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Interview mit Hassan Annouri auf dem Dach des City Gate Towers, Teil 2

Eva Mittmann

Eine Freundin von Hassan hat einst ein Buch geschrieben und nannte es: „Das Schlagzeilenbuch von Hasan Annouri“. Darin finden sich Schlagzeilen, die über 400 (!) Seiten Presseberichte der letzten Jahre umfassen. Viel ist da zusammengekommen innerhalb der vergangenen dreißig(!) Jahre. Doch nichts von alledem sei vergleichbar mit der Release-Party „Wir sind alles Frankfurter“ in der Paulskirche, wie Hassan erklärt. Es bedeute einen Riesenschritt für 'uns alle', wie er sagt und meint damit: alle Frankfurter, die von anderer Nationalität sind.

EM: Weil für uns ja hier klar ist, dass Frankfurt die beste Stadt ist, müssen wir uns jetzt fragen: Wie haben wir uns hier finden können? Wie haben wir unsere Persönlichkeit hier entwickeln können aufgrund dieser Stadt und den Möglichkeiten, die sie uns bietet? Und da ist ganz weit vorne an die einschlägigen Musikclubs zu denken, die es schon seit Jahrzehnten gibt – wie z.B. den „Sinkkasten“ oder das „Aquarius“. Im Sinkkasten haben schon damals richtig tolle Bluesmusiker gespielt – vom Delta eingeflogen – und da ist die Frankfurt Cíty Bluesband ganz groß geworden.

HA: Jaja, die kenne ich – die sind begnadete Musiker.


EM: Doch jetzt was anderes: ich habe da mal drei verschiedene Zitate rausgesucht. Dazu wüsste ich gerne deine Meinung, wie du z.B. darüber denkst und welches deine Lieblingszitate wären:
„Musik ist eine Reflexion der Zeit, in der sie entsteht.“ (Diana Ross)

HA: Also das könnte von mir sein. Es ist einfach wunderschön. Oder sagen wir mal so: Ich könnte froh sein, wenn es von mir wäre.


EM: „Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann, und worüber zu schweigen unmöglich ist.“
(Victor Hugo)

HA: Für mich würde ich das fast schon als mein Leben sehen. Ich musste ja als Sohn eines Gastarbeiters diese Chance nutzen, auf diesen Zug aufzuspringen, um mich ausdrücken zu können. Auch um Menschen zu erreichen, die vielleicht nicht mein Level sind – oder die mir vielleicht ansonsten niemals zuhören würden. Aber durch die Musik hören sie mir zu.

P1010171EM: Ja, es ist sicher so, dass du die Menschen jenseits der Sprache erreichst. Da ist die Sprachbarriere nicht mehr vorhanden, denn die Musik trifft mitten ins Herz. Und schon sind wir beim nächsten Zitat: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“ (Friedrich Nietzsche)

HA: Ich würde eher sagen: Musik ist eine Sprache. Diese Sprache hat Töne und die verstehen wir auch jenseits der Worte. Wir heulen bei Musik; wir lachen bei Musik, ohne dass sie Text hat. Musik ist natürlich der Weg mich auszudrücken. Mehr geht gar nicht.


EM: Welches waren denn deine lebensbestimmenden und wegweisenden Erlebnisse und Begegnungen mit Musik?

HA: Also ich war so 11/12 Jahre habe mich inspirieren lassen von zwei Filmen; der eine hieß „Beat-Street“ und der andere hieß „Wild Style“. Sensationelle Filme übrigens. Da geht es um „B-Boying“ und um die vier Elemente: Breakdance, Graffity, Rappen und DJ-ing. Wenn das jetzt eine Religion wäre, dann wären das die vier Elemente – oder Gebote. Du konntest dir in diesem Film eine Figur aussuchen – und ich hab‘ mir damals den Rapper ausgesucht – und das war ich. Und dieser Film war nichts für die, die mit dem Taxi zur Schule gefahren worden sind. Das waren unsere Rollen. Die waren perfekt für uns. Ich habe meinen ersten Auftritt 1998 im „Spritzenhaus“ in Sachsenhausen gehabt.


EM: Bist du durch die Beschäftigung mit Musik „besonderen“ Menschen begegnet, die du sonst höchstwahrscheinlich nicht getroffen hättest?

HA: Ja, ich würde sagen, dass ich das Glück hatte, sehr viele Menschen kennenzulernen. Ich bin der Meinung, dass Menschen sich finden, die ähnliche Einstellungen haben... Ich bin auch jemand, der sehr viele unterschiedliche Menschen zusammenbringt. Und das ist nicht einfach...


EM: Hat dein Familienleben schon einmal ansatzweise hinter deinen selbstgewählten beruflichen Anforderungen zurückstehen müssen?

HA: Ja, ich würde sagen in gewissen Dingen, ja. Also wenn besondere Herausforderungen anstehen. Wie z.B. ein Film oder eine Tour, aber da kennt mich meine Frau ja und kann das einschätzen. Also, ich meine, die weiß ja alles. Sie weiß ja jeden Moment, wenn ich für etwas brenne, oder nicht... Sehr viel Freude macht mir mein kleiner Sohn – und seine Mutter ist eine so tolle Frau – mein Sohn hat auch viel von ihr, also die Mischung ist gut. Er ist ein guter Junge.


EM: Ist die Beschäftigung mit Musik deiner Meinung nach lebensnotwendig? Ja oder nein? Und wenn ja, warum?

HA: Ja, auf jeden Fall. Aber ich muss auch dazu sagen, dass mir die Musik auch viele Türen geöffnet hat zu anderen Kanälen, ja. Auch wenn du vielleicht den Namen nicht abgespeichert hast, wette ich mit dir, dass ich dir irgendetwas aufzeigen kann, was du kennst. Das habe ich ganz oft. Du kennst doch z.B. „Nächste Station Konstabler Wache“. Riesen-Nummer in den 90ern. Was ich damit sagen will: Mir hat das viele Türen geöffnet. Und ich möchte diese Message nur noch rein für etwas Gutes einsetzen. Ich habe vielleicht noch 30, 40 Jahre. Und ich möchte gute Projekte machen. Das hat mir die Musik erleichtert.


EM: Gibt es „gute“ und „schlechte“ Musik?

HA: Ich würde sagen, es gibt gut und schlecht produzierte Musik. Ende der 90er gab es mal solche Lieder wie „Maschendrahtzaun“- Niveau, wo ich mit sage: Das ist einfach schlecht. Das hat einfach kein Mensch verdient, sich das anhören zu müssen. Und ich möchte sagen: Das verblödet die Leute!


EM: Denkst du, dass Musik eine Auswirkung auf das Erlernen einer Fremdsprache hat?

HA: Ja, na klar. Wenn ich jetzt englisch rede, merkst du, dass ich früher englischen Rap gehört habe.

EM: Glaubst du generell, dass die Beschäftigung mit Musik, oder besser das Erlernen eines Instruments Auswirkungen bzw. Transfereffekte auf andere Bereiche, z.B. kognitive, emotionale, rationale Fähigkeiten haben kann?

HA: ... Musik ist einfach geil. Ein ganz klares Statement für Menschlichkeit, für Feeling.


EM: Ja, Humanismus pur.

HA: Und du merkst dabei auch, ob die Menschen emotionale Menschen sind. Das merkst du anhand der Musik, die sie hören – oder ob sie überhaupt Musik hören. Ich habe letztens ein Pärchen kennengelernt, die hören keine Musik – gar keine Musik. Die sind mir noch nicht mal unsympathisch, aber die sind irgendwie so kalt.

Fotos:
© Eva Mittmann

Info:
Release-Party - was ist das?
Nicht jeder kann mit dem Begriff einer "Release-Party" etwas anfangen. Viele würde gerne wissen, was das genau ist.
Der Begriff "to release" stammt aus dem Englischen und bedeutet ins Deutsche übersetzt so viel wie "freigeben, loslassen" oder auch "herausgeben". Wenn im Deutschen von einer oder einem Release - der Begriff wird sowohl in Verbindung mit dem sächlichen „das“ als auch in Verbindung mit dem männlichen „der“ verwendet  - gesprochen wird, heißt das, dass ein neues Produkt auf den Markt kommt und es zur Markteinführung eine Party gegeben wird.
Quelle Helpster, Die Ratgeber Redaktion