Beatmusik statt Schlager / als Moderation blödes Gelaber


Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Guildo Horn schaffte es mit seiner Gesangsdarbietung „Guildo hat euch lieb“, vor gut zwanzig Jahren beim European Song Contest, auf den siebten Platz. Danach wurde es stiller um ihn, doch eine kleine Fangemeinde vergaß ihn nie. Am Wochenende trat er mit seiner Gruppe „Die Orthopädischen Strümpfe“ in Schlüchtern auf.

Tick-tick-tick! Rums! Rums! Schwere Gitarren-Riffs, dröhnende Bässe, hartes Schlagwerk: Die „Orthopädischen Strümpfe“ fetzen los, wie eine frühe Beatband, die Musikanten posieren lustvoll als wilde Rockstars. „We love Rock ‘n Roll“, die harten Klänge Joan Jetts von 1982, übersetzt Guildo singend mit rauer Stimme: „Ich find’ Schla-ger toll!“


„Griechischer Wein“, „Mendocino“ und weitere betagte deutsche Oldies werden ebenso laut und ruppig dargeboten, obwohl der Sänger doch versprach, er wolle seine Besucher in ein sanftes Land entführen, in dem Milch und Honig flössen und mit ihnen ins „Traumboot der Liebe“ steigen. Aber eigentlich entpuppt sich der Mann, trotz Blödelsprüche in der Moderation und unsäglicher Verkleidung, die er nach und nach ablegt, als ziemlich cooler Rocker. Seine eigensinnigen Coverversionen deutscher Schlager sind keine Persiflagen, wie sie in den 1990er-Jahren Mode waren.


Mit dem teilweise bunt verkleideten Publikum ist „der Meister“, wie ihn die Veranstalter ankündigten, schnell im intensiven Kontakt; er hat es fest im Griff. Der Sänger springt in die Menge, spricht einzelne direkt an: „Du da, mit dem Bart, dich wollen wir hüpfen sehen!“ Enthusiastisch tun die meisten, was sich der singende Turnlehrer von ihnen wünscht, auf der Stelle hüpfen, die Arme schwenken oder in den Himmel recken. Die deutschen Schlagertexte singen alle sowieso lauthals und klatschend mit.


Erstaunlicherweise sind viele Besucher noch nicht so alt, um ständig orthopädische Strümpfe tragen zu müssen. Die Party vereint junge und ältere Fans, die jeden Unsinn mitmachen und ausgelassen über alle Späße lachen. Gute einhundert Minuten lang bietet die Combo harte Beatmusik dar - aber Guildo hat ein sensibles Gespür, wann mal etwas anderes kommen muss. Zu den Rockrhythmen klimpert er auch mal mit Kuhglocken die Melodie von Marianne Rosenbergs, „Er gehört zu mir“, oder entpuppt sich an kleinen Trommeln als unbändiger Percussionist. Manchmal ermuntert er die Besucher zu „orthopädischen Übungen“, etwa tanzend einen Elefanten oder ein Horn-Tier zu mimen. Der Gitarrist stimmt einmal kurz und heftig Deep Purples „Smoke on the water“ an. Hör- und sehbar haben die Musikanten viel Spaß bei ihrer Arbeit - und die vielen hundert Besucher auch.


Erst zum Schluss seiner Show gibt der Buffo einige unsägliche Schlagerballaden als Zugabe und legt dar: „Guildo hat euch lieb / und wenn es auch mal Tränen gibt / kommt er rüber und singt für euch Lieder...“ Für den - von der musikalischen Qualität der Band und dem charismatischen Auftritt des Entertainers - überraschten Kritiker ist es Zeit nach Hause zu gehen, als Guildo trällert: „Nur der Mann im Mond schaut zu / wenn die kleinen Babys schlafen / Drum schlaf auch du...“ Das begeisterte Publikum aber tanzt noch lange zu Klängen vom Band weiter.

Foto: (c) Hanswerner Kruse: „Der Meister bei der Arbeit“