Zum Tod des spanischen Gitarristen Paco de Lucía

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Irgendwie kommt es einem so vor, als ob immer mehr Künstler sterben, mehr als früher, dabei fällt einem dies deshalb so auf, weil man selber in die Jahre gekommen, nun ständig vom Tod von Musikern, Schauspielern, Schriftstellern, Malern u.a. erfährt, die einen selber im eigenen Leben begleitet haben.

 

 

Was Paco de Lucía angeht, ist das jedenfalls der Fall, auch wenn die Zeiten der innigen Anteilnahme an Person und das ständige Hören seiner CDs schon länger zurückliegt, was sich angesichts seines Todes sofort ändert. Erstaunt sieht man, wieviel man von ihm hat. Im mexikanischen Cancún ist Paco de Lucía am Mittwochmorgen mit nur 66 Jahren wohl an einem Herzinfarkt gestorben. Mitgeteilt hat dies noch am Mittwoch die Stadtverwaltung von Algeciras, die andalusische Heimatstadt des Künstlers in Südspanien, gegenüber von Gibraltar. Paco entstammte einer Flamenco-Gitarristen-Dynastie, die allerdings Sánchez Gómez heißen. Aus Francisco Sánchez Gómez wurde schnell die Koseform Paco, de Lucía mußte man hinzufügen, weil es so viele Pacos in der Straße gab und er der Paco seiner Mutter blieb, die Lucía hieß.

 

In Spanien, wo Paco am 21. Dezember 1947 zur Welt kam, waren die Francofaschisten nach ihrem Sieg im spanischen Bürgerkrieg dabei, diesem so explosiven Land Friedhofsruhe zu verordnen und diese mit Gewalt und Terror durchzusetzen; ansonsten förderten sie eine konservative Gesellschaftspolitik einschließlich einer niedrigen Volksbildung. Die Familie, vom Großvater und Vater her dem Gitarrespiel und dem Flamenco verpflichtet, brachte auch drei nachwachsende Söhne zum Flamencospielen. Dazu hatte Paco auf einmal viel Zeit, denn sein Vater nahm ihn als Neunjährigen, nachdem er die Grundrechnungsarten und Lesen und Schreiben beherrschte, von der Schule, die Geld kostete. Stattdessen empfahl er seinen Jungen, sollten sie den ganzen Tag Gitarrespielen. Was die Grundlage für Pacos Welterfolg wurde, der hart täglich an der Gitarre erarbeitet wurde, wie er immer wieder betonte, weil bei ihm alles wie angeboren schien.

 

Diese Geschichte erzählte er, als ihm 2007 von der Universität von Cádiz der Ehrendoktor verliehen wurde. Er selbst hatte sich in allem immer als Autodidakt empfunden, erzählte er weiter und daß sich in ihm seine Scham über seine fehlende Schulbildung verbinde mit seinem Stolz, daß er sich alles ganz alleine erarbeitet hat. Wie er den Flamenco entwickelt und in eine neues Zeitalter führte, geht wirklich allein auf seine Kappe. Schon früh war seine traditionelles andalusisches Flamencospiel auf der Gitarre vollendet und er galt als dessen Meister, der mit besonderer Leichtigkeit die schwierigen Rhythmen auf der Gitarre und korrespondierend mit den genagelten Absätzen dann noch mit den guturalen Lauten vereinen konnte, was ihn auch zum Meister auf den Festivals Flamenco Gitanos machte.

 

Seine Weltbedeutung kam mit seinem Interesse für Jazz,Blues, lateinamerikanischer Tanzmusik, arabischer, ja selbst indischer Musik, deren Elemente er in sein ursprünglich traditionelles Spiel aufnahm und zu einem neuen Flamencoklang gelangte, der in Spanien einschlug und ihn auf einen Schlag bekannt machte. International wurde er spätestens mit FRIDAY NIGHT IN SAN FRANCISCO bekannt, einer Platte und dann schon CD, die er 1981 mit Al di Meola und John McLaughlin bespielte und die zum Ausgangspunkt einer Weltkarriere wurde, gleichzeitig musikalischer Ausdruck einer Zeit war und in unser kulturelles musikalisches Gedächtnis einging. Und gleichzeitig zum größten musikalisch-finanziellen Erfolg wurde, den je eine Gitarrenplatte erzielte.

 

Spätestens jetzt war der neue, der durch Paco erneuerte Flamenco auch auf internationalen Bühnen zu Hause. Ebenfalls in Frankfurt, wo Paco de Lucía in der Alten Oper mehrfach auftrat. Ein Konzert ist dabei besonders in Erinnerung, wo er mit einem jungen Kompagnon auftrat, mit dem er im Dialog ein Gitarrenduell ausfocht und gleichzeitig ein Liebesspiel veranstaltete. Das muß man richtig verstehen, denn er war es, der mit seiner Gitarre den Ton und die Spur vorgab, und damit auf der Bühne ein erotisches Feuerwerk in Gang setzte, was den ganzen Saal erfaßte, einfach weil sein Flamenco Erotik pur wurde. Erotik vom Geschlecht befreit, sozusagen pansexuell. Das war unglaublich und gleichzeitig war er derjenige, der diesen Aufruhr wieder in geordnete musikalische Bahnen und zu einem harmonischen Ende führte, was anschließend minutenlang beklatscht wurde.

 

Es war nicht allein der Flamcenco und auch nicht der durch ihn revolutionierte Flamenco, den er beherrschte. Seine Musikalität und Fingerfertigkeit hört man auch in der klassischen Gitarrenmusik dessen populäre Spitze dann wieder das CONCIERTO DE ARANJUEZ von Joaquín Rodrigos ist. Auch die filmische Aufbereitung der Bizetschen CARMEN durch Carlos Sauro wäre ohne Pacos Gitarrenspiel eine andere geworden; überhaupt hat er gerne Filmen die Musik gegeben. Es bleiben also die tontechnischen Überbleibsel einer heroischen Gitarrenzeit. Wenigstens die. Zeit, gleich hineinzuhören und sie wieder zur Kenntnis zu nehmen. Trauerarbeit.