Menahem Pressler und die Berliner Philharmoniker beim Silvesterkonzert

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - „Mozart verleiht uns Flügel“, hat er einmal gesagt, und vielleicht erklärt diese Magie, dass uns Menahem Pressler mit stolzen 91 Jahren auf dem Konzertpodium noch immer zutiefst berührt.

 

Das A-Dur Konzert KV 488 habe ich jedenfalls in vieler Hinsicht noch nie so gehört wie beim jüngsten Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle. Das fängt schon damit an, dass der erfahrene Kammermusiker und Mitbegründer des legendären Beaux Arts Trios, dem er 56 Jahre lang bis zu seiner Auflösung treu blieb, über jedwede Eitelkeiten souverän erhaben ist und sich nichts mehr beweisen muss.

 

In diesem biblischen Alter muss es erlaubt sein, nach Noten zu spielen und langsamer als pianistische Jungspunde. Von moderateren Tempi profitiert zugleich die für Mozart so signifikante Schlichtheit, die bei anderen Interpreten oft zu kurz kommt. Insbesondere der Finalsatz wurde schon oft verhuscht, erstmals bei Pressler habe ich jetzt die ungeheure Grazilität dieser Musik entdeckt.

 

Den Kopfsatz bestimmte eine wunderbare Zärtlichkeit, die auch im wechselseitigen Blickkontakt zwischen Solist und Dirigent sichtbar wurde, insbesondere in den vermeintlich unspektakulären kurzen Dialogen. Am meisten aber rührte das mit einem längeren Solo des Klaviers beginnende schwermütige Adagio an. Aus ihm sprach eine tiefe Einsamkeit, wie sie wohl nur lebensweise Altmeister ausdrücken können. - Musiker mit einer so schicksalsreichen, filmreifen Biografie wie die, auf die der gebürtige Magdeburger Pressler zurückblicken kann, der einst vom Nazi-Terror ins Exil vertrieben wurde, emotionale Achterbahnfahrten mit dem Beaux Arts Trio meisterte und kürzlich den Tod seiner Frau verkraften musste, mit der er eine lange, glückliche Ehe führte.

 

Kaum zu glauben, dass er gerade vor einem Jahr sein spätes Debüt bei den Berlinern gab, weiland unter Semyon Bychkov, ebenfalls mit einem Mozartkonzert, KV 453, da war er bereits 90 Jahre alt!

 

Doch nicht nur ihm, dem begnadeten Ausnahmemusiker, dessen Konzertkalender bereits bis 2019 ausgebucht ist, verlieh Mozart beim Silvesterkonzert Flügel, sondern auch dem Kollegen am Pult, der das übrige Programm klug nach seinen Vorlieben und Stärken zusammengestellt hatte. Mit Werken von Rameau, Dvorak und Kodaly verströmte es barocke Festlichkeit, Verspieltheit, Getriebenheit und tänzerischen Schwung und damit alles, was einen auf einen freudvollen Jahresausklang einstimmt.