Serie: DIE LEGENDE VON DER UNSICHTBAREN STADT KITSCH UND DER JUNGFRAU FEVRONJA von Nikolaj Rimski-Korsakov an der Oper Amsterdam. Teil 2/2

 

Claudia Schulmerich

 

Amsterdam (Weltexpresso) – Den ganzen ersten Akt läßt einen die Verblüffung über die symbolistischen Anteile nicht los, denn die Musik ist derart lyrisch und zum Schönklang gebracht, daß auch im Publikum eine gewissen Abgehobenheit Platz macht, die Leute lächeln unwillkürlich, während die Jungfrau von der allumfassenden Liebe singt.

 

Das ändert sich im zweiten Akt, als das reiche Gesindel auf dem Marktplatz von Kleinkitesch mit dieser armen Braut aus dem Wald nicht einverstanden ist für den hochwohlgeborenen Thronfolger. Ein Verräter wird gedungen, der Trinker Koeterma (Tenor John Daszak, dem das Fiessein sichtbar Spaß macht), der unsere Jungfrau beleidigt, woraufhin sie ihm sozusagen die zweite Backe hinhält.

 

Mitten hinein in die Volksbelustigung ertönen die Hörner, die den Angriff der Tartaren ankündigen, die im Nu in die Stadt eindringen, die Bewohner abschlachten und vom Verräter Koeterma nun – mit ein bißchen Gewalt und Geld - auch noch den Weg nach Großkitesch gezeigt erhalten. Die gefangene Fevronja erbittet nun von ihrem allmächtigen Gott, Großkitesch unsichtbar zu machen, auf das die Tartaren zustürmen.

 

In Großkitesch ist unter der Führung des Prinzen alles zur Verteidigung bereit – Koeterma hat verbreitet, daß die Jungfrau die Feinde in die Stadt geleite – als ein goldener Nebel die Stadt tatsächlich unsichtbar macht und vor den Feinden verschont, die sich gütlich tun an den Kämpfern von Kleinkitesch. Das Bühnenbild, für das zusammen mit der Regie und den Kostümen  Dmitri Tcherniakov verantwortlich zeichnet, hat sich für diesen Akt eine Besonderheit ausgedacht: In einem großen und hohen Festsaal mit abblätternden Farbe an den Wänden und Samtvorhängen ist ein Lazarett eingerichtet, wo sich die Kranken auf Krücken bewegen oder nur liegen und wo nun der umfangreiche Chor der Oper vom Leid und Leiden singt. Erneut großer Szenenapplaus.

 

Schon wieder geht es um die Jungfrau, aber wie im Rheingold sind es hier zwei Sieger, die sich das Siegespfand nicht teilen wollen und der eine den anderen erschlägt. Die Tartaren fliehen. Fevronja löst dem gefangenen Koeterma die Fesseln und im vierten Akt sehen wir sie erneut durch den Wald irren. Auch dieses Bühnenbild löst Applaus aus und der Symbolismus ist erneut nahe. Wir sehen Baumstämme, erst sechs, die im Laufe dieses letzten Aktes durch Zauberei sich um die Hälfte vermindern und stattdessen mitten im Wald ein typisch russisches Holzhaus sehen lassen. Die Jungfrau ist auf der Schwelle zwischen Sterben und ewigem Leben, in dem sie ihren gefallenen Verlobten wiedersieht und wir mit ihnen in der doch eigentlich unsichtbaren Stadt Kitesch weilen, die hier zum Paradies wird, wo sich Prinz und Jungfrau vermählen und sie auch noch des Koeterma gedenkt.

 

Schwierige Geschichte also und auch eine, die leicht im Kitsch ertränkt wird. Die Amsterdamer Aufführung vermeidet solche Anverwandlungen konsequent, indem sie einerseits auf realistische Anflüge Wert legt und andererseits Übernatürliches völlig selbstverständlich ins Bild setzt. In der Musik ist dies sowieso vorhanden. Rimski-Korsakov hat jedem eine Melodie gegeben, an der sich die Personen und die Zuhörer auch festhalten können, und er hat die Personen durch Klangfärbungen voneinander getrennt oder vereint.

 

Seiner Klangästhetik liegen Farbvorstellungen zugrunde. Das schreibt er selbst, daß das Fis blaß-grau-grün und moll sei, während das E in moll nur blau, aber in Dur ein gewisses saphirnes Blau, ein funkelndes und dunkel-lazuren sei. Das D ist gelb, golden, wie sonniges Tageslicht…und wir hören bei dem durch den musikalischen Leiter der Nederlands Opera, Marc Albrecht, sehr umsichtig und durchsichtige Klänge erzeugenden Musikstrom die gefühlvolle Welt genauso heraus wie die kämpferischen Momente die lyrischen Passagen verdrängen und die Oberhand gewinnen.

 

Es handelt sich um eine Koproduktion mit der Bastille Oper Paris, dem Gran Teatre del Liceu Barcelona und der Scala von Mailand.

 Foto: Monika Rittershaus

Vorstellungen noch am 26. Februar und 1. März 2012. Premiere war am 8. Februar 2012

Mit freundlicher Unterstützung des Holland-Tourismus, Köln, www.holland.com und des Lloydhotels in Amsterdam, Oostelijke Handelskade 34, 1019 BN  Amsterdam, 020-561-3636, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!