Diskussionsrunden der kubanisch-europäischen Jugendakademie (CuB) des Rheingau Musik Festivals
Claudia Schulmerich
Wiesbaden (Weltexpresso) – In zwei Diskussionsrunden nahmen Organisatoren, Dirigent, Musiker und das Festival begleitende Personen zu den Absichten, den Hintergründen, dem Ablauf und der Zukunft der erstmals ausgetragenen kubanisch-europäischen Jugendakademie Stellung, stellten Fragen, gaben Antworten und sprachen über eine von allen gewollte Weiterarbeit.
Die beiden Veranstaltungen werden vom Hessischen Rundfunk aufgezeichnet, weshalb der des Spanischen kundige Hörfunkjournalist Christopher Plass für den Hessischen Rundfunk die Moderation übernahm und auch gleich, wenn es nottat, für das Publikum aus dem oder ins Spanische übersetzte. Marguerita Álvarez kam den Kubanern mit den Übersetzungen aus und ins Spanische auf dem Podium zu Hilfe. Plass begann mit den Fragen an den eigentlichen Initiator der musikalischen Unternehmung, den Dirigenten Thomas Hengelbrock.
Der erzählte, wie er erstmals auf Einladung des Mozarteums vor zwei Jahren in Kuba auftrat und von der Intensität und der Lebenslust der Kubaner auch im musikalischen Bereich überrascht und begeistert war, zumal sich dies auch in der Kommunikation äußerte. Er schloß Freundschaften mit kubanischen Musikern, erfuhr von der schwierigen Situation, die allein in der Instrumentenfrage zu Tage tritt. In Kuba gibt es kein Geschäft, wo man Instrumente kaufen kann, also auch keine Musikinstrumenteindustrie. Deshalb leierte Hengelbrock gleich – zurück zu Hause in Deutschland – ein Instrumentensponsoring an, wobei es hauptsächlich um gebrauchte, aber gut spielbare Instrumente geht, was noch lange nicht abgeschlossen ist.
Er erzählte, wie tief ihn auch am heutigen Abend auf der Generalprobe einige der Instrumente schmerzten, mit denen Kubaner spielen mußten. Das seien „elende Schachteln“. Er sieht die Musiker dadurch in ihrem Können beeinträchtig, was auch deren ungewöhnlich vitale Musikalität nicht ausgleichen kann. Mit Marilyn Cruz war die Vizerektorin der Ausbildungsstätte der Musiker, die Kunst- und Kulturakademie, auf dem Podium, mit der Hengelbrock von Beginn an in Kuba kooperierte. Sie bestätigte den Eindruck, den man von den Studierenden gewinnt, daß diese nämlich mit Begeisterung, Lust und Neugierde aufeinander reagieren und mit ihren Instrumenten bei jeder Gelegenheit loslegen, improvisieren und jede Art von Musik machen, einfach völlig motiviert und lerneifrig sind. Von daher, das stellte Thomas Hengelbrock eindeutig klar, seien sie trotz der vieler mieser Instrumente hervorragende Musiker.
Beide gaben die schwierige Ausbildungssituation in Havanna wieder, die auch daher rührt, daß viele Studierende außerhalb der Hauptstadt, also auf dem Land wohnen, und große Schwierigkeiten haben, überhaupt pünktlich kommen zu können. Das hatte auch der Impressario des Rheingau-Musik-Festivals Michael Herrmann, der extra mit Thomas Hengelbrock nach Kuba – zwei Tage Kuba, zwei Tage Flug - geflogen war, um sich kundig zu machen, erfahren. Er schwärmte geradezu von der Liebenswürdigkeit der Menschen, nicht nur derer, die ihn empfangen hatten, sondern der 'normalen Leute' auf Straßen und Plätzen. Er fühlte sich wohl, was wichtig war, will man solch ein Unternehmen wie eine gemeinsame zweiwöchige Akademie stemmen.
Ihm war auch die Erfahrung wichtig, zu erleben, wie junge Musiker einfach aus der Lust am Musizieren die ärgsten Strapazen auf sich nehmen und empfand hier bei den gemeinsamen zwei Wochen, daß die Kubaner etwas mitbringen, was die CuE zu einem Jugendorchester macht, was rein europäische Orchester oft nicht mehr haben. Daß die Musik in der so zerrissenen Welt, wie sie sich derzeit darstellt, eine besondere, eine einigende Funktion habe, war unterschwellig Thema, auf das man immer wieder zurückkam, was aber doch eigentlich sich als das Fundament herausstellte, auf dem die diesjährige erste kubanisch-europäische Akademie blühte.
Was uns Europäern so selbstverständlich ist, die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts zu hören, gilt inzwischen in der ganzen Welt. Der Siegeszug der europäischen Klassischen Musik, ist – so Hengelbrock – überhaupt nicht hoch genug einzuschätzen, womit er Recht hat, wir das hier auch wissen, normalerweise aber nicht reflektieren.
Michael Herrmann stellte klar, daß der Finanzrahmen von 250 000 Euro, der für dieses Jahr für CuE nötig war, nicht sofort nächstes Jahr wieder zu erreichen sei. Es sei aber feste Absicht, zusammen mit Thomas Hengelbrock eine weitere gemeinsame Akademie für das Jahr 2017 zu planen. Aufregend sei, daß diese Initiative gerade noch vor der durch die Aufnahme neuer diplomatischer Beziehungen USA-Kuba erwarteten Öffnung des Landes vorgenommen wurde, wobei sich Herrmann ausdrücklich bei Minister Steinmeier und dem Auswärtigen Amt bedankte, die spontan und durchgreifend alle Hilfen nicht nur angeboten, sondern umgesetzt hätten. Für ihn sei die bleibende Erinnerung, wie die jungen Leute auch nach 10-12 Stunden des Musikmachens kein Ende fanden: „Sie spielen vor dem Frühstück, nach dem Frühstück, vor dem Abendessen, nach dem Abendessen. Sie spielen immer.“
Auf dem Podium saß auch Jürgen Nicklaus, der gleich zwei Eigenschaften für dieses Podium mitbrachte. Er ist beruflich für die Messer AG in Kuba tätig und ist Kooperationsbeauftragter des Landes Hessen für Kuba. Das war natürlich interessant, von einem, der dort lebt, über die Situation von Kuba und die nun erwarteten Veränderungen im Land zu hören, die in Befürchtungen gipfeln: Wird Kuba ein zweites Miami, ein verlängerter Arm der USA? Da waren auch von den Kubanern die einhelligen Aussagen: nein. Die Kubaner selbst wollten dies nicht. Diese Fragestellung geht über den Anlaß des Abends weit hinaus, weshalb wir sie gesondert aufgreifen wollen, wenn möglich mit Herrn Jürgen Nicklaus.
Wichtig zu erwähnen ist noch, daß der Wille diese Akademie zu einer ständigen Einrichtung zu machen, die beispielsweise zweijährige abgehalten werden kann, von allen auf dem Podium ausgedrückt wurde, auch von der zweiten Diskussionsrunde, die sich anschloß und wo junge Musiker, also die, die dabei waren, von ihren Erfahrungen berichteten. Alles spricht für eine Weiterarbeit.
P.S. Auch an der Diskussion nahm der der Vorsitzende des Vereins des Rheingau Musik Festivals, Claus Wisser, teil, der extra für diesen Abend aus dem Urlaub angereist war; für ihn waren die Erfahrungen der Beteiligten, aber auch der Zuhörer der Konzerte wichtig. Er bekam die Begeisterung aller mit. Das ist wichtig für Finanzplanungen der Zukunft, denn Claus Wisser ist derjenige, dem zum Töpfeöffnen immer etwas einfällt.
Foto: (c) Rheingau Musik Festival
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