Heinz Markert
Frankfurt am Main – (Weltexpresso) Also doch Klassiker. AC/DC haftet im weniger kundigen Milieu der Makel an, dass sie im Vergleich mit anderen Größen der schwermetallischen Szene als eher leichtgewichtig einsortiert werden.
Obgleich sie als Meister des Schwermetalls, die auch zu dosieren verstehen, im engeren und weiteren Umkreis des Genres zum Paradigma wurden.
Ihre energiegeladene, überwältigende Bühnenshow ist einen Eintritt wert, auch wenn damit nicht das gewichtig-ernste Fach die Bühne entert. Gegen den von oben herab schauenden Blick richtet sich vornehmlich ein legendäres ‚Hells Bells‘, das die Gruppe um die Brüder Angus und Malcom Young - an der Rhythmus- und Lead-Gitarre - jedes Mal dem frühverstorbenen ersten Shouter Bon Scott widmet.
Der Klang der großen ‚Höllenglocke‘ über der Bühnenmitte, die zu Beginn des Gedenkens wohlabgewogen von den langsam einsetzenden Anschlägen der Rhythmusgitarre nach und nach veredelt wird, lässt immer wieder wohlig erschauern, auch zu Hause, an der Anlage. Die Lautsprecher sollten einen kräftig schwingenden Druck haben. Das macht den Sound und Thrash. Muss Musik unweigerlich fast unspielbar komplex in Stil von Dream Theater daherkommen, um sich die Anerkennung der ernsten Welt zu verdienen? Die ohnehin diverse Ansichten über allerlei Musik zu hegen pflegt.
‚Let there be Rock‘ und ‚For Those about to Rock‘ sind die Leitgedanken
‚High Voltage‘ soll nicht vergessen werden. Gradliniger Rock und Metal müssen gleichzeitig mit der Weltentstehung entstanden sein, besagt die Kunde der Gefolgschaft. Das neueste Teil von AC/DC hat was von einem krönenden Abschluss, ohne dass es als Alterswerk zu bezeichnen wäre. So etwas gibt es unter Rotzlöffeln nicht. Denn Alter ist für die Gemeinde der ‚Metaler‘ kein Thema, sie schauen als illusionslose Bürger aufrecht dem Unausweichlichen entgegen, ganz im Sinn des ‚Glory to the Brave‘ von Hammerfall. Die Haltung der Metaler ist stoisch und gefaßt. Jegliches Vergängliche in der Zeit ist nur Element der Schöpfung, Katastrophe oder Apokalypse, die – wenn auch nicht wirklich heraus posaunt – zur eigentliche Grundüberzeugung der Gemeinde gehört. Wie wir nun sehen, ist das nicht ganz von der Hand zu weisen, denn Leben ist von Natur aus der Gefahr ausgesetzt, so sehr sich einer auch dagegen sträubt.
Wie immer sind auch diesmal die einzelnen Songs als gebotenes Material für Wahrnehmung und Erkenntnis im Medium der Musik zu verstehen. Es geht um Wahrnehmung, nicht um Propagierung oder Bestätigung. Auch die unbürgerliche Musik ist analytisch, nicht apologetisch. Das im übertragenen Sinn zu verstehende ‚Shot in The Dark‘ ist Chiffre des Unkalkulierbaren, wer wollte bestreiten, dass Unglücke und Widrigkeiten vornehmlich überraschend auf den Plan treten. Die Bildlichkeit der grollenden Titel hat immer lebensweltliche Bezüge.
Für alle, denen Rock und Metal Lebenselixier wurde, lautet die Devise: ‚Kick you when your down‘, while robbing ‚Through the Mists of Time‘ (wie der Song davor titelt). Unser Robben kommt von Robbe. Über der Reihe der 12 Songs steht das programmatische ‚Realize‘. Die Stücke sind alle strikt knapp gehalten, pendeln um die 3 Minuten. Aber die Kürze sorgt für den Effekt.
AC/DCs felsenharter Rock wird aus der Bewegung der rhythmisch versierten Hand geschlagen. Aber er geht diesmal irgendwie runter wie Eierlikör. Die juvenilen und spätadoleszenten Gründe der Auseinandersetzung mit der Welt enden nie. Dadurch entstehen in gegebenen Kreisen so etwas wie Ikonographien, die ohnehin Musik und Kunst bestimmen. ‚Play Your Game‘, auch wenn Du abgewiesen oder verlacht wirst. Leben ist Gratwanderung. ‚T.N.T‘ ‚Highway to Hell‘ und das angesprochene ‚Hells Bells‘, wer hat diese ikonographischen Klassiker noch nicht zumindest anspielen gehört?
Es lässt sich unüberhörbar Klassizität vernehmen
Das neue Album von AC/DC hat den bekannten Schwipp der Rhythmushand - wie gehabt -, aber im Ganzen kommt die Zusammenstellung an wie ein Abschlusswerk. Zumindest hat es diese Qualitäten. Es ist komplett ein Ganzes, nur mit Phasen, die die einzelnen Songs liefern. Das späte Werk wirkt abgeklärt, fast gediegen, was kein Nachteil ist. Das macht das Ohrwurmartige, allerdings mit Bedacht gesagt. Vielleicht ist es beim nächsten Mal wieder ganz anders.
Es wird in den Soli-Partien nicht ausladend gefiddelt, sondern sparsam auf den entscheidenden Moment hin entwickelt; die Wendungen werden herausgearbeitet, entstandene Spannung nach und nach gelöst und Erfüllung tritt ein. Damit kommt etwas von der Chiffre des Ewiggleichen und sich Wiederholenden im Sein und Werden zur Präsens. ZZ-Top legen das ganz ähnlich hin, weswegen sie sich mit AC/DC in naher Verwandtschaft befinden.
Im Frankfurter Livemusik-Lokal 'Spritzehaus', das die Immobilienwirtschaft und damit die CDU als spezielle Freundin der Immobilienhaie auf dem Gewissen hat, spielte in den Neunzigern eine Band, deren Name mir leider entfallen ist. Sie war klasse! Sie stellte die Band AC/DC herzerfrischend nach und zwar nahezu originalgetreu. Auch sie hatte ihren Angus Young, der in der originellen Schuluniform und mit den dazu passenden Faxen und Gebärden an der Gitarre und beim Schreiten auf den Bühnenbrettern Young wie in einer gekonnten Kopie glich, aber auch die Gibson SG ebenso heftig traktierte. Dieser Angus soll griechische Wurzeln gehabt haben und die Familie betrieb ein Lokal in Frankfurt.
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Info:
Die einzelnen Songs in Reihe: Realize, Rejection, Shot in the Dark, Through the Mists of Time, Kick you when Your down, Witch`s Spell, Demon Fire, Wild Reputation, No Man`s Land, Systems down, Money Shot, Code Red