Riccardo Muti leitete die Berliner Philharmoniker am 15., 16. und 17. April

 

Kirsten Liese

 

Berlin (Weltexpresso) - Die Musikwelt blickt gespannt auf den 11. Mai, wenn die Berliner Philharmoniker ihren neuen Chefdirigenten wählen. Und natürlich wird auch in den Medien schon viel spekuliert über den möglichen Nachfolger für Simon Rattle ab 2018. Das erscheint auch nicht weiter ungewöhnlich.

 

Dennoch habe ich heute meinen Augen kaum getraut, als ich in einer Tageszeitung eine Favoriten-Shortlist entdeckte, die den genialen Altmeister Riccardo Muti als Schlusslicht noch hinter den Youngsters Gustavo Dudamel, Andris Nelsons und Yannick Nézet-Seguin verzeichnet. Bei allem Respekt für die junge Dirigentengeneration und den bemerkenswerten Werdegang der Genannten, aber an den gestandenen Altmeister reichen der Venezolaner, der Lette und der Kanadier doch bei weitem nicht heran!

 

Gewiss, es erscheint eher unwahrscheinlich, dass Muti am 11. Mai zum Philharmonikerchef gewählt werden wird, schon weil er sich in den vergangenen Jahren in Berlin ziemlich rar gemacht hat. Zudem ist er nicht mehr der Jüngste. Zum Zeitpunkt der Übernahme wäre er 76!

 

Was dagegen die künstlerische Leistung betrifft, zählt Muti neben Christian Thielemann, Mariss Jansons und Daniel Barenboim zu den letzten wirklich großen Dirigenten, die man an einer Hand abzählen kann. Gerade bei seinem jüngsten Konzert mit den Berliner Philharmonikern, das wir am 16. verfolgten, konnte man sich davon überzeugen.

 

Den Höhepunkt dieses Programms bildete aus meiner Sicht Mozarts „Haffner“-Sinfonie. Hierbei gefiel es mir besonders, dass Muti über all die Eitelkeiten, die ihm früher einmal nachgesagt wurden, offenbar mittlerweile erhaben ist. Altersweise und gelassen tritt er auf, organisch lässt er die Musik fließen.

 

Seine Uneitelkeit zeigt sich auch daran, dass Muti keines der ausgewählten Stücke auswendig dirigiert und doch zugleich über den Notentext erhaben scheint, als brauche er ihn eigentlich nicht. Er fordert angemessen zurückhaltende Tempi, pflegt einen runden, kultivierten, feinsinnigen Klang und tänzelt, wenn die Musik entsprechend tänzerisch wird, ein wenig mit.

 

Umrahmt hat Muti die „Haffner“-Sinfonie mit zwei seltener gespielten Stücken, der Ouvertüre im italienischen Stil von Franz Schubert D591 und der Symphonischen Fantasie „Aus Italien“ op.16 von Richard Strauss. Die beiden Werke könnten nicht unterschiedlicher sein: Sonnig und leicht aber ohne kantilenenreiche Italiantià kommt der Schubert daher, energisch und schwärmerisch der Strauss, ein mächtiger Brocken mit einigem dekadenten Klangfarbengeklingel, mit den späteren wunderbaren Tondichtungen des Komponisten nicht ganz vergleichbar. - Schon deswegen, weil es auf dieser musikalischen Reise durch Rom, Sorrent und Neapel trotz romantischer Harfenklänge überwiegend im Dauertutti etwas lauter zugeht.

 

Die Frage, warum sich ausgerechnet dieses spröde Stück auf diesem Programm verirrt hat, ist so gesehen berechtigt. Gleichwohl war es beachtlich zu erleben, was der Maestro mit subtilen farblichen Nuancierungen und Anflügen von leichter Ironie aus dieser Musik herausholt. Und beim krachenden Finale mit dem Zitat von „Funiculi, Funiculà“ sprühten die Funken.

 

Foto: (c) Todd Rosenberg