Christian Thielemann dirigierte „Tristan und Isolde“ in Bayreuth, Katharina Wagner führte Regie
Kirsten Liese
Bayreuth (Weltexpresso) - Katharina Wagner steht vor einer schwierigen Aufgabe. Die Bayreuther Festspiele haben seit Jahren entscheidend an Beliebtheit verloren, Alt-Wagnerianer und Kenner haben sich vor allem der schlechten Inszenierungen wegen zurückgezogen, auch die sängerischen Leistungen haben nachgelassen.
Immer mehr wird auf dem Grünen Hügel gebrüllt, da erinnern sich viele lieber vergangener Jahrzehnte des goldenen Wagnergesangs. Wie kann nun ausgerechnet Katharina, die mit ihrer umstrittenen Regiearbeit der „Meistersinger“ (2007) und dem Engagement provokationswütiger Regisseure zu diesem Desaster maßgeblich beigetragen hat, aus diesem Schlamassel herauskommen? Will sie überhaupt Theater für das Publikum machen?
Zunächst einmal waren wohl viele Festspielgäste froh, dass Katharina sich bei ihrer jüngsten Inszenierung von „Tristan und Isolde“ gemäßigter gab, die Partitur nicht nach Strich und Faden ins Lächerliche zog.
Um es aber gleich zu sagen: Eine überzeugende Regiearbeit ist ihr auch diesmal trotz einer konventionelleren Ästhetik nicht gelungen. Ihr großes Manko ist in erster Linie eine charakterliche Fehlinterpretation des König Marke.
Im Libretto von Richard Wagner ist er eine tragische, gütige Figur. Schließlich kommt er im dritten Akt, nachdem er von Brangäne von dem Liebestrank erfahren hat, mit guter Absicht nach Kareol, um Isolde als Braut dem schwer verwundeten Tristan zuzuführen. Und auch in seiner großen Szene zum Ende des zweiten Akts, eingeleitet mit den Worten „Tatest du’s wirklich? Wähnst du das?“, erscheint der König mitnichten als ein Grausamer, als den ihn Katharina Wagner sehen will. Er ist überwältigt von Enttäuschung und Traurigkeit, nicht von Rachedurst.
Bei aller Zeitlosigkeit und Modernität dieses Musikdramas wirkt Wagners feministischer Ansatz doch zu stark an den Haaren herbei gezogen: Weil sich Isolde (mit teils zu starkem Vibrato und Flackern in der Höhe musikalisch unbefriedigend: Evelyn Herlitzius) ihren begehrten Mann einfach nimmt und sich damit gegen das Patriarchat stellt, wird sie hier von einer rigiden Machowelt gepeinigt und daran gehindert, den Liebestod zu sterben. Gewaltsam zwingt Marke sie nach ihrem Schlussgesang, mit ihm zu gehen.
Dazu passt es, dass Philipp Schlössmanns Bühnenraum wie ein Kerker anmutet. Es gibt an allen Seiten Spiralen und Stangen, die man mit Fahrradständern assoziieren kann, aber vielleicht sogar auch mit bizarren Folterinstrumenten. Zumal Isolde und Brangäne zu Beginn des Aufzugs vom Wachpersonal mit Säcken über dem Kopf hereingetragen werden. Marke bedroht einmal Tristan sogar einen kurzen Moment mit einem Messer.
Mit der Musik geht das freilich nicht zusammen, und es ist nicht hoch genug zu würdigen, wie der großartige Georg Zeppenfeld trotz der verordneten unpassenden Regieanweisungen seinem Part als Tragöden musikalisch gerecht wird mit seinem mächtigen, profunden, in allen Registern stets wohl tönenden Bass. Einen besseren Marke hat man seit René Pape nicht mehr gehört. Zeppenfeld ist, nicht zuletzt mit seiner exquisiten Textverständlichkeit, in der von uns besuchten vorletzten Aufführung neben dem Dirigenten Christian Thielemann das Glanzlicht des Abends.
Dass die Liebenden ihr großes Duett „O sink hernieder, Nacht der Liebe“ ohne jeglichen Blick- und Körperkontakt mit dem Rücken zum Publikum singen, wirkt angesichts der großen Zärtlichkeit und Intimität dieser Musik auch alles andere als zwingend. Eigentlich ist eine solche Aufstellung auf der Bühne aus akustischer Sicht ein Unding. Aber Christian Thielemann, der schon jüngst bei den Salzburger Osterfestspielen damit fertig wurde, dass Jonas Kaufmann eine Szene in Mascagnis „Cavalleria Rusticana“ mit dem Rücken zum Publikum sang, hat auch diesmal gezaubert, so dass die Szene zumindest akustisch nicht zum Problem wurde.
Stephen Gould, der sich als Tristan insgesamt mit starken stimmlichen Reserven und dem gebotenen stimmlichen Schmelz in Hochform präsentiert, ließ in diesem Duett trotz der ungünstigen Position sogar seine zärtlichsten Pianotöne hören. Vor allem aber das Orchester spielte hier ungemein ätherisch und zum Niederknien schön.
Foto: (c) Bayreuther Festspiele