DAS SCHLESWIG-HOLSTEIN MUSIK FESTIVAL (SHMF) während des Wahlsommers 2021, Teil 1
Wolfgang Mielke
Hamburg (Weltexpresso) - I. Man kann das sagen: Es gibt ein Gefühl von Freude, dass Konzerte wieder möglich sind; und - jedenfalls in Schleswig-Holstein - weitgehend ohne Corona-Beeinträchtigungen bis - Belästigungen, je nach dem. In Schleswig-Holstein, was das betrifft, ist die Welt weitgehend vernünftig; entspannt; normalisiert – und damit ein Ausgleich für die Blödsinnigkeiten des Wahlkampfs.
Auf die Konzerte freut man sich; freut sich, etwas Angenehmes bis Beeindruckendes zu erleben; auch mal andere Menschen zu sehen und andere Räume - und nicht zuletzt natürlich auf den Kunstgenuss. - Theodor Fontane (1819 – 1898) schreibt in seinem Roman "Die Poggenpuhls" (1896): #"'Wir können dir nicht viel bieten, aber wir haben doch die Aussicht auf den Matthäi...' - 'Ich weiß, Albertine', sagte der General. 'Alles sehr schön. Aber offen gestanden, ich ziehe den Potsdamer Platz vor, weil da das meiste Leben ist. Und das Leben ist nun einmal das Beste, was eine große Stadt hat. (...) Und wenn ich mich morgens ins Fenster lege, links und rechts ein Sofakissen unterm Arm, und die frische Winterluft kommt so vom Hall'schen Tor her (...) und ich habe dann so Café Bellevue und Josty vor mir, Josty mit dem Glasvorbau, wo sie schon von früh an sitzen und Zeitungen lesen, und die Pferdebahnen und Omnibusse kommen von allen Seiten heran, und es sieht aus, als ob sie jeden Augenblick ineinanderfahren wollten, und Blumenmädchen dazwischen (...) und in all dem Lärm und Wirrwarr werden dann mit einem Male Extrablätter ausgerufen, so wie Feuerruf in alten Zeiten und mit einer Unkenstimmen, als wäre wenigstens die Welt untergegangen – ja, Kinder, wenn ich das so vor mir habe, da wird mir wohl, da weiß ich, dass ich mal wieder unter Menschen bin, und darauf mag ich nicht gern verzichten.'"#
Das also ist, wenn wir frei sind, das normale Leben, das wir, wenn wir möchten, wählen können. - Denn politisch-masochistische Dummheit ist unsere Sache nicht. - Die Lockerungen des Sommers also sind zu begrüßen. Man kann Dankbarkeit empfinden – einem Absoluten gegenüber wie dem Schicksal - nicht zuletzt auch gegenüber den guten Mitarbeitern des SHMF ---- ; -- gegenüber unseren Politikern, die je nach zutreffender oder falscher oder gar unlauterer Beratung über unsere Grundfreiheiten verfügen, obgleich auf dem Papier ja #wir# der Souverän sind, wir also über #ihre# Freiheiten entscheiden müssten, - wohl kaum; denn das wäre dann der Tiefpunkt der Selbsterniedrigung ...
II.
Der große Star aber des Schleswig-Holstein Musik Festivals sollte Hélène Grimaud (*1969) sein. Was auch immer dazwischen gekommen sein mag, sie wird im Rahmen des diesjährigen Festivals nicht aufgetreten. - Hélène Grimaud konnte nicht nur talentiert Klavier spielen, #"sie sah auch"#, wie Alfred Kerr (1867 – 1948) gesagt haben würde, #"aus"#. Allerdings macht sie auf Fotos aus der jüngsten Zeit keinen kerngesunden Eindruck mehr.
Ihren Termin am 13.7.2021 – im Programmheft steht sie allerdings noch – wird von Jan Lisiecki (*1995) wahrgenommen. Der bleibt zu allererst als optische Erscheinung in Erinnerung. Ein großer, noch etwas schlaksiger junger Mann, der seine langen Beine kaum unter den Flügel stellen kann. Mehrfach während seines Spiels erhebt er sich auch von seiner Klavierbank und spielt, in den Knien zwar gebückt, aber halb schon stehend weiter. So erinnert sein Spiel spontan an das Orgel-Spiel von Jon Lord (1941 – 2012). - Äußerlich erinnerte er mich auch an den Schauspieler Philipp Moog (*1961), aus zahlreichen "Derricks" bekannt ...
Das Konzert findet statt in der TriBühne, Norderstedt, gleich nördlich von Hamburg. Der Raum ist ein Theaterraum, ein Mehrzweck-Theater-Raum gewissermaßen, also tauglich für mehrere Theater-Zwecke, keinen aber zwangsläufig voll erfüllend, mit dunklem Zuschauerraum und weißer Bühne; für eine kleine Stadt wie Norderstedt schon ein beachtlicher Kulturraum. Als ich auf die Bühne zuerst blicke, frage ich mich: #'Hélène Grimaud in diesem Raum? --- Schwer möglich ...'# - Jedenfalls schwer denkbar, schwer vorstellbar. Dazu ist dieser Raum einfach zu nüchtern. - Aber: Die Akustik ist gut!
#"Fast überwachsene, noch pubertäre Körperlichkeit"#, habe ich mir aufs Programm notiert. #"Kann mal ein großer Pianist werden. Guter Anschlag, hohe Geläufigkeit. Die Kadenz am Ende des 1. Satzes"# – gespielt wird Mozarts Konzert für Klavier und Orchester Nr. 20 d-Moll KV 466 (von 1785) - #"mit guten Elementen; Strukturierungsversuch."#
Fortsetzung folgt
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