Das geplante Techno-Museum in Frankfurt sollte nicht von einseitigen Interessen dominiert werden

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Daß eine Gruppe von Techno-Bewegten und in diesem Genre Aktiven das Museum Of Modern Electronic Music in Frankfurt einrichten und etablieren will, ist löblich. Aber dabei vermieden werden sollte, daß Frankfurt sich irgendwie als Nabel der Techno-Bewegung betrachtet. In allen jugendbewegten Gemeinschaften ist ein Impuls von unbedingter Bewegtheit mit am Werk, wie das auch die Metalszene darbietet.

 

In Sachen Techno ist Frankfurt nicht der Nabel der Welt, wie das möglicherweise suggeriert wird. Techno ist zwiegeteilt: neben dem Techno des akzentuierten harten Kurses gibt es den artifiziellen Techno, der aus dem Unruhegeist der Sechziger entstanden ist. Techno ist nicht erst in den Achtzigern wie aus dem Nichts aus der Taufe gehoben worden (indes wir uns gerne an Talla2XLC und sein Operieren an der Zeil auf der Etage über dem McDonald erinnern), er ist auch das Produkt der Musik der Revolte der Sechziger (Buch: 'Klang der Revolte'). Und in diesem Zusammenhang spielt auch Berlin eine entscheidende Rolle.

 

Techno ist musikalische Mimikry, Mimesis an das Verdinglichte der mechanisierten Welt, ohne Affirmation (Bestätigung). Die mechanisierte Welt wird mit ihren eigenen Mitteln eines Besseren belehrt, der Fundus ihrer Mittelmäßigkeit im musikalischen Spiel 'transzendiert'. Es ist das Konstruktionsprinzip des Techno, dass er mit dem aufbauenden Hämmern und Pulsieren eine Spannung, eine Form, aufbaut, die dann im Prozess des Zurücknehmens kontrolliert dekonstruiert wird und nach und nach erstirbt. Das entzückt. Dieses Prinzip wohnt aller Musik inne, nur sind die jeweiligen Techniken unterschiedliche.

 

Könnte es sein, dass die frankfurterisch geprägte Technoszene in ihrem Vorhaben eine Einseitigkeit aufweist, indem sie die Härte eines Frankfurter Kerns überbewertet und das Artifizielle, das das Humane wäre, als geringer einschätzt? Birth Control spielten kürzlich an der Weseler Werft auch Techno, aber viel mehr mit dem Raffinement aus dem Geist der polyrhythmischen Sechziger, mit humanitärem Unterbau: das Xylophon war leitendes Instrument, es führte in die Spannung hinein und geleitete aus ihr heraus. Begünstigt wurde das paradoxerweise durch die Intervention der Anwohner, die einen geminderten Geräuschpegel ausbedungen hatten. Auch wenn man eine solche Restriktion nicht gutheißen kann: die sommerabendlich entspannte Spielweise inspirierte mehr als die Konvention aufgedrehter Verstärkungswerke, die Folter sein wollen. Birth Control reproduzieren sich, es waren junge NachfolgerInnen und Hinzugekommene bzw. Eingeladene beim Spiel auf der gefüllten Bühne vertreten.

 

 

Die Genrebildner

 

Stilbildner des Techno sind die Gruppen Kraftwerk und Manuel Göttsching mit seinem solistischen Werk „E2-E4“, das weltweit als Vorreiter des Techno gilt. Götsching ist auch als Kopf der Krautrockband Ash Ra Tempel sowie der elektroakkustischen Band Ashra beknnt. Während Kraftwerk die finale Affirmation an die Welt der Maschine gerade noch so zurückhält, ist Göttsching der entspannte Prophet eines: Lassen wir uns nicht ins Bockshorn jagen!, es wird an der organischen Mechanik und Elektronik im Felde der Musik gearbeitet. Wir überführen Welt und Kosmos der ihnen anhaftenden Beschränktheit der Mechanik, partielle Verbrüderung mit der Macht des Faktischen aus dem Hause Orwell kommt überhaupt nicht in die Tüte. Dem Techno ist am besten gedient, wenn er aus der Eindeutigkeit des Genres entschwindet und zum impliziten Konzept wird.

 

Auf dem alljährlichen Burg Herzberg Open Air, zwischen den Parkplatz-Bullyreihen mit den ausgezogenen Seitendächern hindurch geschlendert, klingt immer wieder auch mal eine der Varianten des Techno ans Gehör, z.B. mit dem legendären 'E2-E4' (1981) von Manuel Göttsching. Diese Variante besänftigt das hergereiste, maschinell geschädigte Alltragswrack, der rebellische Esprit von 1968, California, San Francisco, breitet sich in sanfter Härte über die Wiesen und Auen aus. Die alphanumerisch verkürzte Titelgebung weist darauf hin, dass die Motive zwar wohl der Fabrikationsanstalt entstammen, aber was daraus gemacht wird, ist vom Imitieren der Maschine – verbunden mit dem Anspruch auf Maschinenreligion - ganz verschieden.

 

Göttsching, solo oder als Band, hat heute in den unterschiedlichen Weltregionen ein festes Standing, insbesondere war Japan schon immer ein Follower erster Güte, mit den Berliner Philharmonikern derMusikimportartikel aus Deutschland schlechthin, so die größte japanische Tageszeitung Yomiuri Shinbun. Aber auch in Frankreich, England, Italien, Spanien, Skandinavien, in Süd- und Nordamerika, sogar in Korea oder gar China ist er die Berliner Musiklegende. . In Australien fanden kürzlich zwei Auftritte statt. Aus den multideterminierten Sechzigern heraus war Göttsching der Wegbereiter des Techno. Auch das sollte nicht unterschlagen werden. Die unruhige, rebellische Polyrhythmie der Sechziger ist die Entstehungsbedingung des Techno.

 

Was noch auffiel: Kraftwerks Oevre wird in abgewandelten Versionen in Sportvereinen als antreibender Motivator für die Power-Fitnessgymnastikübungen eingesetzt. Der artifizielle Techno könnte nun versuchen, die isometrischen Übungen mit geeigneten Remixes zu bedienen. Die Welt des Techno ist also hier wie da lebensnah und alltagstauglich.

 

Foto: Cover

Info:

'Techno-Museum an der Hauptwache', FR 04.09.2015