„Strom und Wasser“ unterwegs nach Frankfurt am Main
Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - Wieder einmal war die Gruppe „Strom und Wasser“ mit ihrem charismatischen Leader Heinz Ratz im Fuldaer Museumskeller. Doch die angekündigten Musikerinnen aus bayrischen Flüchtlingslagern durften nicht mit ihnen auftreten, weil die Bürokratie den Grenzübertritt nach Hessen verhinderte.
Das Konzert begann bereits im Schlüchterner Flüchtlingsheim Hof Reith. Von dort aus fuhren Asylbewerber mit Betreuern zum Kulturkeller. Drei neu im Heim angekommene eritreische Frauen zwitscherten fröhlich im Auto des Schreibers in ihrer unverständlichen, aber sehr melodischen Sprache. Wenig später donnerte der sichtlich angefressene Musiker Ratz dagegen mit seiner Gruppe wilden, baßlastigen Punk- und Ska-Rock von der Bühne. Durch das laute Gedröhne waren die Texte nicht zu verstehen, so rotzte der Sänger den gut einhundert Zuhörern reduzierte Botschaften um die Ohren: „Bürokraten!“ „Flüchtlingsunterdrücker!“ „Widerstand!“
Zwischen den Parolen machte er jedoch in seinen Ansagen das Elend noch nicht anerkannter Asylbewerber deutlich. Vor zwei Jahren hatte deshalb „Strom und Wasser“ mit den „Refuges“ angefangen zu arbeiten: Die Band fand in deutschen Flüchtlingslagern exzellente Musiker, mit denen sie gemeinsam auf Tour gingen, eine CD heraus gaben und so wunderbare Ohrwürmer kreierten wie „We are one“ oder den Reggae „Babylon“. Für dieses Projekt bekam Ratz sogar das Bundesverdienstkreuz.
„Da unsere Band sehr männerlastig war, Flüchtlingsfrauen jedoch noch stärker benachteiligt sind“, so Ratz, „wollte ich mit einigen geflüchteten Musikerinnen auf deren Lage aufmerksam machen.“ Es gab mit ihnen einige Auftritte im Bayrischen, aber die zuständigen Behörden wollten die Residenzpflicht der Frauen nicht aufheben, sie nicht frei reisen lassen. „Das ist normalerweise eine reine Formsache“, sagte der Schlüchterner Betreuer Clas Röhl. So brachte zwischen dem Polterrock lediglich die iranische Pianistin und Sängerin Akram einige persische Sehnsuchtslieder zu Gehör.
Sein ursprüngliches Projekt mit den „Refugees“ wollte Ratz nicht weiterführen, obwohl die Synthese von politischem Protest und guter Musik sehr gelungen war. „Aber das wäre zu kommerziell geworden“, erklärte er. Schade eigentlich, denn der nun im Keller dargebotenen Krach vertrieb eher die Gäste, nach der Pause hatte sich der Saal ziemlich geleert. „Strom und Wasser“ bot noch ein Potpourri von persischem Liedgut, unverständlichem Rap eines jungen Anhängers der Gruppe und einem endlos langen Stück, angesiedelt zwischen Reinhard Mey und Kraftwerk. Darin blitzte etwas von der eigentlich großen musikalischen Qualität dieser Gruppe auf.
Einige Schlüchterner Flüchtlingsfrauen sprangen vor der Heimfahrt noch kichernd im Brunnen auf dem Universitäts-Platz herum. Sie hatten viel Spaß gehabt, auch wenn an dem Abend nicht gerade ihre Musik gespielt wurde.
Info:
Die Gruppe kommt ins Rhein-Main-Gebiet
Fotos: Hanswerner Kruse
Sänger und Musiker Heinz Ratz
„Strom und Wasser“ mit Arne Assmann (Saxophon), Heinz Ratz (Sänger, Gitarre), Gast Luca Seitz (Bass), Ingo Hassenstein (Gitarre)
Die Schlüchterner Flüchtlingsgruppe mit ihrem Betreuer Clas Röhl
„Strom und Wasser“ mit Gast Luca Seitz (Bass), Heinz Ratz (Sänger, Gitarre), Ingo Hassenstein (Gitarre), Burkhard Ruppana (Schlagzeug)