Hanswerner Kruse
Steinau an der Straße (Weltexpresso) - Draußen ist es noch kalt, aber die Musiker und Musikerinnen jazzen und improvisieren optimistisch „Summertime / And the livin′ is easy“ (Sommerzeit und das Leben ist einfach). Im dunklen Foyer des Theatriums schaffen sie eine anregende Jazz-Keller-Atmosphäre.
Julia Ballin (Bild rechts) bläst ihr Saxophon und klappert mit den Stepp-Schuhen. Sie hat Geburtstag, aber den feiert sie heute mit den anderen Musikern und Gästen hier auf der Offenen Bühne. Es ist kein spontanes Fest, sondern seit einiger Zeit bietet das Theatrium, meist am ersten Donnerstag im Monat, diese Jamsessions an.
Dieter Krause zupft seinen fetten, alten Kontrabass und hatte die Idee für dieses Projekt. Vor zwei Jahren zog er aus dem Rhein-Main-Gebiet, in dem er in verschiedenen Band spielte, nach Steinau und wollte unbedingt wieder Musik mit anderen machen. Detlef Heinichen war offen für diese Idee, er liebt Musik, spielt aber selber kein Instrument: „So habe ich mir das gewünscht“, sagt er strahlend dem Pressebesucher und macht sich ein Bier auf. Heute steht ER nicht im Rampenlicht und muss nicht auf die Bühne.
Sängerin Anette Szygulla (Bild oben) kommt etwas später, mit cooler jazziger Stimme legt sie sofort los: „I can’t give you anything but looooove, baby.“ In einer Ecke hockt, scheinbar etwas schüchtern, Geschichtenerzähler John Rogers mit seiner Posaune. Manchmal bläst er leise, sofern das mit diesem Instrument möglich ist, einige Töne in die Songs der Band. Zwischen zwei Stücken erzählt er plötzlich mit intensiver Körpersprache die irische Geschichte eines verfressenen Königs. Es geht auf der Offenen Bühne nicht nur um Jazz, später spielen andere Gäste Soul- und Rockmusik. Etwa „Riders on the Storm“ der Doors: „Into this world, we're thrown“ (In diese Welt werden wir geworfen) oder eine hessische Interpretation von „Route 66“: Schließlich liegt das Theatrium ja auf der Strecke.
„Wir sind auch offen für Hip Hop oder Poetry Slam“, meint Heinichen, man muss sich nicht anmelden und kann spontan auftreten. Ebenso sind Leute willkommen, die einfach nur zuhören und dabei einen Wein oder ein Bier trinken wollen. Der Eintritt ist frei. Gut zwanzig Gäste sind an diesem Abend gekommen, im Foyer wird es langsam eng. „Wenn es sehr voll wird, können wir auch in den Saal ausweichen“, meint der Theaterdirektor. Für die Jamsessions gibt es kein ausgefeiltes Konzept, sondern Begegnung, Spontanität und reichlich spürbare Spielfreude prägen die Abende.
Es ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Die Musiker lernen sich kennen, können zusammenspielen und improvisieren. Das Theatrium erweitert seine Möglichkeiten und wird als Kulturzentrum belebt. Das passt zur Entwicklung des Theaterprojekts, das nicht nur Figurentheater und Kleinkunst-Gastspiele anbietet, sondern auch einen starken regionalen Bezug herstellen möchte. Das neue Programm präsentiert einmal im Monat die Reihe „Literatur im MKK“, es gibt Märchenabende der Erzählerinnen aus Steinau oder mit John Rogers, sowie eine enge Zusammenarbeit mit dem Grimm-Haus. Nach fünf Jahren ist das Theatrium in Steinau angekommen und von den Leuten im Altkreis Schlüchtern akzeptiert worden: „Get your kicks on Route 66“, holt euch den Kick auf der Route 66, könnte man sagen...
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Hanswerner Kruse
Info:
Nächste Offene Bühne am 6. April 2023 ab 19 Uhr
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