Waltraud Meier verabschiedet sich als Isolde in Berlin

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Man könnte meinen, die Zeit sei stehen geblieben. Mag Waltraud Meier de facto 58 Jahre alt sein, auf der Bühne wirkt sie noch so zeitlos schön wie vor 21 Jahren, als sie die Isolde zum ersten Mal unter Daniel Barenboim bei den Bayreuther Festspielen verkörperte.

 

Eine Partie, die bald zu ihrer Paraderolle avancierte, und mit der sie etwa auch in der viel beachteten Inszenierung von Harry Kupfer an der Lindenoper von 2000, angesiedelt auf der übergroßen Skulptur eines gefallenen Engels, das Publikum in ihren Bann zog.

 

Dazu gehört es freilich auch, dass sich die beliebte Wagnerinterpretin ihre musikalischen Qualitäten bewahren konnte: Schlank, sicher und majestätisch führt sie ihren Mezzosopran noch immer durch alle Register, exponierte Spitzentöne feuert sie wie Leuchtraketen ab.

 

Das macht ihr so schnell keine Andere nach, zumal in Zeiten, in denen stimmliche Krisen rasant um sich greifen, Karrieren von Topstars zunehmend kürzer andauern und der Nachwuchs im dramatischen Wagnerfach auf sich warten lässt.

Aber wie heißt ein kluges, altes Sprichwort? Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist!

 

Und deshalb sagt die Grande Dame unter den Isolden der Gegenwart - in ihrem letzten Berliner „Tristan“ sekundiert von den ebenbürtigen Unverwüstlichen (Peter Seiffert gab den Tristan, René Pape den König Marke) - nun ihrer Lebensrolle adieu. Ein allerletztes Mal wird sie im Juli bei den Münchner Opernfestspielen als Isolde auf der Bühne stehen, dann überlässt sie Jüngeren das Feld.

 

Ihre Isolde werde ihm „immer fehlen“, würdigte Daniel Barenboim seine langjährige Wegbegleiterin zu später Stunde nach Vorstellungsende. Erst da wurde der Rollenabschied amtlich und bewirkte einen kleinen Schock beim Publikum, das seine Heldin nichtsahnend mit stehenden Ovationen feierte.

 

In solch einer Attitude zeigt sich allerdings auch die Bescheidenheit einer Künstlerin, die es nicht nötig hat, um ihre Person viel Tamtam zu machen. Staatsopern-Intendant Jürgen Flimm kürte sie dafür bei dieser Gelegenheit zum Ehrenmitglied des Hauses.

 

Eine persönliche Bestleistung in der Titelpartie gelang in der 39. Vorstellung dieser Kupfer-Produktion auch Peter Seiffert. Enorm, welch große Reserven ihm im letzten Akt noch zur Verfügung stehen, ohne dass er im ersten seine Kräfte geschont hätte. Nur im Text schleichen sich hier und da kleine Fehler ein, aber das fällt dank des ergreifenden Vortrags nicht allzu sehr ins Gewicht und fällt nur dem auf, der akribisch die Übertitel mitliest.

 

Einen solchen rundum grandios besetzten und emotional mitreißenden „Tristan“ werden wir wohl sobald nicht mehr erleben.

 

Waltraud Meiers Isolde ist bald schon Geschichte und darf verewigt werden in der von Frida Leider und Kirsten Flagstad angeführten Chronik der bedeutendsten Interpretinnen dieser Figur. Im Goldenen Zeitalter des Wagnergesangs gab es derer viele, heute kann man sie an einer Hand abzählen. Schon deswegen hat sich Waltraud Meier als Isolde unentbehrlich gemacht, wir werden sie vermissen!