Serie: DIE LEGENDE VON DER UNSICHTBAREN STADT KITSCH UND DER JUNGFRAU FEVRONJA von Nikolaj Rimski-Korsakov an der Oper Amsterdam. Teil 1/2

 

Claudia Schulmerich

 

Amsterdam (Weltexpresso) – Wenn Sie direkt aus der Ausstellung der symbolistischen Landschaften im van Gogh Museum kommen und zusammen mit dem musikalischen Vorspiel sich die Bühne öffnet, dann wähnen Sie sich in der Fortsetzung der Ausstellung, so stimmungsvoll zeigt Ihnen das Bühnenbild, in welchem irdischen Paradies wir uns befinden: rauschender Szenenbeifall.

 

Es sind im ersten Bild dieser von Rimski-Korsakov 1907 in Sankt Petersburg aufgeführten Oper symbolistische Anklänge nicht nur zeitbezogen, sondern auch inhaltlich zutreffend, denn wir lernen hier mit den abgeernteten Getreidefeldern, den hohen stehengebliebenen Pflanzen, die aus dem Nebel aufsteigen und doch überragt werden durch drei riesige Baumstämme, die wohl in den Bühnenhimmel wachsen, denn ihre Kronen sieht man nicht eine traumverlorene Landschaft kennen. Man sieht drei Leitern dahinter in den Himmel ragen und als Kenner christlicher Kunst deutet man diese sogleich als die drei Kreuze von Golgatha.

 

Das ist vielleicht weit hergeholt, aber eine gute christliche Frau, eine irdische Fee ist diese Jungfrau Fevronja, die Rimski-Korsakov unbedingt im Titel aufnehmen wollte, wobei – nimmt man es analytisch – er einerseits eine russische Legende – die von der Stadt Kitesch -verbinden wollte mit einer naiven, vom Gutsein durchdrungenen schönen Christin und daraus seinen Librettisten Wladimir I. Belski eine zusammenhängende Geschichte machen ließ, die ihre zwei Teile (Akt 1 und 4 die Jungfrauengeschichte, Akt 2 und 3 die Tartarenkämpfe und Kitesch) doch recht unverbunden in den vier Akten hintereinander abspielt. Fevronja ist die reine Törin, die in der deutschen Literatur und Musik der reine Parsifal verkörpert, worauf sich Rimski-Korsakov voller Bewunderung für Wagner auch direkt bezieht.

 

Nimmt man allerdings die ganze Oper in einem, so findet man beim Zuhören und Zuschauen auf einmal, daß diese gute schöne Jungfrau, die sich schindet und auch dem ärgsten Übeltäter verzeiht, daß also diese gute Jungfrau das Mütterchen Rußland sei, das durch alle Gefahren und Anschläge und verlorenen Kriege – hier gegen die Tartaren - und interne Bürgerkämpfe hindurch, sich die Reinheit der nationalen Gesinnung, die eine gute ist, bewahren will. Zeit, die uns weithin unbekannte Geschichte zu erzählen – wir konnten 1994 die deutsche Erstaufführung in Wiesbaden sehen und gleich 1995 die Oper in Bregenz mit großem Gewinn noch einmal – in Verbindung damit, wie die Amsterdamer die Herausforderungen dieser weit über drei Stunden dauernden Aufführung auf Russisch meisterten.

 

Die Handlung spielt im Jahr 6751 nach der Erschaffung der Welt, so zählten die Byzantiner, nach unserer 1243 nach Chr., so will es die im 16. Jahrhundert entstandene Legende. Es gibt Kleinkitesch, die wirkliche Stadt, in deren Wäldern die schöne Jungfrau lebt. Unsere Jungfrau (Svetlana Ignatovich durchgehend charismatisch und glockenhell singend) ist keine stilisierte Fee, sondern normal angezogen mit Rock und Hemd und Pullover, allein die Knöchelschuhe verweisen darauf, daß sie standfest sein muß, wie gerade, als ein Jäger des Weges kommt, der sich verirrt hatte und nun angesichts der Schönen, die ihm vom Einssein mit Gott und der Natur singt, auch bleiben möchte. Erst durch seine Gefährten wird ihr bewußt, daß sie den Sohn des Königs von Großkitesch, Prins Vsevolod Joerjevitsj vor sich hat (Maxim Aksenov als verläßlicher sensibler Tenor), aber da sind schon beide längst ineinander verliebt und wollen heiraten.

 

Es handelt sich um eine Koproduktion mit der Bastille Oper Paris, dem Gran Teatre del Liceu Barcelona und der Scala von Mailand.

 Foto: Monika Rittershaus

Vorstellungen noch am 26. Februar und 1. März 2012. Premiere war am 8. Februar 2012

 

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