."
Die neue Spielzeit wird 5 neue Inszenierungen bringen. "Die Worte 'reduziert' und 'klein' habe ich aus unserem Wortschatz verbannt!" - verkündet zuversichtlich Barrie Kosky. Es sei auch nichts Ungewöhnliches, dass die Größe des Orchesters oder Chors den Möglichkeiten der Spielstätte oder auch finanziellen Engpässen angepasst wird. "Das hat es in der Theatergeschichte immer gegeben! Wir müssen jetzt improvisieren! Und ich verspreche Ihnen: Niemand wird enttäuscht sein! Die Komische Oper wird auch in redu--- ah! Das Wort haben wir ja verboten! Also in dieser neuen, konzentrierteren Form ein vollwertiges Opernhaus bleiben!"
Mit dem Monodrama "Pierrot Lumaire" von Arnold Schönberg wird das Haus in Barrie Koskys Inszenierung am 30.9.2020 wiedereröffnet. - "Wir haben die Zuschauerzahl auf 344 verringert", führt Susanne Moser weiter, "jedenfalls nach der heutigen Erlaubnis. - Sollten wir die Zuschauerzahlen noch erhöhen dürfen, wäre es technisch kein Problem, die Sitzabstände umgehend etwas zu verringern. - Wie Barrie schon sagte: Wir sind auf alles eingestellt."
Mit dem Liederzyklus "Mondnacht" mit Liedern von Robert Schumann wird das Programm fortgesetzt. Die Lichtregie wird hier, ebenso wie auch in der "Iphigenie", eine wesentliche Rolle spielen. "Ich sage immer meinen Schülern", ergänzt Barrie Kosky, "wer nicht auf einer nackten Bühne inszenieren kann, sondern nur in einem fertigen Bühnenbild, ist für mich kein Regisseur!"
Glucks "Iphigenie auf Tauris" ist die vierte Neuinszenierung der kommenden Spielzeit; mit Nadja Mchantaf in der Titelrolle, Dominik Köninger als Orest und Tansel Akzeybek als Pylades. - Paul Abraham hat die Operette "Die Blume von Hawaii" geschrieben, die ebenfalls von Barrie Kosky inszeniert werden wird. - Natürlich wird der aufmerksame Leser gemerkt haben, dass die 3. Neuinszenierung noch übersprungen wurde. Nicht zufällig. Es ist Jacques Offenbachs Opéra Bouffe in drei Akten "Die Herzogin von Geroldstein", - einst, wie man lesen kann, mit Peter Franke und Angelika Thomas ein Sensationserfolg im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Die Premiere ist für den 31.10.2020 angesetzt; und natürlich wird diese Opéra Bouffe auch Silvester gespielt werden.
Aber die Komische Oper tritt selbst auch als Kunstförderer während der kommenden Spielzeit auf: Sie stellt das Haus mit seinen technischen Möglichkeiten Gob Squad mit der "Super Night Show" zur Verfügung, - denn nicht fest engagierte Künstler leiden in aller Welt! - Es ist dies ein einstündiges Multi-Screen-Video, das unmittelbar vor Eintreffen des Publikums im Theater entsteht und sich erstmals – ungeschnitten – vor dessen Augen entfaltet. Das magische Berlin voller Überraschungen und Zufällen!
Neben den 5 Neuinszenierungen werden zwei Inszenierungen aus dem Repertoire wieder aufgenommen: "Eine Frau, die weiß, was sie will!" (was ja, wie mir scheint, auf viel mehr Frauen als Männer ohnehin zutrifft) und Mozarts "Zauberflöte". Beide Inszenierungen werden gemäß den Anti-Corona-Sicherheitsbestimmungen auf die Bühne gebracht, das heißt mit einem verknappten Orchester, Sicherheitsmaßnahmen hinter Bühne, Abstandsregeln etc. - All diese Einschränkungen können, - wir greifen das noch einmal auf -, "innerhalb von 48 Stunden" wieder aufgefächert werden. - Aber auch so werden diese Opern ein ganz neues Hör- und optisches Erlebnis sein. Man darf, man muss gespannt sein!
"Wir werden", führt Susanne Moser auf eine Frage aus dem Publikum aus, "in der kommenden Spielzeit nur noch vier Preisgruppen haben. Alles wird vereinfacht, um den Ablauf mit den Corona-Auflagen jederzeit gewährleisten zu können. Die Eintrittskarten für all das herrliche Kommende sind übrigens ab Juli schon erhältlich. Die teuersten Karten werden 79,-- Euro kosten, hinuntergestaffelt bis 12,-- Euro. Bei kleineres Formaten auf 12,-- Euro heruntergestaffelt von 54,-- Euros aus. - Und wo wir hier gerade vom Geld reden, möchte ich noch einmal ganz herzlich allen Spendern danken, die mit ihrer Spende dieses Opernhaus mit am Leben erhalten! Wir haben sogar ein erhöhtes Spendenaufkommen festellen dürfen! - Wir sind zuversichtlich, dass wir, - vorausgesetzt, es wird alles so ablaufen, wie es sich im Augenblick abzeichnet -, am Ende des Jahres 2020 sogar mit einer ausgeglichenen Bilanz darstehen werden."
"Schauen Sie", ergänzt Barrie Kosky, "ich bin für 550 Leute verantwortlich, die an diesem Haus arbeiten! Ich bin aber auch dem Senat und den Steuergeldern gegenüber in der Verantwortung, ebenso den Zuschauern gegenüber, das ist selbstverständlich, - und: den Forderungen der Kunst! - Große Projekte haben wir erst einmal verschoben. Was wir jetzt leisten können, ist konzentriert, aber auch so schon außergewöhnlich. - Normalerweise bekommt dieses Haus 30 Millionen Euro Subventionen. Aber wir sind auch vorsichtig. Eine solche staatliche Unterstützung, wie wir sie – und dafür sind wir sehr dankbar! - in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern dieser Welt erhalten, -- schauen Sie einmal nach London: da ist die gesamte Konzert- und Oper-Szene tot --, wird, sollte Corona weitergehen oder sich wieder verstärken, nicht immer zur Verfügung stehen können. - Darum haben wir beispielsweise für die "Herzogin von Geroldstein" zwei völlig unabhängig voneinander arbeitende Besetzungen. Falls ein Mitwirkender infiziert wird, kann immer die andere Besetzung auftreten. - Oder wir haben schon gleich im März 75 Home-Office-Arbeitsplätze eingerichtet. - Auf diese Weise schützen wir uns und andere. Und ich bin sicher, dass wir diese Krise überstehen werden!"
"Unsere Auslastung", legt Susanne Moser dar, "für die Teilspielzeit 19/20 lag bei 89%. Wir hatten 146.000 Besucher bei 152 Vorstellungen. - Corona bedeutet für uns 4,5 – 5 Millionen Euro weniger Karteneinnahmen. Da aber auch ergänzende Möglichkeiten wie Vermietung einzelner Räume etc. wegfallen, werden wir in dieser Spielzeit etwa 6 - 7 Millionen Euro zu wenig einnehmen. Auch daher danken wir allen Spendern und Helfern ganz besonders! - Schon jetzt sind wir, seit Juni, mit kleinen Opern-Angeboten etwa in der Gropiusstadt gewesen, um deutlich zu machen: Es gibt uns nach wie vor! Auf die Komische Oper darf sich Berlin verlassen!"
Und Barrie Kosky stellt abschließend fest: "Ich sage immer: 'Kunst ist das Brot für die Seele!' - Insofern sind wir für Große und Ganze unseres Landes von großer Bedeutung. Das müssen wir uns immer bewusst machen!"
Fotos:
© W.M.