Wacken Open-Air 2014 im Fernsehen!
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Man fasst es kaum. Das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen hat sich 2 Jahrzehnte nach seinem Rückzug von der Pflege der Musik der Jugendlichen überwunden, vier Stunden Wacken-Open-Air 2014, überwiegend sogar live, auf 3sat zu übertragen.
20 Jahre, nachdem das Öffentlich-Rechtliche die gemeinsame, vorher stets gepflegte musikalische Ebene mit der Jugend abgeschoben hatte, um sie den Privaten zu überlassen - während doch die Gebühren für die Belange ebenso der Jugend bereitstehen müssten - gibt es jetzt wieder einen kleinen Lichtblick sogar für Fortsetzungen. Diese sind auch wohl in der nächsten Zeit vorgesehen, im Anschluss an das Wacken Open-Air 2014.
Anlass war auch die Tatsache des 25-jährigen Bestehens des Wacken, das sich aus kleinen Anfängen zu einem Mega-Ding hochgearbeitet hat, was möglicherweise darauf hinweist, dass diese Art der musikalischen Weltbehandlung, die der gepflegte Bürger eher lieber übersieht, bzw. etwas abschätzig betrachtet, doch einer gewissen Ernsthaftigkeit und Bedeutung für die Seele nicht ganz entbehrt.
So trafen sich also wieder 75 000 Metal-Fans unterschiedlichster Altersgruppen ganz in der Nähe des kleinen Ortes Wacken in Schleswig-Holstein, der auch schon mal Örtlichkeit für den reizvoll sensibel gemachten Film „Full Metal Village“ (2007) war.
Und es kamen wieder die zusammen, die sich eher der edelmütig gesinnten Fraktion als der der Niedertracht zugewandten – z.B. was weite Teile des Finanzsektors anbelangt - zurechnen und das ästhetisch-klanglich in Szene und Lebensart setzen. Dafür steht z.B. das „Glory to the Brave“ (nach einem jedem Fan, ob Mann oder Frau, bekannter Erstling-Album-Titel der Gruppe „Hammerfall“ von 1997, damals vom Stapel gelassene Perle) und die allgemein-bestimmende Losung „Metal is the Law“ (als ironische, herzerfrischende Gemeinschafts-Metapher).
Metal ist apokalyptisch. Wie die Welt aus sich heraus es ist. Er handelt überwiegend von den düsteren und schlimmen Seiten des Lebens, des Daseins, rechtfertigt diese aber nicht, sondern weist auf und tut dies unbeirrt illusionslos. Die Menschheit ist dem Metal-Fan so etwas wie ein „Kingdom of the Weird“ („Elvenpath“), ein Reich der Seltsamen und Fragwürdigen. Das Vertrauen in die menschliche Rasse ist unterentwickelt.
Metal-Fans grüßen sich auch nicht so unten rum mit Handschlag, sondern erheben den leicht gewinkelten Arm und grüßen sich herzlich gegenseitig mit den ineinander gegriffenen Händen.
So war die erste Gruppe, die gezeigt wurde, auch die gnadenloseste von allen, was die thematischen Bereiche anbetrifft, nämlich „Slayer“. Diese tötet alle Illusionen ab und kennt keine schonenden Phrasen. Alles Schönfärberische ist von ihr ausgetrieben. Es begann mit dem Stück „War Ensemble“, welches vom Sport als Mord handelt, aber nicht an sich selbst, sondern an den anderen. „Sport is war, total war, the final swing is not a thrill, but how many people I can kill“. Punkt. Aus. Der Text enthält noch mehr der einsichtigen Motive zum Thema.
Slayer sind Thrash-Metal.- „Thrash“ bedeutet, dass die Musik wie hingeworfen klingt, aber doch auch wieder sehr kalkuliert ist. Und das macht Musik so erhebend herrlich: die versuchte Vereinigung von Gegensätzen, die sich in jeder Musik abspielen. Metal ist – diese Auskunft richte ich an die Bürger - die elegante Musik der gerade so wie beiläufig gelungen gesetzten Schwingungen durch die kräftig angeschlagene oder fein bearbeitete Elektro-Gitarre. Slayer sind die Fähigsten in Sachen Gelungenheit von Rhythmus- und Tempo-Wechseln, Partie-Übergängen. Ihr Stil ist schneidend und strafend (gegen alle Illusion von Rettung gerichtet).
Anderes, vorgetragenes Stück, das ihnen auch Angriffe eingebracht hat, war und ist: „Angel of Death“. Es handelt vom Nazismus, vom Holocaust, von einer seiner furchtbarsten Figuren, rechtfertigt aber nicht, sondern protokolliert, weist auf, hält dem bieder Gestimmten den virtuellen Spiegel vor: „Auschwitz, the meaning of pain...Slow death, immense decay...Surgery, with no anesthesia...Infamous butcher, Angel of Death." Vorgetragen, gleichsam geaxtet in rasendem Speed, mit Riffs und Powerchords, Brüchen und Wendungen, die in der Raffinesse dem allerernsten Genre durchaus das Wasser reichen können.
Lemmy von Motörhead, der alte Recke, war - wieder - mit von der Partie, nachdem er am Herzen operiert werden musste - und obwohl er beteuert, dass seine Crew nicht Metal, sondern Rock-Musik ist, hat er mit seinen rauen, sägenden Riffs Grundsteine auch in den Metal getrieben.
Dann die Finnen „Apokalytica“.- Es gibt Musiker aus dem entschieden ernsten Milieu, die gerne zwischendurch Metal-Nummern unterwegs im Zug zwischen den Auftritten sich rein ziehen als Gegenmittel zur Verbildung, was Ausflüge ins Gegen-Medium erfordert, wie z. B. beim Tenor Joseph Calleja, der das „Interludium“ in „Fade to Black“ von Metallica schätzt und den Heavy Metal für „sehr opernhaft“ hält (FR 30.8.2012).
Apokalyptica haben nicht nur, wie schon längst und von ihnen am bekanntesten geworden, Stücke von Metallica in klassisches Orchester transfiguriert, sondern auch eigene Kreationen in diese grimmigen, grummelnden, brachialen Folgen und Wendungen, die den Metal ausmachen, aber auch auch ins Filigrane - kurz gesagt in die Balladen - dieser Musikart eingebracht. Klar, dass die Celli das Zentralinstrument stellen. Mit dabei haben sie nun auch ein 25-köpfiges Orchester. Mit den klassischen Instrumenten kann man schlau rüber bringen, was den Metal auszeichnet.
Da klingt das „Nothing else matters“ von Metallica doch auch gleich nochmal ganz anders.
Die Pianistin Viktoriya Yermolyeva transskribiert Stücke von Metallica (und anderen) auf Klavier, die im Internet zu sehen und zu hören sind.
Nun ist noch vom True-, Power und Melodic-Metal zu reden, der dann auf die Bühne kam, vertreten zunächst durch „Saxon“, die mit dem „New Wave of British Heavy Metal“ seit 1979 Zeichen gesetzt haben, auch mit ihrem Sänger Peter Byford, ebenfalls einer der in operesker Art im True-Metal-Genre Stimmmächtigen.
Dann betraten „Avantasia“ die Bühne. Jetzt erst zeigte sich in so reicher Weise, dass es noch und immer wieder - fast - genug der Stimmbegnadeten gibt. Unter Avantasia und ihrem Sänger Tobias Sammet (ein vergleichsweise jüngerer noch und auch von „Edguy“ bekannt) traten „retrospektivische“ Ikonen des stimmlichen Heldengesangs auf, die Heldenepen zu verkünden wussten, vor allem, was – verallgemeinert - die Schwert-, Zauberer- und Einhorn-Gattung liefert, z.B. Michael Kiske (Halloween, Gamma Ray) und Ronnie Atkins (Pretty Maids). Das passt. Ein Schild mit der Aufschrift „Kiske God“ wurde hochgehalten. Stimmen waren zu hören, in denen etwas wahrhaft doch diesseitig Göttliches mitschwingt.
Dieser Teil wurde erheblich lang aufgrund seiner All-Star-Qualitäten, bzw. Gesangs-Heroen, die alle noch voll in Blüte stehen. Mit dem Power-, Melodic- und Glam-Metal ist gesetzt, dass es mit der Welt vielleicht doch noch nicht aller Tage Abend ist.
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