Schumann und Mozart: Generalprobe zum Abschlußkonzert der kubanisch-europäischen Jugendakademie des Rheingau Musik Festivals
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – Kenner wissen, daß man bei Generalproben, sei es in Konzerten oder der Oper, oft mehr von der Musik erfährt und erlebt, als im tags darauf durchgespielten Konzert. Wir können das für diesmal nicht beurteilen, denn wir hörten nur die Generalprobe, die uns für viele Tage auch im Nachhinein glücklich machte: so lustvoll und musikalisch anspruchsvoll war die von Thomas Hengelbrock geleitete Abschlußprobe.
Dabei ging es im zweiten Teil um die Sinfonie Nr. 4 d-Moll op.120 von Robert Schumann (1810-1856), an der er rund 10 Jahre schrieb und die 1841 in Leipzig uraufgeführt wurde. Wie sehr in den vier Sätzen die Dynamik von „ziemlich langsam“ und „lebhaft“ auch die wirklich hinreißende Probe von Thomas Hengelbrock bestimmte, war eine beeindruckende Erfahrung, gepaart mit dem Glücksgefühl angesichts der durchschlagenden Musikalität der jungen Musiker, die erst in der knapp zweiwöchigen Akademie zueinanderfanden.
Dieses internationale Jugendorchester können wir hier nur am Rand erwähnen, ist aber das eigentliche Ereignis. Die vom Rheingau Musik Festival durchgeführte CuB – Cuban-European Youth Academy 2015 wurde von 61 ausgewählten kubanischen und europäischen jungen Musikern besucht, die zwei Wochen lang gemeinsam wohnen und musizieren. Dabei geht es sowohl um die musikalische Erarbeitung kleinerer Formen bis hin zu den heutigen großen Orchesterwerken, aber auch um Workshops zu kubanischer Musik, zu historischer Aufführungspraxis und eben auch individuellem Unterricht.
Begonnen hatte Thomas Hengelbrock die Generalprobe mit Mozarts (1756-1791) 5. Violinkonzert, mit dem er 1775 seine Konzerte für die Geige abschloß, weil er nun – so vermutet man – die ideale Form für dieses Instrument gefunden hatte, was man an diesem Abend mit Arabella Steinbacher, Violine, gerne glauben mochte. Ihr mit wenig Mimik zum Ausdruck gebrachtes, so selbstverständliches Zusammenspiel mit dem Dirigenten, der das Orchester immer wieder harsch unterbrach, weil er das Wörtchen PROBEN wirklich ernst nahm, war eine Beglückung. Hier konnte man mit eigenen Ohren hören, wie sehr die außerordentlichen deutlichen Anweisungen des Dirigenten von leisem, sanften Beginn bis zum plötzlichen Anschwellen, ja Ausbruch bis hin zu ekstatischem und rhythmischen Jubilieren aller Instrumente, von Wiederholung zu Wiederholung musikalisch Früchte trug.
Man konnte auch in den Gesichtern der jungen Musiker die Zufriedenheit, ja das Glück über ihren eigenen Lernfortschritt und das Klangbild, zu dem das Orchester geführt wurde, erkennen. Daß man zum Tempowechsel, der auch mitteleuropäischen Körpern die Lust zum Schwung aufzwingt, nur abrupt kommen kann, einschließlich der Dreiklangbrechungen, und sich deshalb der Umschwung, der Gegensatz so deutlich vom melodischen Beginn unterscheiden muß, das wurde durch diese Proben erreicht.
Thomas Hengelbrock, den wir mit der Orchesterakademie Balthasar Neumann schon gehört hatten, zeigte sich in diesen Proben als ein so offener wie orientierender und durchsetzungsfähiger Dirigent. Er selbst gab vielfach durch Körpersprache auch die musikalische Richtung vor, insbesondere, wenn die Geige mit süßen Tönen voranschritt und er sanft gleitend das Orchester folgen läßt, aber auch, wenn es an das Schwebende, Webende der Musik geht. Und er zeigte den Musikern – übrigens sehr vielen Frauen – auch mit Dank seine Zufriedenheit über das Ergebnis.
Wenn wir selbst unsere Zeilen noch einmal überlesen, wird deutlich, daß wir Arabella Steinbacher in ihrem Zusammenspiel mit dem Orchester zu kurz kommen ließen. Sie gab sich dem Orchester, das ja erst hier im Entstehen ist, sehr zugewandt und in voller Übereinstimmung mit den Intentionen des Dirigenten Hengelbrock. Ihr Geigenspiel war so ausdrucksvoll, aber auch so ohne dramatische Gesten selbstverständlich fließend, daß sie innerhalb der Proben den Ruhepunkt bildete, wo sich die Stimmung des Stücks sozusagen bündelte.
Eigentlich hätten wir uns gewünscht, daß diese Generalprobe gefilmt worden wäre, weil sie aus so vielen liebevollen Einzelheiten bestand, die man unmöglich in Worte fassen kann. Und dann kam ein Abschluß nach dem Schluß, der es in sich hatte. Von der Bühne wurde verkündet, es sei wie immer, die kubanischen Musiker hätten noch lange nicht genug vom Proben und wollten nun mit Mozarts Divertimenti aufspielen. Es war unglaublich, da sieht man 14 stehende Musiker, nein, alle sind Musikerinnen und zwei sitzen: 7 Geigen, 4 Bratschen, einen Baß und 2 Celli, die fideln um die Wette, mit solcher Lust und Schönklang, daß die Zuhörer sichtlich hingegossen diesen Abschluß der Generalprobe in sich nach Hause tragen.
Doch, es wäre sehr interessant gewesen, der musikalischen Absicht dieser Generalprobe am nächsten Tag beim Abschlußkonzert mit Ohren und Herz nachzugehen. Ging leider nicht. Was aber bleibt, ist die Gewißheit, solch gemeinsames musikalisches Tun wieder erleben zu wollen, was auf eine Fortsetzung dieser gemeinsamen kubanisch-europäischen Akademie drängt.
P.S. Im übrigen war der Vorsitzende des Vereins des Rheingau Musik Festivals, Claus Wisser, extra für diesen Abend aus dem Urlaub angereist; er war von der musikalischen Qualität hingerissen und bekam die Begeisterung aller mit. Das ist wichtig für Finanzplanungen der Zukunft, denn Claus Wisser ist derjenige, dem zum Töpfeöffnen immer etwas einfällt.
Foto: (c) Rheingau Musik Festival
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