Internationale Ausstellung DAVID BOWIE in Berlin im Martin-Gropius-Bau

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - „Warum soll man in eine David-Bowie-Ausstellung gehen, wenn man ihn kaum kennt und von seiner Musik nicht berührt ist?“, fragte sich der Verfasser dieser Zeilen. Aber die Präsentation findet nun mal im Gropius-Bau, einem der renommiertesten Kunsthäuser Berlins statt - und war für den Schreiber eine große Überraschung.

 

 

Die Schau ist ein multimediales Ereignis, das einem den Künstler sehr nahe bringt, und zeigt keinen glitzernden Kostümfundus oder aufgestapelte Devotionalien. Zwar sind auch banale Dinge, wie der Schlüssel seiner einstigen Berliner Wohnung, zu sehen, doch die sinnliche Zeitreise führt durch viele Stationen seiner künstlerischen Entwicklung.

 

Noch als Davie Jones sieht man ihn auf einer Kleinbühne zu rummsiger Beatmusik. In einem Schaufenster läuft sein Major-Tom-Video „Space Oddity“ (1969). Für die gesamte Ausstellung ist der kostenlose Audio Guide mit Bowie-Musik oder anderen O-Tönen zwingend notwendig. Seine Verwandlungen werden in Schaufenstern mit Puppen in Designerklamotten oder Spiegelräumen mit Lichtbildern augenfällig. Mal sieht man auf einem bescheidenen Monitor den Pantomimen Bowie, der Opfer seiner Masken wird. Dann wird in einem opulenten, multimedialen Arrangement das Ende des Rockstars „Ziggy Stardust“, der von ihm geschaffenen Kunstfigur, inszeniert.

 

Der Höhepunkt der Schau ist eine aufwendige Installation, auf die Filme von Bowies bizarren Auftritten projiziert werden. Gemeinsam mit anderen Besuchern, die zur Atmosphäre einfach dazu gehören, taucht man in eine seltsame Traumlandschaft ein, die zwischen Rockkonzert und Performance Art Festival changiert.

 

Eigentlich wäre der britische Künstler lieber Schriftsteller oder Maler geworden - seine Songtexte sind oft Geschichten, seine Inszenierungen Tableaus: „Es ist mir nie in den Sinn gekommen, irgendetwas auf die Bühne zu bringen, das nichts mit Theater zu tun hat!“, meinte er. Konsequent nutzte er die Pop-Kultur immer wieder für irritierende Spiele mit sexueller Orientierung oder neuen Identitäten. Ganz im Gegensatz zum früheren Anspruch der Rockmusik nach Authentizität, pflegte er die Camouflage mit Masken und Verkleidungen. Sein androgyner „Ziggy“ prägte den Glam Rock der 70er Jahre, aber er hängte sich auch an Trends und gab den Soul Man. Noch heute erinnern sich üppige, schwarze Soul Ladies an den „dünnen, weißen Mann“, der diesen Background Sängerinnen bis dahin unerhörte Rhythmenwechsel abverlangte.

 

Bowies ganze Familie war in psychiatrischer Behandlung, er selbst nutzte wohl die Kunst zur Heilung oder, im Sinne Salvador Dalis, als „paranoisch-kritische Methode.“ Doch die ständigen Wechsel der Identitäten, das grausame Musikbusiness, harte Drogen stürzten ihn Mitte der 70er-Jahre in eine tiefe Krise: „Ich verlor an einem Punkt die Kontrolle“, ließ Bowie bereits sein Alter Ego in der BBC-Doku „Cracked Actor“ (1974/75) sagen, „ich konnte mich nicht mehr entscheiden, ob ich mir diese Figuren ausdachte oder ob es nicht eher sie waren, die sich mich ausgedacht hatten.“

 

Bald verließ er die USA und kam auch nach Berlin, die Stadt, in der einst die von ihm bewunderten expressionistischen Maler und Filmemacher wirkten. Die für London konzipierte Ausstellung wurde um diese Berliner Jahre mit Stücken aus Bowies Archiv erweitert. Hier arbeitete er intensiv von 1976 bis 1978, kam von den Drogen runter und fand wieder zu sich. Mit experimentierfreudigen Musikern, etwa Brian Eno, produzierte er Teile des sogenannten „Berliner Triptychons“ („Low“, „Heroes“ und „Lodger“).

 

Heroes“, die Titelmelodie der Platte, ist der ergreifendste Song dieser Zeit. Bowie singt von einem Liebespaar an der Berliner Mauer, verzweifelt schluchzt und schreit er: "I, I will be king / And you, you will be queen / Though nothing will drive them away...” (Ich, ich werde König sein / Du die Königin / doch nichts wird sie vertreiben). Für die Verfilmung der Lebensgeschichte der Christiane F., „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (1981), bei der er mitwirkte, wurde daraus ein weinerliches „…Niemand gibt uns eine Chance!“ Bei späteren Konzerten rockte er den Song nur noch als gut tanzbare Hymne. Aber den Berlinern gilt „Heroes“ immer noch als ihr Song, der einst das Lebensgefühl vieler Menschen in der Mauerstadt ausdrückte.

 

In den 1980er-Jahren wurde der Künstler mit der Platte „Let‘s Dance“ sehr kommerziell und endgültig zum Weltstar: „Ich wollte einfach nur ein gutes Groove Album machen.“ Trotz mancher Hits („Fame“) hatte er bis dahin auf den meisten Platten schräge, manchmal surreale Texte gesungen, schroffe musikalische Brüche eingefügt und mit elektronischer Musik experimentiert. Doch als die Rodgau Monotones 1984 sangen, „Unser David Bowie heißt Heinz Schenk“, war er auch er längst ein „Volks-Bowie“ (Rüther) geworden. Danach wurde es stiller um ihn, er zog sich zurück, spielte im Theater oder in Filmen, ab und zu gab er eine Platte heraus oder unternahm Tourneen. Aus diesen unspektakulären Jahrzehnten gibt es kaum Objekte in der Ausstellung.

 

Um Bowies damaliges Wohnhaus herumstreichen, seine Filme sehen, Ausstellungsbesuche im Gropius Bau, mit Music Tours in den Hansa Studios - vier Tage in Berlin auf den Spuren des Künstlers verändern Wahrnehmung und Gefühle: David Bowie ist einer der interessantesten und einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts!

 

PRAKTISCHE INFOS:

Ausstellung „David Bowie in Berlin“ im Martin-Gropius-Bau noch bis zum 10. August 2014, täglich geöffnet von 10 – 20 Uhr, kein Schließtag, Online-Tickets mit gebuchter Besuchszeit und Infos:

www.davidbowie-berlin.de

Die Berlin Musictours bieten drei Touren an: „Bowie Berlin Walk“ - täglich parallel zur Ausstellung um 12 Uhr. Nach Verfügbarkeit: „Bowie Berlin Tour“ - Hansa Studio und Multi Media Bustour / „Hansa Studio Tour“ exklusive Führungen in den legendären Hansa Tonstudios:

www.musictours-berlin.de

 

LITERATUR

Wer die Berliner Ausstellung nicht besuchen kann, bekommt interessante und sehr gute Informationen über Bowies Berliner Jahre vom FAZ-Musikredakteur Tobias Rüter in „Helden – David Bowie und Berlin“, gebunden, 222 Seiten, Verlag Rogner & Bernhard, 19,90 Euro

Eine umfassende und sehr gute Biografie über den Künstler schrieb Marc Spitz „David Bowie – die Biografie“, gebunden, 560 (!) Seiten, Verlag Edel Vita, 19,95 Euro

David Bowie - Katalog zur Ausstellung“, 320 Seiten mit rund 300 farbigen Abbildungen, gebunden Knesebeck-Verlag 49,95 Euro. Broschierte Ausgabe nur im Gropius-Bau 34,95 Euro

Fotos: © Avantgarde, Foto Thomas Bruns