Eröffnung der Tiroler Festspiele ERL 2015

 

Felicitas Schubert

 

Erl/Kufstein/Tirol (Weltexpresso) – Wir behaupten nun mal, Sie kennen diesen kleinen feinen Ort ERL schon und auch das alte Festspielhaus, das eigentlich in den Fünfziger Jahren gebaut wurde für die seit 1613 stattfindenden Passionsfestspiele gebaut wurde, die allerdings finden nur alle sechs Jahre, weshalb der dort lebende Dirigent Gustav Kuhn vor vielen Jahren auf die Idee kam, in den Jahren dazwischen die FESTSPIELE ERL zu kreieren, deren Durchgang des Wagnerschen RINGs in 24 Stunden Eingang ins Buch der Rekorde und ins Fernsehen fand.

 

Und natürlich finden die Festspiele auch im Passionsjahr statt, inzwischen gibt es sogar ein eigenes Winterfestspielhaus, das möglich machte, auch Winterfestspiele ins Leben zu rufen. Dennoch ist das eigentliche Ereignis für uns immer dieser moderne Bau aus den Fünfzigern, der weltweit als Ikone gilt, vereint er, sich glückhaft in die Natur einzufügen und über eine phänomenale Akustik zu verfügen. Dies machte seit jeher wett, daß das Orchester nach oben gestaffelt sitzt und die schmale Bühne schmal die Regisseure zu besonderen Einfällen zwingt. Bevorzugt inszeniert übrigens Meister Kuhn selbst.

 

 

Mit dem „Konzert für Saxophone und Bassposaune“ von Daniel Schnyder und „Redsamen Männern“ ist gestern Abend die 18. Sommersaison der Tiroler Festspiele Erl eröffnet worden. Umrahmt von den einzelnen Sätzen des Konzertes traten im ersten Teil des Festaktes zur Eröffnung im Erler Festspielhaus Festspielpräsident Hans Peter Haselsteiner, Landeshauptmann Günther Platter und Bundesminister a.D. Karlheinz Töchterle als redsame Männer in Erscheinung. Am Pult des Orchesters der Tiroler Festspiele Erl gaben sich vier junge Dirigentinnen und Dirigenten abwechselnd den Stab in die Hand: Andreas Leisner, Jeong Un Kim, Mauro Fabbri und Silvia Vassallo Paleologo stellten souverän unter Beweis, dass Gustav Kuhn in seiner Accademia di Montegral auch erfolgreich junge NachwuchsdirigentInnen fördert.

 

Den zweiten Teil der Eröffnung gestaltete Regisseurin Katja Czellnik mit den Herren der Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl und den redsamen „Erler Männern“. Auf der Basis von Reden über Österreich – ursprünglich gehalten von Anton Wildgans und Erwin Ringel – und entlang von Männerchören Richard Strauss‘ brachte sie eine szenisch-musikalische Suche nach nationaler Identität auf die Bühne.

 

Hans Peter Haselsteiner stellte seine Begrüßung ganz unter das Motto „laut und beharrlich“. Er betonte, dass unser Europa die Ukraine und natürlich auch Russland als das Kernland Europas mit einschließe. Waffen seien keine Lösung. „Der Europäische Weg ist einer der Diplomatie, den nur wir einfordern können und sollten – laut und beharrlich.“ Bei all den Schwierigkeiten und Missständen in der europäischen Union sei es hoffentlich zu vermeiden, dass die menschliche Würde verloren gehe. „Auf dem Weg hin zu einer Lösung all dieser Probleme werden politische Programme immer wieder bemüht und missbraucht werden. Dagegen müssen wir uns vehement wehren – laut und beharrlich.“ Die Probleme der Union sähen wir vor allem in Bozen am Bahnhof oder in anderen Urlaubsregionen, beispielsweise an der Grenze von Italien zu Frankreich an der Côte d‘Azur. Überall Gestrandete an den Grenzen, die auch innereuropäisch für diese nicht zu überwinden sind. Dabei stehe eines fest: „Ohne Solidarität ist die europäische Union nicht nur handlungsunfähig, sondern auch sinnentleert.“ Jede Gemeinschaft brauche Solidarität. „Und so müssen wir auch diese immer wieder abverlangen – laut und beharrlich.“

 

Am Ende stellte der Festspielpräsident die Frage, ob man in solch einer katastrophalen Situation in Europa überhaupt noch Kunst und Kultur fördern dürfe. Müsse nicht alles Geld in soziale Projekte fließen? „Kultur und Soziales dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Kultur muss gefördert werden. Und jeder, der es kann, ist im Grunde dazu verpflichtet.“ Bei allem Einsatz für die europäische Gemeinschaft brauche es auch Orte, die Sinnbild der europäischen Kulturidee und ihrer Gemeinschaft seien – und an denen man Energie tanken könne und wieder zu sich fände. „Wo kann man das besser als in einem Festspielhaus?“ Die Kultur kann erfreuen, verstören, überzeugen oder zum Diskutieren anregen – allein, dass man das in einer Gemeinschaft tut, macht sie so einzigartig und unersetzlich.

 

Für den Landeshauptmann Günther Platter sind die Festspiele in Erl „eine Zeit der großen Gefühle“, die er jedes Jahr genieße. Bemerkenswert sei das besondere Repertoire, die Mischung aus Klassik, Jazz und Moderne. Das war natürlich auch bei dem im Eröffnungskonzert dargebotenen Werk von Daniel Schnyder exemplarisch zu erleben. Platter lobte die Festspiele als universelle Ausbildungsstätte: „Maestro Kuhn überlässt den Taktstock gerne auch dem Nachwuchs, um zu zeigen, welche Qualität in diesem verborgen ist. Die Zügel behält er aber stets in der Hand.“ Im Hinblick auf den zweiten Teil des Abends erläuterte Platter, dass Ringel in seiner Rede über Österreich sehr zornig mit der österreichischen Mentalität ins Gericht ging. Österreich würde erst frei sein, wenn es sich mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetze. Ringel forderte sein Land auf, in die Zukunft zu schauen und sich am europäischen Prozess zu beteiligen. „Österreich war auch stets ein Staat der Verdrängung im Umgang mit der Schuld und Nationalsozialismus“, so Platter. Das habe sich aber geändert. „Heute können wir zufrieden damit sein, dass wir Mitglied der Europäischen Union sind, denn man darf den Staat nicht den Populisten überlassen. Was wir brauchen sind Realisten mit Visionen.“

 

Bundesminister a.D. Karlheinz Töchterle kam schließlich die Ehre zu, die Festspiele zu eröffnen. Er forderte die Zuhörer auf: „Satere aude! Wage es, weise zu sein!“ - was er frei interpretierte als „Wage es, witzig zu sein!“. Und zwar witzig im Sinne Horaz‘: „Wissend und witzig zu sein, das geht. Das zeigt diese Musik heute Abend.“ Musik sei für ihn DIE Kunst an sich, denn sie bilde zum einen eine Einheit mit dem Geist. Bestes Beispiel dafür sei der Mythos des Orpheus‘, der ein so großer und mächtiger Sänger war, dass er nicht nur Tiere, sondern auch den Tod zu überwinden wusste. Zum anderen schlage sie eine einzigartige Brücke zur Philosophie: „Pythagoras zeigte die enge Verbindung von Zahlenverhältnissen und musikalischen Harmonien auf, die in jedem klingenden Körper enthalten sind.“ Immerhin sei er es auch gewesen, der gemeinsam mit Platon die Lehre von der Sphärenharmonie entworfen habe. „Die Musik ist Gestalt gewordene Zahl und Schönheit gewordener Geist.“ Mit einem weiteren Zitat Horaz‘ erklärte Töchterle die Festspiele für eröffnet: „Prodesse et delectare! Nützen und erfreuen! Und das soll die Musik hier tun.“

 

P.S. :

Uns gefiel das allzugut, daß die REDSAMEN MÄNNER von einer Frau inszeniert wurden, aber gleichzeitig die ganzen Eröffnungsreden, gegen die gar nichts zu sagen ist, sondern eher dafür, von äußerst redsamen Männern gehalten wurden! Na, so hatte man das mit den REDSAMEN MÄNNERN auch nicht gemeint. Eben.

 

 

Foto:

 

Aus der Eröffnungsvorstellung Richard Strauss „Redsame Männer“

 

www.tiroler-festspiele.at