Doro ist in der Batschkapp eine Edel-Ikone, die sich während aller Hitze auch mal genieren kann, Teil 1

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Anflug des Genierens vor dem Publikum entsteht in Momenten der Achtung, die ihrer zahlreichen Fangemeinde gilt, die von ihr als die eigentliche Familie angesehen und empfunden wird – die für sie die einzig überhaupt mögliche ist. Das hatte sie einst so entschieden.

 

In 'Plasberg-persönlich' gab sie an, dass sie nur mit ihrer Musik verheiratet ist - wenn sie ihre Fans glücklich machen kann. In kurzen Momenten zeigt sie ein Genieren, das übrigens auch Klaus Meine regelmäßig zeigt, der Sänger der Scorpions, einer Gruppe, mit der sie, wie mit vielen anderen Größen des Genres, innig verbunden ist, z.B. für den Fall, dass ein Song auch mal anders und mit Gast-Stimme zu interpretieren ist. Dann treffen sie sich zu gemeinsamen Sessions. Die Gruppe Powergod ist eine jener Gruppen, die erprobte Stücke aufgreifen und neu auslegen. Auch Doro war schon bei einer dieser Sitzungen dabei und hat auf diese Weise ihren Beitrag für eine Kompilation von Powergod geliefert.

 

Die Frankfurter Rundschau titelte am 1. Dezember auf Madonna bezogen: 'Die Materialschlachtenlenkerin' - 'Die Ikone ist sie selbst, und sie duldet keine anderen Bitches neben sich'. In dieser Hinsicht bildet Madonna den Gegensatz zu Doro, die aber ebenso intensiv und suggestiv die Bühne und was davor wogt beherrscht, ihre Familie und den Kosmos jenseits der Rampe. Doro ist keine Voluminöse in Gestalt und an Stimme, despotische Neigungen eignen ihr nicht, aber sie ist eine ungeheuer starke Persönlichkeit. Ihre Stimme ist von einer Urkraft des unbändigen Hinausschleuderns der Lyrics. Schon im Alter des kleinen Kindes zeichnete sich das ab. Sie wollte immer laut Singen und durchs ganze Treppenhaus gehört werden. Gern und viel klatscht sie gegen die sich ihr vor der Rampe entgegenstreckenden Hände aus der Menge. Streckt Madonna das Mikrophon von der Rampe runter ins Publikum, damit dieses den Refrain übernehme, dann repräsentiert sie mehr die strenge Domina mit dem Anspruch, ein leitbildschaffendes, trendbeschwörendes Orakel der Bühne zu sein. Doro liegen solche Steuerungsansprüche fern.

 

Doro ist beileibe keine Bitch, aber harmlos ist sie dennoch nicht. Sie ist der Inbegriff einer Hohepriesterin der kühn und tapfer (nach engl. 'brave') sich zur menschlichen und tierischen Familie bekennenden Haltung, zu der auch die gestisch kriegerische Attitüde gehört, die im übrigen im Metal sehr verbreitet ist, aber als kulturelle Metapher fungiert, für das Einstehen für 'die Familie', für die gedachte Menschheit, für das so entsetzlich bedrohte Menschenwerk. Mit 'You are my Familiy' sang sie heraus, was in der Härte des Bühnengefechts immer schon geheim mitschwang.

 

Die Metalszene bildet eine Gemeinschaft, die sich zwar nicht dauernd selbstverständigt, aber doch zu jeder Zeit existiert. Ein wenig mönchisch bzw. nonnenhaft geht es dabei zuweilen zu, weil die Metalmusik auch eine sehr kennerhaft und sachlich betriebene Überzeugung darstellt, die aber kurz vor der Religionsausübung haltmacht. Das Familiäre ist der Hintergrund, aber die sichtbaren Realitäten sind keine erfreulichen. Dementsprechend kommen Titel oft apokalyptisch und abgründig daher, aber nur insofern als der Mensch seine Apokalypse und seine Abgründe sich selbst macht. Diese Voraussetzung ist dieser Art Musik von Anfang an eingeschrieben. Dem entsprechend lautet z.B. ein Titel: 'Hellraiser', wobei der Auftritt Doros selbst schon immer ein Krachmacher ist. Diese und ähnliche Titel wie deren Inhalte sind aber mit distanzierender romantischer Ironie und koketter Inanspruchnahme gespickt, wie auch in dem Song 'Touch of Evil', der den Schauder als den besten Teil des Menschseins hervorruft.

Fortsetzung folgt

 

Info: Doro, Batschkapp Frankfurt am Main, 29.11.2015