Montreux Jazz Festival 2015

 

Notker Blechner

 

Montreux (Weltexpresso) - Die Hitzewelle hat dem diesjährigen Montreux Jazz-Festival nicht geschadet. Im Gegenteil: Die Veranstalter zählten 30.000 Besucher mehr als im verregneten Vorjahr. In den klimatisierten Konzertsälen verfolgten Musikfans die Auftritte von Stars wie John Legend, Sinead O'Connor, Lionel Richie, Toto, Lenny Kravitz, Santana, George Benson und Zaz. Für einen Höhepunkt sorgte Lady Gaga im Duett mit dem 89-jährigen "Jazz-Crooner" Tony Bennett.

 

Im ausverkauften Stravinski-Auditorium zeigte die 29-jährige Pop-Diva, dass sie mehr kann als kommerzielle Songs zu singen und schrille Selfies ins Netz zu stellen. In Montreux präsentierte sich Lady Gaga als gereifte Künstlerin, die entweder im Solo oder im Duett mit dem 60 Jahre älteren Tony Bennett schwierige Jazz-Stücke interpretierte. Beide haben 2014 das gemeinsame Jazz-Album "Cheek to Cheek" veröffentlicht, das prompt auf Platz 1 in den US-Charts landete.

 

 

Lady Gaga als virtuose Verwandlungskünstlerin

 

Für die meisten Fans waren die Songs freilich nur Nebensache. Sie kamen vor allem, um die glamouröse Selbstinszenierung der Verwandlungskünstlerin zu erleben. Passend zu jedem Stück schlüpfte Lady Gaga in ein anderes Kleid - mal in dezentem Stil der 20er Jahre, mal im durchsichtigen Outfit einer Nachtclub-Tänzerin. Lady Gaga war immer für eine Überraschung gut.

 

Besonders viel Applaus erntete sie für ihre gefühlvolle Interpretation der Jazz-Ballade "Lush Life". Gut beim Publikum kam auch an, dass sie Edith Piafs Welthit "Non, je ne regrette rien!" im atemberaubenden rosa Kleid nachsang. Mit ihrem Französisch stieß Lady Gaga aber schnell an ihre Grenzen.

 

 

Das ungleiche Duo

 

Etwas schwerer tat sich Lady Gaga im Duett mit Bennett. Bei Klassikern wie "Anything Goes" von Cole Porter oder "Cheek to Cheek" von Irving Berlin merkte man, dass die beiden ungleichen Sänger ganz verschiedene Stile haben. Viel besser funktionierte das Zusammenspiel bei "It don't mean a Thing" von Duke Ellington.

 

Bennett genoss es sichtlich, neben der Pop-Art-Sängerin aufzutreten - und wirkte wie im Jungbrunnen. Da war es dann auch nicht all zu schlimm, dass er nicht immer den richtigen Ton traf.

 

 

Sinead O'Connor sucht die leisen Töne

 

Deutlich unglamouröser verlief der Auftritt von Sinead O'Connor. Die 49-jährige Irin mit dem kahlgeschorenen Kopf verzichtete auf Show-Effekte und suchte eher die leisen Töne. Ihre Ballade "Harbour" wirkte wie ein Gebet. Man fühlte sich wie in der Kirche.

 

Fast ein bisschen widerwillig erklärte O'Connor ihre spirituellen Erkenntnisse und ihr Engagement gegen Rassismus und für die weibliche Selbstbestimmung. Leider spielte sie ihren Welthit "Nothing compares to you" nicht. Nach kaum eineinhalb Stunden war Sinead O'Connor mit ihrem Auftritt fertig.

 

 

Jackson Browne singt gegen die Verschmutzung der Meere

 

Deutlich mehr Zeit ließ sich Jackson Browne. Der 56-jährige Folksänger zelebrierte sein ganzes Repertoire und bewies sein immer noch hohes politisches Engagement. Er sang gegen die Verschmutzung der Ozeane, gegen den Einfluss der Tabakindustrie und für den Weltfrieden. Mit seinem Schlusssong "Take it Easy" verbreitete Browne den Hauch des anderen weltoffenen Amerikas.

 

Neben Lady Gaga, Jackson Browne und Sinead O'Connor kamen weitere arrivierte Stars ins mondäne Montreux: zum Beispiel Rocksänger Lenny Kravitz, die französische Nouvelle-Chanson-Vertreterin Zaz sowie die Jazz-Legenden Chick Corea und Santana, die immer wieder gerne beim Festival auftreten.

 

Für einen gelungenen Auftakt des Festivals sorgte R&B-Musiker John Legend. Der Amerikaner spielte bis zur Erschöpfung, um das Publikum zu verzaubern. Besonders berührend war sein Erfolgshit "All of me", mit dem Legend die Charts in den USA gestürmt hatte.

 

 

30.000 Besucher mehr als im Vorjahr

 

Insgesamt strömten 240.000 Besucher zum Montreux-Festival. Das sind 30.000 mehr als im Vorjahr. Ein Grund dafür war das "Mallorca-Wetter". 2014 hatte es in den zwei Wochen oft geregnet.

 

Für die Konzerte wurden 92.000 Tickets verkauft. Festival-Chef Matthieu Jaton zeigte sich darüber zufrieden. "Wir haben eine ausgeglichene Null geschafft", sagte er bei der Abschluss-Pressekonferenz. Wie stark der starke Schweizer Franken ausländische Besucher abgehalten habe, vermochte er noch nicht zu sagen.

 

 

Warten aufs 50-jährige Jubiläum

 

Auf den 41-jährigen Festivalmacher, der vor zwei Jahren den unerwartet verschiedenen Claude Nobs abgelöst hatte, wartet nun eine ganz große Herausforderung: 2015 findet das Montreux-Festival zum 50. Mal statt. Dann muss Jaton den Mythos des Festivals neu beleben und zeigen, wohin sich musikalisch das Festival in Zukunft bewegen soll: mehr in Richtung Pop und World Music oder mehr zurück zu den Jazz-Wurzeln! Wir sind gespannt, Monsieur Jaton!

 

INFO:

Montreux Jazz Festival

http://www.montreuxjazzfestival.com/de